Internationale Forderungen nach Erhalt der Gaslaternen
Klar, das Land Berlin muß „angesichts von 63 Milliarden Euro Schulden“ (1) sparen. Da dies bei so staatstragenden Unternehmungen wie z.B. Stadtschloß, U5-Verlängerung, Staatsoper, A-100-Verlängerung oder „Europas modernstem Flughafen“ und neuerdings einer Eingangshalle auf der Museumsinsel (2), deren Kosten noch vor der Grundsteinlegung unerwartet von 73 Mio. auf angebliche 98,8 Mio. bzw. realistische 110 Mio. (und am Schluß wohl auf noch viel mehr) gestiegen sind - da das natürlich nicht geht, spart man eben u.a. bei der Gasbeleuchtung. Sogar eine zwischen Gas und Elektrizität vergleichende Berechnung von Kosten und Umweltverträglichkeit hat man sich gespart (3). Und ebenso spart sich der SPD-CDU-Senat eine Beachtung des Bürgerwillens, wie er sich im Herbst 2012 in 20.759 Unterschriften zugunsten der Gasbeleuchtung ausdrückte.
Nun haben sich zwei weitere Stimmen zur Erhaltung der Gasbeleuchtung gemeldet: der World Monuments Fund und der Historiker Peter Burman:
Der World Monuments Fund, eine weltweit aktive, angesehene Denkmalpflege-Institution, begründet seine Entscheidung, die Gasbeleuchtung auf seine Rote Liste der bedrohten Kulturgüter zu setzen, folgendermaßen:
“The lamps themselves … are both an important element of industrial heritage and a character-defining feature of the urban landscape. But it is also the gaslight, the aura it casts across the darkness of the Berlin’s avenues and neighborhoods, that uniquely defines the experience of nighttime Berlin and is a treasured aspect of life in the city.“ (4)
Der britische Historiker Peter Burman (Edinburgh und Cottbus) hebt in seinem Gutachten hervor, daß in über 150 Jahren eine Vielzahl von ästhetisch ansprechenden Laternenformen geschaffen worden sei, die ein wichtiges Zeugnis der Technikgeschichte darstellten; nirgendwo auf der Welt gäbe es noch Gasbeleuchtung in diesem Umfang ; außerdem weist er auf ihre besondere Lichtqualität hin. (5)
Laut Berliner Woche vom 9. Oktober (Seite 3) sind hier im Bezirk seit 2012 bereits 37% der Reihenleuchten beseitigt und auf diese Weise Schneisen in die gasbeleuchteten Viertel geschlagen worden, von denen aus der Senat ab 2016 dann mit den Modell- und Aufsatzleuchten in den kleineren Straßen aufräumen will. Wenn offenbar 20.759 Bürger nicht für die mit „150 Jahren älteste Partei mit der längsten demokratischen Tradition“ zählen, vielleicht tut es dann das tourismusabträgliche Gerede, in das die Landesregierung im Ausland gerät?
MichaelR
(1) „Amtliche Information zum Volksentscheid über die Rekommunalisierung der Berliner Energieversorgung am 3.11.2013“, S. 27: Argumente des Abgeordnetenhauses dagegen
(2) genannt „James-Simon-Galerie“ nach einem Mäzen, der die hiesigen Museen vor bald 100 Jahren mit Raubkunstwerken wie Nofretete und Ischtar-Tor aus Babylon beschenkt hatte
(3) vgl. hier: „Die Gaslaternen und das Geld“ und „… und das Klima“
(4) „Die Laternen als solche … sind sowohl ein wichtiger Bestandteil des industriellen Erbes als auch ein charakteristisches Merkmal der Stadtlandschaft. Außerdem ist es das besondere Licht der Gasbeleuchtung in den Straßen und Vierteln, das das nächtliche Berlin zu etwas Einzigartigem macht und deswegen im täglichen Leben hochgeschätzt wird.“
(5) nach Berliner Zeitung vom 12.10.2013. Zusammenfassung des Gutachtens auf englisch hier. Ein weiteres Gutachten von Dietrich Worbs - „Zum Denkmalwert der Berliner Gasleuchten“ - findet sich hier.
Siehe auch den Bericht von ProGaslicht e.V. im “Zündfunke“, Ausgabe Oktober 2013, S. 10
MichaelR - Gastautoren, Geschichte - 18. Oktober 2013 - 00:26
Tags: gaslaterne/gaslicht
acht Kommentare
Nr. 2, neu, 23.10.2013 - 10:26 mdl. frage der cdu in derselben BVV 8. Mündliche Anfrage Gaslaternen im Bezirk “Ich frage das Bezirksamt: In welchen Straßenzügen wurden bisher Gaslaternen ausgetauscht und wo wurde nur das Leuchtmittel gewechselt? Welche Straßenzüge sind im ersten Halbjahr 2014 für die Umrüstung vorgesehen?” http://www.berlin.de/ba-charlottenburg-w.. |
Nr. 3, MichaelR, 27.10.2013 - 18:15 Gutachten von Prof. Peter Burman zur Denkmalwürdigkeit der Gasbeleuchtung (Kurzfassung auf engl.): neu in Anm. 5! |
Nr. 4, neu, 28.10.2013 - 12:45 Berliner Zeitung vom 28.10.13 http://www.berliner-zeitung.de/berlin/ga.. |
Nr. 5, neu, 10.03.2014 - 15:35 jetzt geht es vors gericht: anwohner beantragen in Dahlem einstweilige verfügung http://www.morgenpost.de/berlin-aktuell/.. kein geld ?: Gaebler “verschenkt” 50 millionen im strassenbau Gaebler: “verwaltung hatte nicht mehr genug mitarbeiter” http://www.tagesspiegel.de/berlin/die-ha.. |
Nr. 6, neu, 11.03.2014 - 23:56 tsp: http://www.tagesspiegel.de/berlin/histor.. BILD schreibt: http://www.bild.de/regional/berlin/denkm.. Berl.zeitung http://www.berliner-zeitung.de/berlin/st.. http://www.berliner-zeitung.de/berlin/ve.. |
Nr. 7, jn, 02.05.2014 - 20:20 altes und neues von der gaslaternen-front: http://www.gaslicht-ist-berlin.de/ http://gaslicht-kultur.de/news/newslette.. http://gaslicht-kultur.de/news/newslette.. http://gaslicht-kultur.de/news/newslette.. |
Nr. 8, jn, 02.12.2014 - 11:09 neues im streit um die gaslaternen: http://www.morgenpost.de/bezirke/charlot.. http://www.morgenpost.de/printarchiv/biz.. |
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Antrag der CDU zur Oktober BVV
Drucksache – 0733/4
Betreff:
Denk mal nach über Denkmalschutz für Gaslaternen im BezirkDie BVV möge beschließen:
Das Bezirksamt wird gebeten, sich bei der zuständigen Senatsverwaltung und dem Landesdenkmalamt dafür einzusetzen, dass eine Denkmalprüfung für die in Charlottenburg-Wilmersdorf erhaltenswerten Gaslaternen durchgeführt wird.
Begründung:
Der Abbau der Gaslaternen schreitet rasant voran. Es sollen nach Abbau und Um-rüstung nur noch 5% der 44.000 Gaslaternen in Berlin erhalten bleiben. Deshalb sollen die im Bezirk stehenden Gaslaternen weitestgehend gerettet werden und unter Denkmalschutz gestellt werden.
http://www.berlin.de/ba-charlottenburg-w..