Endzeitstimmung in der Komödie
Dreimal Thalbach in der „Glasmenagerie“
„Die Glasmenagerie“ von Tennessee Williams gehörte zu jenen Stücken, die den Theaterhunger des Berliner Publikums unmittelbar nach dem II. Weltkrieg stillten. „Wir sind noch einmal davongekommen“ von Thornton Wilder brachte schon im Titel die Stimmung und den Lebenshunger in der Trümmerstadt Berlin auf dem Punkt.
Es waren Stücke, die in jener Zeit entstanden, als das deutsche Theaterpublikum von den neuen Produktionen im „Feindesland“ abgeschnitten war. Die Besatzungsmächte kamen im Rahmen eines „Umerziehungsprogramms“ dem Nachholebedarf der Deutschen, die nach langer Zeit der Isolation die moderne Literatur förmlich aufsogen, entgegen.
Dieses Sensationelle haftet dem Stück „Die Glasmenagerie“ heute nicht mehr, das in der Komödie am Kurfürstendamm noch bis zum 17. April auf dem Spielplan steht, an. Dennoch hat die Regisseurin in ihrer Inszenierung Akzente gesetzt, die erneut aufhorchen lassen.
Fotos: Wecker
Das Stück handelt von der Langeweile, der Trost- und Perspektivlosigkeit im Leben einer US-amerikanischen Familie, die ihr Dasein in einer Kleinstadt fristet. Die Mutter sucht in der Erinnerung an ihre frühere angesehene gesellschaftliche Stellung Halt, ihr Sohn Tom im Kino, wo seine Abenteuerlust ersatzweise befriedigt wird, und seine gehbehinderte Schwester findet schließlich ihren Halt in der Bewunderung fragiler Tierfiguren aus Glas, in der Pflege ihrer Glasmenagerie. Der Familienvater ist dieser Tristesse durch Flucht vor der Familie entkommen. Er ist nur noch in Form eines Bildes präsent. Dramatischer Höhepunkt ist der Besuch eines Arbeitskollegen des Sohnes, den die Mutter aufdringlich als potentiellen Schwiegersohn umgarnt. Der schlägt diese Offerte jedoch aus und zerstört dabei unabsichtlich, aber symbolisch eine der Glasfiguren, womit auch der letzte Hoffnungsschimmer auf Veränderung bei den Frauen der Familie zerbricht. Der Sohn verläßt am Ende nach dem Vorbild seines Vaters die Familie.
In das Symbol der kleinen zerbrochenen Glasfigur hat Regisseurin Katharina Thalbach eine Endzeitstimmung gelegt. Der Zuschauer sieht eine Figur zersplittern, eine zerbrechliche junge Frau verzweifeln und in seiner Vorahnung kann er ganze Städte zerschellen sehen. Katharina Thalbach schafft eine beängstigende Spannung: Unter einer dünnschichtigen Oberfläche scheint ein Vulkan zu brodeln. Fast schon sehnsüchtig wird auf dessen Ausbruch gewartet, weil diese Welt die Luft zum Atmen abschnürt. Daß danach die Welt in Trümmern liegt, sahen die Zuschauer der Nachkriegszeit, als sie das Theater verließen, die heutigen müssen in die Geschichtsbücher schauen.
gläsernes Einhorn versehentlich beschädigen.
Fotos: Wecker
Katharina Thalbach hat die Frauenrollen mit ihrer Tochter Anna und ihrem Enkel Nellie besetzt. Damit stellt sie ihr beneidenswertes Glück aus: Nicht nur sie selbst hat ein außergewöhnliches Theatertalent geerbt, sie kann dies sogar noch über zwei weitere Generationen weitergeben. Insbesondere sind bei Anna der Nuancenreichtum und die Ausdrucksvielfalt ihres Spielvermögens zu bewundern. An ihrer Seite wirken zwei junge Schauspieler, Florian Donath und Leonard Schleicher, denen man ihr Alter angesichts der bereits erreichten Erfolge auf der Bühne und im Film nicht glauben mag.
Karten ab 13 Euro können unter Telefon 885 911 88 und im Internet unter www.komoedie-berlin.de vorbestellt werden.
FW
FW - Gastautoren, Kunst und Kultur - 06. März 2016 - 18:02
Tags: drama/komödie/theater
zwei Kommentare
Nr. 2, jn, 08.03.2016 - 10:07 ..und noch: http://www.morgenpost.de/kultur/article2.. https://www.jungewelt.de/2016/03-14/044.php |
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