Berlin soll blaue Stadt werden
Maude Barlow besuchte Berlin
Maude Barlow, Trägerin des alternativen Nobelpreises, ist führender Aktivist beim Schutz des wichtigsten Lebensmittels für alle Lebewesen auf der Erde: dem Wasser.
Gegenwärtig führt die Kanadierin eine Kampagne an, in der sich Städte um das Siegel „Blue Community“ bewerben. In ihrer Heimat gehören 19 Städte zu den „Blue Communities“, in Europa sind es bereits Bern und Paris. Einige wasserreiche Dörfer in Brasilien sind „Blue Communities“ geworden, um sich damit vor den Begehrlichkeiten privater Interessenten an ihrem Wasser zu schützen. Voriges Jahr schloß sich auch der Weltkirchenrat, der 500 Millionen Christen vertritt, der Kampagne an.
Am 29. März weilte Maude Barlow als Referentin auf der Messe „Wasser Berlin International“ in Berlin. Auf Initiative des Berliner Wassertisches erhielt sie auch die Möglichkeit, vor führenden Vertretern der Regierungskoalition über ihre Initiative zu sprechen. SPD und Linke entsandten ihre umweltpolitischen Sprecher Daniel Buchholz und Marion Platta zu dem Forum, die Grünen ihre Fraktionsvorsitzende Silke Gebel. Das Forum wurde zum ersten gemeinsamen Projekt der neuen Regierungskoalition. Wichtiger ist noch, daß alle Politiker eine mögliche Zustimmung ihrer Parteien zu einer Bewerbung Berlins als „Blue Community“ signalisierten. Das geschah vor den Vertretern zahlreicher in der Wasserpolitik engagierter Organisationen wie der bundesweit agierenden „Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft“, dem Ökowerk und auch den Berliner Wasserbetrieben. Unter allen Beteiligten herrschte Einigkeit, sich den drei Kernforderungen einer Blue Community anzuschließen:
1. Den Zugang zum Trinkwasser als ein grundlegendes Menschenrecht festzuschreiben;
2. Das Trinkwasser als gesellschaftliches Gut zu behandeln, das nicht dem Profitinteresse privater Eigner unterworfen werden darf;
3. Kommunal gefördertes Trinkwasser ist in öffentlichen Einrichtungen dem kommerziell in Flaschen vermarkteten Konsumgut vorzuziehen.
Diese Kampagne ist für Berlin in mehrfacher Hinsicht von Relevanz:
Die Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe hat weltweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Mit einer „Blue Community Berlin“ würde sich nicht nur das Ansehen der Stadt erhöhen, es würde der Kampagne auch entscheidend neue Impulse geben.
Foto: Wecker
Konflikte um den Besitz der Trinkwasserquellen und ihrer Nutzung ist heute eines der größten Sicherheitsrisiken. Da Deutschland wieder in Großmachtstiefeln in der Welt auftritt, trägt es auch Schuld an den Kämpfen um das Wasser. Das zeigte sich in Syrien, als im Kampf um die syrische Stadt Aleppo auch von Deutschland unterstützte Terrorverbände den Einwohnern den Zugang zu den Brunnen mit Waffengewalt versperrten, was als ein Kriegsverbrechen gilt. Kriege wurden bereits um das Wasser geführt und neue Kriege zeichnen sich ab. Das betrifft sogar Regionen in Zentralasien, wo es genug Wasser gibt. Derjenige, der über die Quellen verfügt, wie zum Beispiel Kirgisien, kann auch regeln, in welchen Mengen das Wasser in den Flüssen abfließt. Wenn dadurch Baumwollfelder in Usbekistan verdorren, wird das Wasser zu einer politischen Waffe. Es gibt genügend „Global Player“, wozu auch Deutschland gehört, die aus solchen Konflikten ihren Nutzen zu ziehen wissen.
Der dritte Punkt greift unmittelbar in das Alltagsleben ein. Der Lebensmittelgigant Nestle erzielt seinen größten Profit damit, daß er Wasserquellen kauft, das Wasser auspumpt und in Flaschen umfüllt. Die Dokumentarfilme „Bottled Life“ und „Tapped“ zeigen, wie Nestle in der größten Wasserumfüllanlage der Welt in Maine bei Gestehungskosten zwischen 0,06 und 0,11 $ pro Gallone im Verkauf für die gleiche Menge rund 6 $ erzielten. Da Wasser stets nach unten fließt, wurde den Gemeinden das Wasser dadurch gestohlen, daß Nestle einfach tiefer als die Gemeinde bohrte. „Bottled Life“ zeigt, wie sich die Anwohner erfolgreich gegen den Wasserraub zur Wehr setzten.
„Die Probleme, die wir in den wassereichen entwickelten Ländern wie Kanada und Deutschland für weit entfernt hielten, stehen nun auch vor unserer Tür“, führte Maude Barlow aus. Das betrifft keineswegs allein den alltäglichen Wasserverbrauch. Berlin nimmt nicht nur mit seiner militärischen Einmischung, sondern auch am Verhandlungstisch Einfluß auf die weltweiten Wasserressourcen. Das geschieht, wenn über Freihandelsabkommen Konzerne Regierungen mit Prozeßandrohungen vor Privatgerichten erpressen können, die Wasserversorgung zu privatisieren, oder wenn Staaten wie Griechenland gezwungen werden sollen, die Wasserförderung zu privatisieren, um die Privatschulden von ansässigen Banken auszugleichen.
Foto: Wecker
In der Diskussion wurden zahlreiche Vorschläge unterbreitet, die die Politiker und auch die Wasserbetriebe aufgreifen wollen. So sollen zusätzlich an Konzentrationspunkten wie dem Hauptbahnhof öffentliche Trinkwasserbrunnen eingerichtet werden. Offiziellen Berlinbesuchern soll als Geschenk statt eines Berliner Bären ein Brunnen mitgegeben werden. Bei der Neuausschreibung des Betriebs öffentlicher Toiletten soll zur Bedingung gemacht werden, daß außen frei zugänglich ein Trinkwasserhahn montiert wird. Außerdem soll die Gastronomie angehalten werden, daß, so wie es international üblich ist, in Karaffen preiswertes Leitungswasser für die Gäste bereitzuhalten ist.
Maude Barlow resümierte im Abgeordnetenhaus: „Ich bin sicher, daß mit der Veranstaltung heute eine neue Wasserbewegung in Berlin angestoßen wurde.“
Weitere Informationen gibt es im Internet unter: www.bluecommunityberlin.de
Frank Wecker
FW - Gastautoren, Politik - 02. April 2017 - 18:40
Tags: daseinsvorsorge/grundversorgung/trinkwasserversorgung/wasser/wassertisch
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