Ruhe ist die erste Bürgerpflicht
„Wir sind die Neuen“ in der Komödie am Kurfürstendamm
„Mit dieser Generation sind keine unruhigen Zeiten zu erwarten.“ So etwa könnte die Botschaft lauten, mit der die Besucher der Komödie am Kurfürstendamm nach dem Genuß der jüngsten Produktion „Wir sind die Neuen“ aus dem Theater entlassen werden.
Foto: Wecker
Martin Woelffer hat den gleichnamigen erfolgreichen Film von Ralf Westhoff in einer eigenen Bühnenfassung für sein Haus aufbereitet und mit Winfried Glatzeder, Heinrich Schafmeister und Claudia Rieschel eine hervorragende Besetzung für die 68er Generation gefunden, die der Filmbesetzung in keinerlei Hinsicht nachsteht. Winfried Glatzeder läßt im Che-Guevara-T-Shirt mit seinem Elan sogar die Hoffnung aufkeimen, als könnte es die alte Generation noch einmal richten. Die junge Studentengeneration wurde mit Eric Bouwer, Luise Schubert und Annalena Müller besetzt, die hier ihrer bisherigen Karriere auf Bühne, Bildschirm und Leinwand weitere Glanzpunkte hinzufügen. Es ist köstlich anzusehen, wie sie junge Menschen spielen, deren Attraktivität hinter ihrer spießerhaften Strebsamkeit verblaßt. Erst wenn sie diese Maske ablegen, wird ihre widersprüchliche Persönlichkeit sichtbar, die die Alten wie eine Fahne vor sich hertragen.
Winfried Glatzeder und Heinrich Schafmeister in „Wir sind die Neuen“.
Foto: Wecker
Katharina (Luise Schubert, rechts), für die Alt-68er Winfried Glatzeder, Claudia Rieschel
und Heinrich Schafmeister, die sich schon gehorsam mit den ausgezogenen Schuhen
und Blumen in der Hand, bei den alteingesessenen Bewohnern vorstellen.
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Revoluzzercharme nicht mehr anzukommen (Annalena Müller, Luise Schubert, Eric Bouwer).
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nerven die heutigen Studenten (Annalena Müller).
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In der Komödie treffen drei Vertreter der 68er Generation auf heutige Studenten, denen der einzig auf wirtschaftliche Effizienz ausgerichtete Studienbetrieb keinen Raum für revolutionäre Flausen läßt. Was sie brauchen, um ihren Platz in der Gesellschaft zu erobern, ist Ruhe, um pauken zu können. Den Alten hat ihre akademische Freiheit auch wenig gebracht, denn letztlich läßt wirtschaftliche Not im Alter ihre kostengünstigere frühere Studenten-Wohngemeinschaft wieder auferstehen. Bis, wie es sich für eine Komödie gehört, alle über die Generationen hinweg zueinanderfinden und sich in den neuen Verhältnissen einrichten, gibt es viel Situationskomik und sauber plazierte Pointen, die die bitteren Wahrheiten genußvoll schlucken lassen. Dieser Realitätssinn gepaart mit Spaß macht diese Komödie so reizvoll. Wenn die beiden Ku’dammbühnen einmal verschwunden sein werden, wird diese Produktion sicherlich zu denen gehören, die von diesem Haus in der Erinnerung fortleben werden.
Das Stück wird en Suite bis zum 11. Juni gespielt. Karten ab 16,30 Euro können unter Tel.: 885 911 88 und im Internet unter www.komoedie-berlin.de bestellt werden.
Frank Wecker
FW - Gastautoren, Kunst und Kultur - 06. Mai 2017 - 00:24
Tags: komödie/schauspieler/theater
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