Gemeinwohl versus Eigennutz
Gemeinnützigkeit und Wohnraumversorgung am Beispiel der Geschichte der Gewobag
Es gibt einen Ort in Berlin, an dem sich die historische Entwicklung von Gemeinnützigkeit und Wohnraumversorgung in Verbindung mit der Firmengeschichte der heutigen landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag anschaulich verfolgen läßt.
Die Geschichte der Wohnungsgemeinnützigkeit begann bereits in der Mitte
des 19. Jahrhunderts mit der Gründung von Baugesellschaften und
Baugenossenschaften. Auch die Neue Heimat war noch ein
gemeinnütziges Wohnungsunternehmen, bis die Gemeinnützigkeit Ende der
80er Jahre durch die damals verantwortliche Politik aufgehoben wurde (1).
Am 14. Mai 1919 wurde die Heimstätten AG Groß-Berlin (HEIMAG) als Tochtergesellschaft der Gagfah gegründet. Am 19. Februar 1931 wurde die HEIMAG in Gewobag umbenannt, die Gagfah zog sich aus dem Tochterunternehmen zurück. Nach dem Niedergang der Neuen Heimat übernahm die Gewobag im Jahr 2000 u.a. die damalige WIR Wohnungsbaugesellschaft in Berlin mbH (2).
Von 1930 bis 1935 entstand zwischen Spandau und Siemensstadt die Reichsforschungssiedlung Haselhorst, um günstigen Wohnraum für etwa 12.000 Menschen zu schaffen - besonders für die Beschäftigten der großen umliegenden Werke von Siemens und Borsig. Namhafte Architekten wie Bauhaus-Gründer Walter Gropius, Paul Mebes, Fred Forbat und Otto Bartning beteiligten sich an dem Projekt (3).
Diese Siedlung gehört noch heute zum Bestand der Gewobag. Ein Besuch lohnt sich. Anschaulicher läßt sich Baugeschichte kaum erfahren. Michael Bienert stellt die Reichsforschungssiedlung Haselhorst in seinem Buch vor, welches im April 2015 in einer neuen, stark erweiterten Auflage erschienen ist. Die Gewobag hat eine bis ins Detail liebevoll ausgestattete Museumswohnung mit Originalmobiliar aus der Entstehungszeit rekonstruiert, die kostenfrei besichtigt werden kann. Ehrenamtliche Mitarbeiter des Gemeinwesenvereins Haselhorst stehen vor Ort als Ansprechpartner zur Verfügung. Zusätzlich bietet Michael Bienert auf Wunsch und nach Voranmeldung noch Führungen durch Siedlung und Museumswohnung an.
(1) Wohnungsgemeinnützigkeit
* haufe.de - "Die Entwicklungsphasen der Wohnungsgemeinnützigkeit"
* GdW - "Die Geschichte des GdW und seiner Vorläuferverbände"
Die von der der Politik praktizierte, noch zusätzlich mit dem ganz speziellen Berliner Filz drapierte, Verantwortungslosigkeit gegenüber breiten Mieterschichten erreichte in Berlin unter den SPD-Senatoren Peter Strieder/Ingeborg Junge-Reyer (Stadtentwicklung) und Thilo Sarrazin (Finanzen) den letzten traurigen Höhepunkt und gipfelte schließlich unter Beteiligung aller damals im Abgeordnetenhaus vertretenenen Parteien (SPD, CDU, Linke, Grüne, FDP) im Verkauf landeseigener Wohnungen.
Heute bringen Linke und Grüne, Gewerkschaften, Mieterinitiativen und Mietervereine die Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit ganz aktuell wieder in die politische Diskussion.
* Netzwerk Mieten und Wohnen
* Deutscher Bundestag - Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit
* der Freitag vom 29.06.2016
* Der Tagesspiegel vom 05.05.2017
(2) Geschichte der Gewobag
* Wikipedia - Gewobag
* Gewobag - Historie
(3) Reichsforschungssiedlung Haselhorst
* Wikipedia - Reichsforschungssiedlung Haselhorst
* Gewobag - Museumswohnung in Haselhorst (mit Besichtigungsterminen)
* Michael Bienert - Reichsforschungssiedlung Haselhorst (mit Buchvorstellung und Stadtführungsanmeldung)
* Berliner Mieterverein - Reichsforschungssiedlung Haselhorst
- Gesellschaft, Politik - 07. Mai 2017 - 00:24
Tags: daseinsvorsorge/gemeinnützigkeit/gewobag/mieten/wohnen/wohnungsbau
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