Politik für die Bürger oder rhetorische Kniffe der Linkspartei? Analyse am Beispiel Olivaer Platz
Vorgeschichte: Im Februar hat das Bezirksamt unter Leitung von BzStR Schruoffeneger (Grünpartei) mit der Zerstörung der Grünanlagen auf dem Olivaer Platz endgültig begonnen. In dem Zusammenhang war gegen ihn ein Mißbilligungsantrag in die BVV eingebracht worden, den die Linksfraktion nicht unterstützte und so dem BzStR die Haut rettete. Am 1. März begründete sie ihr Abstimmungsverhalten in einer Pressemitteilung. Meine Einschätzung dieser Pressemitteilung führte zu Erwiderungen von Linksfraktion und BI Olivaer Platz (siehe Kommentare ebenda). Der folgende Artikel analysiert -- nachdem der Olivaer Platz in seiner bisherigen Gestaltung nunmehr Vergangenheit ist – im Hinblick auf zukünftige Aktivitäten der Linksfraktion, mit welchen rhetorischen Kniffen sie hantiert (Grundlage der Analyse ist ihre Erwiderung im erster Kommentar).
Die Linkspartei redet ihre Beihilfe zur Zerstörung des Olivaer Platzes schön
1. Mit Schweigen übergehen Die zentrale Aussage (zudem in Fettdruck) meiner Einschätzung war: Unterstützung für SPD und Grünpartei bei der Zerstörung des Platzes im Widerspruch zur im Wahlkampf angekündigten Unterstützung der Bürger bei ihrer Einmischung in Entscheidungsprozesse. Auf diese Aussage ging man nicht ein. Diese Methode ist so einfach, daß auch der hinterste Hinterbänkler und Parlamentsneuling sie auf Anhieb beherrscht (ebenso: Nichtbeantwortung von Schreiben, Anfragen usw.). So kann die Linksfraktion Hunderte von Einwendungen gegen zwei Bebauungsplanentwürfe, 2300 Bürger für einen Einwohnerantrag und fast 5000 Bürger für eine Online-Petition ganz lautlos unter den Tisch fallen lassen.
2. Durch Unterschlagung wesentlicher Informationen täuschen Stattdessen beruft man sich a) auf den Runden Tisch und b) das Kinder- und Jugendparlament (KJP). Aber man sagt nicht, daß a) der Runde Tisch eine Erfindung der Umbauparteien in der BVV und dementsprechend einseitig besetzt war (siehe 1. Anmerkung) und sogar geheim tagte. Und daß b) der Wunsch des KJP nach einem Spielplatz sich auf den östlichen Teil des Platzes bezieht – also keine Rechtfertigung für die Zerstörung des gesamten westlichen Teils sein kann.
3. Kritiker in ein schlechtes Licht rücken Durchgängig werden die Bürger, die eine sanfte Sanierung wünschen, „Gegner“ genannt; man selbst nennt sich „Befürworter“. Beide Begriffe haben einen wertenden Beiklang: der für die Bürgermehrheit einen negativen und der für die Linksfraktion einen positiven. Man erzielt diese Wirkung, indem der Umbau als Bezugspunkt genommen wird, nicht jedoch das Anliegen der vielen Tausend Bürger: die sanfte Sanierung. Zusätzlich setzt man sanfte Sanierung in Anführungszeichen – die Linksfraktion hätte auch gleich „sogenannte“ schreiben können, um ihr die Berechtigung abzusprechen.
4. Für die Beseitigung der Fehler von Politik und Verwaltung die Kritiker verantwortlich machen Zu diesem Zweck wird den Kritikern vorgehalten, sie hätten keine Finanzierungsvorschläge dafür gemacht, wie nach „vielen Jahren der Vernachlässigung des Platzes“ dieser wieder in Ordnung gebracht werden könne. Auf diese Weise nimmt man die vorherrschende und verantwortliche SPD und Grünpartei aus der Verantwortung, dreht den Spieß gegen die Bürger um und macht ihnen auch noch einen Vorwurf.
5. Seinen eigenen Standpunkt möglichst lange vor der Öffentlichkeit verschleiern Das machte die Linksfraktion, indem sie behauptet, erst im Dezember 2017 sich entschieden zu haben (als bereits alles gelaufen war), und zwar aufgrund a) des Spielplatzgutachtens und b) eines Baumgutachtens. Dabei ging es in Wirklichkeit nur noch um Details einer bereits vorher getroffenen grundsätzlichen Entscheidung für die Beseitigung der Anlage. – Wenn man im übrigen anschaut, auf welche Weise die Linksfraktion die Gutachten für ihre Rechtfertigung benutzt, ist man wieder beim Mittel der Täuschung durch unvollständige Information (s.o. 2.): Denn weder sind a) die Lärmwerte je tatsächlich gemessen worden, noch liegen b) die erforderlichen Baumgutachten auch nur annähernd vollständig vor, wie die Bürgerinitiative in ihrer Erwiderung (siehe Kommentar 2) bereits dargelegt hat.
6. Alternativlosigkeit behaupten Dazu benutzt man Formulierungen wie „vermeintliche Alternativen“, „unentbehrliche Fördergelder“, „notwendige Neugestaltung“, „Alternativen nicht finanzierbar“. Um die letzte Behauptung aufzugreifen: Man will der Öffentlichkeit offenbar weismachen, der Umbau sei für nicht geringfügige 2 ½ Mio. Eu aus Steuergeldern finanzierbar, die wesentlich preiswertere Sanierung hingegen sei es nicht – und das, obwohl das Land Berlin doch 0,8 Mio. Eu zum Umbau beisteuert. Die offensichtliche Widersinnigkeit löst der gewiefte Politiker mit dem Zauberwort zweckgebundene Fördergelder!
7. Totschlagargument Geld Immer, wenn der Senat die Bezirke knapp hält, heißt es gern, wie hier bei der Linksfraktion: „Die zur Umgestaltung unentbehrlichen Fördergelder wären mit dem Jahreswechsel 2017/2018 verfallen.“ Diese pekuniäre Verlockung ist populär geworden durch den Film „Ein unmoralisches Angebot“ (1993, mit Robert Redford und Demi Moore). Statt also sich dafür zu engagieren, daß die Zweckbindung von Fördergeldern geändert wird im Interesse einer Bürgermehrheit – was man aber politisch wollen muß! –, lassen Politiker z.B. erst eine Gartenanlage über zwei Jahrzehnte verkommen, kriegen und nehmen dann Geld, um sie nun vollends zu zerstören – und weisen den Bürgern auch noch zurecht: „Am wenigsten aber haben wir dafür Verständnis, wie die Diskussion um vermeintliche Alternativen wie eine ‚sanfte Sanierung‘ geführt werden“. Hut ab vor so viel Kaltblütigkeit!
Fazit
In der Linkspartei gab es im Herbst 2016 über die Frage, ob man die Zählgemeinschaft tolerieren solle, eine heftige Auseinandersetzung. Bei den Wahlen waren SPD und Grünpartei so abgestraft worden, daß sie in der BVV keine Mehrheit mehr hatten. Sollte die Linkspartei, die davon mit sogar vier Bezirksverordneten profitiert hatte, nun Gehilfe der Wahlverlierer werden? Die Mehrheit der Linkspartei entschied sich dafür. Als Folge ist die Linksfraktion voll in der Mitte des Bezirksparlaments bei den anderen Parteien angekommen. Glückwunsch! Statt Politik im Auftrag der Bürger und zusammen mit diesen durchzusetzen, hat sie das Spiel auf der Klaviatur der Politikerrhetorik meisterlich gelernt.
MichaelR
MichaelR - Gastautoren, Politik - 21. März 2018 - 22:51
Tags: bürgerbeteiligung/plätze/stadtgeschichte/stadtplanung/straßen
zwei Kommentare
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Danke, Michael, dass Du erneut versuchst, die Causa Olivaer Platz nachvollziehbarer zu gestalten, jedenfalls am Beispiel der BVV-Linken. Verstehen kann´s eh niemand. Mich würde noch freuen, wenn jemand mit Durchblick versuchen würde, mir zu erklären, was es denn mit der Ausschlussfrist für die Fördergelder zu Ende des Jahres 2017 auf sich hatte: Gab es diese wirklich? Durch welche Tricksereien konnte man sie dann aber womöglich plötzlich doch verlängern? Reichte es womöglich, um diesen so wichtigen Termin Jahresende nicht zu verpassen, wenn bereits einige Zweiglein schon im Dezember abgeschnitten wurden, bevor das große Abholzen dann erst 2018 begann – als also die Fördergelder, wie zuvor behauptet, längst verfallen waren? Was exakt war das auslösende Ereignis für die Fristverlängerung – oder war sie gar nicht nötig?