Mit Optimismus in die Zukunft
Bröhan-Museum zeigt Visionen von 1900Zum diesjährigen Sommerfest des Bröhan-Museums wurde die Ausstellung „Reaching Out for the Future. Zukunftsfantasien um 1900“ eröffnet.
Faszinierend an der Ausstellung ist der Optimismus, mit dem unserer Groß- und Urgroßeltern in das 20. Jahrhundert schritten. August Bebel stieß mit den Worten „Das Vergangene Jahrhundert war das der Verheißung, das kommende wird das der Erfüllung sein“ mit seinen Genossen im Parteivorstand der SPD auf die Zukunft an.
Kaum hatten die Bilder das Laufen gelernt, waren im Kino Expeditionen zum Mond zu sehen. Maschinen versprachen ein von Mühsal befreites Leben. Dank Kunstdünger aus den chemischen Laboren gab es überdimensionale Früchte, die die Menschen satt machten. Der größte Fortschritt wurde offensichtlich vom Verkehr erwartet. Die Ausstellung zeigt Ballone, Schwebebahnen, Luftschiffe und Flugapparate neuer Art, die sich im Himmel über den Städten tummeln, aber auch Visionen von venezianischen Gondeln, Zügen, die durch die Luft reisen, und Autos, die senkrecht die Häuserfassaden hinauffahren. Der Mensch als Diener für andere Menschen scheint ausgedient zu haben. Restaurants werden vollautomatisch betrieben, selbst ein komplett personalloses Hotel, wie es erst in diesen Tagen mit den französischen Hotel-Typ „F1“ fast Wirklichkeit werden sollte, existierte schon in der Vorstellung eines Künstlers. Eine im Keller untergebrachte zentrale Dampfmaschine betreibt die gesamte Hausmechanik, darunter einen über sieben Etagen gehenden Paternoster, der die Gäste bis zur Dachterrasse bringt, wo sie den erwähnten Flugbetrieb beobachten können. Die Maschine treibt Schuhputzmaschinen an, in der Küche eine Seilbahn, aus deren Gondeln die Zutaten für die Speisen in die Kochtöpfe fallen, Handtuchhalter, die den Rücken trocknen, wippende Schaukelstühle schließlich ein Transportband, das die Schuhe in eine zentrale Putzanlage befördert.
Foto: Wecker
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Zumeist werden die Visionen mit einem Augenzwinkern in humorvoller Form
präsentiert, als lustige Postkarte oder auch als Werbeträger. Es gibt
darunter aber auch schon seltsam anmutende Visionen. So ist „Berlin als
Stadt am Meer“, zu sehen, so daß man mit Booten durch die Berliner
Straßen gondeln kann und auch den Eiffelturm in Paris gibt es von Wellen
umspült zu sehen.
Das ist aber auch schon die einzige Schreckensvision am Beginn jenes Jahrhunderts, das den Menschen die zwei verheerendsten Kriege ihrer bisherigen Geschichte mit zig Millionen Toten bringen sollte, und in dessen Mitte mittels modernster industrieller Technik Menschen millionenfach vernichtet werden sollten. Vor einer solchen Realität hatte selbst die kühnste künstlerische Phantasie versagt. Der Betrachter, der diesen Ausgang des einst hoffnungsvoll begrüßten Jahrhunderts kennt, verläßt mit der Sorge die Ausstellung, was der heutige technische Fortschritt der Menschheit bringen werde, wenn die gigantisch gewachsenen technischen Mittel weiterhin in der Verfügbarkeit unkontrollierbarer primitiver Despoten bleiben.
und Filmplakate herangezogen, die lebhaftes Interesse finden.
Foto: Wecker
gehörten ebenfalls zu den Visionen.
Foto: Wecker
Da den Künstlern bislang dazu immer die Phantasie fehlt, können die Besucher ihren Vorstellungen selbst Ausdruck geben. Zu diesem Zweck ist ein mobiles Zukunftslabor unterwegs, wo Jutebeutel im Siebdruckverfahren bedruckt und Visionen, Wünsche und Ideen für eine zukünftige Welt zu Papier gebracht werden können, die Eingang in die Ausstellung finden werden. Die Stationen des Zukunftslabors können auf Facebook und Instagram (#reachingoutforthefuture) gefunden werden. Auch die Schulen sind eingeladen, sich über die Zukunft Gedanken zu machen. Die Schüler erhalten kleine Zukunftspakete, die zum Nachdenken und Mitgestalten anregen. Auch ihre Ideen werden Teil der Ausstellung. Kostenloses Material und weitere Informationen per E-Mail unter: n.mueller@broehan-museum.de und unter Tel: 326 906 25. Weitere Informationen gibt es im Internet unter: www.broehan-museum.de.
Die Ausstellung wird bis zum 27. Oktober gezeigt. Das Museum ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 8 Euro. Jeden 1. Mittwoch des Monats ist der Eintritt frei.
Frank Wecker
FW - Gastautoren, Kunst und Kultur - 24. Juli 2019 - 00:04
Tags: ausstellung/museum/zukunft
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