Wenn einer 24 Reisen tut, dann ...
... erzählt er lieber nichts davon in der Öffentlichkeit*
Als Bezirksbürgermeister hat man es nicht leicht: im Bezirksamt die Abteilungen Personal, Finanzen und Wirtschaftsförderung leiten, den Bezirk bei allen möglichen Empfängen und sonstigen Gelegenheiten repräsentieren, Kiezspaziergänge durchführen, Fahnen hissen, die eigene Seite bei Facebook füllen und vieles, vieles mehr – und dann auch noch ewig diese dienstlichen Reisen!
Schon 24mal mußte er in den 30 Monaten seit seiner Wiederwahl bisher fort in die Fremde. Besonders lastete die „Pflege der 21 Städtepartnerschaften und der einen freundschaftlichen Beziehung“ auf ihm und nötigte ihn, sich nach Mannheim, Marburg-Biedenkopf (Kirchvers), Kulmbach, Forchheim, Bad Iburg, Mering, Or Yehuda und Karmiel (Israel), Trento (Italien), Linz (Österreich), Kiew-Petschersk (Ukraine), Gladsaxe (Dänemark), Peking-Dongcheng (China) und Split (Kroatien) zu begeben.
Nicht genug damit, mußte er doch auch noch als Vertreter der Berliner Bezirke zu den Sitzungen von Kultur- sowie Sportausschuß des Deutschen Städtetages nach Oberstdorf, Gotha, Bayreuth, Kiel, Saarbrücken und Braunschweig reisen.
Und das auch noch: „In Bilbao (Spanien) hat es einen fachlichen Besuch gegeben (Stadionbesichtigung).“
Er spricht vor den Bürgern nicht gern darüber, auch sein Büro nicht. Da half bisher ein Blick in seinen Facebook-Account, aber der ist jetzt für die Öffentlichkeit gesperrt. Bleiben also nur noch Einwohnerfragen.
Diese Einwohnerfragen lauteten seit März 2019:
(a) Wohin (b) aus welchem Anlaß (c) von wann bis wann und (d) unter Begleitung welcher Mitglieder von Bezirksamt und/oder BVV (incl. Fraktionszugehörigkeit) fanden seit November 2016 Dienstreisen des Bezirksbürgermeisters statt?
Leider liegen auch nach dem dritten Anlauf nur sehr pauschale Antworten zu Wohin? und Aus welchem Anlaß? vor – die bestenfalls auf maximal 20 Reisen (statt 24) hinauslaufen (und auch nur, wenn man Mering hinzuzählt, zu dem es aber weder eine Städtepartnerschaft noch eine „freundschaftliche Beziehung“ gibt). Zu Wie lange? und Mit wem? gibt es überhaupt noch keine Antwort.
Was hindert ihn bloß daran, offen und ehrlich über seine Dienstreisen und seine nette Begleitung zu sprechen? Ist es für ihn derart traumatisierend, daß er so oft aus seinem geliebten Rathaus weg muß? Daß ihm recht wenig Zeit bleibt, mit seiner ganzen Kraft die Abteilungen Personal, Finanzen und Wirtschaftsförderung zu leiten und überhaupt sich den Bürgern des Bezirks zu widmen? Hat er deshalb aus Verzweiflung das ihm persönlich unterstellte Rechtsamt befragt (Mai) und von dort einen Freibrief für die verantwortungsvolle Nichtbeantwortung von Einwohnerfragen erhalten?
„Die Vorschrift [§ 43 Satz 2 BezVG] normiert eine Äußerungsverpflichtung. Art, Umfang und Tiefenschärfe der Beantwortung einer Anfrage liegen in der Verantwortung des Bezirksamtes.“
Wohl dem, der solch ein Rechtsamt hat (und noch völlig kostenlos), das ihm als Mutmacher dient, um seelenruhig und ohne den Hauch eines moralischen Zweifels den Frager auf frühere Antworten zu verweisen – in denen er seine Begleiter allerdings auch schon verschwiegen hat.
Natürlich hat das nichts mit transparentem Verwaltungshandeln zu tun. Eigentlich sollte der höchstbezahlte Beamte des Bezirksamtes darin ein Vorbild sein, zumal vor der Wahl von ihm zu hören ist, wie wichtig Transparenz sei, damit die Bürger sich ein Bild machen können. So aber entsteht nach der Wahl das Bild von einem langjährigen Lokalpolitiker, der Volljurist mit dem Schwerpunkt Verwaltungsrecht ist – und der dennoch wiederholt und beharrlich das gesetzliche Fragerecht der Bürger durch unzureichende Antworten wahlweise Nichtantworten konterkariert.
Der Fortgang der Angelegenheit wird hier nachzulesen sein.
Alle Aussagen des Textes sind den Antworten des Bezirksamtes/des Bezirksbürgermeisters auf bisher drei Einwohnerfragen entnommen: März 2019/7. Frage – Mai 2019/10. Frage – Juni 2019/11. Frage.
MichaelR
* nach: Matthias Claudius, Urians Reise um die Welt, veröff. 1786, vertont von C.F. Zelter (1793) und L.v. Beethoven (1805 – op. 52,1), satirisches Gedicht zur Reiselust: „Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen.“
Siehe auch: Nachtrag vom 6.12.2019
MichaelR - Gastautoren, Satire - 14. August 2019 - 00:04
Tags: bezirksamt/dienstreise/dienstreisen/einwohnerfragen/transparenz
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