„Der Freischütz“ überschrieben
Uraufführung der „Wolfsschlucht“ von Malte GiesenDer Raum ist assoziativ. Sein Name ist Wolfsschlucht, wie die Schlüsselszene in Carl Maria von Webers Nationaloper „Der Freischütz“. Ebenso heißt der Musiktheaterabend in der Tischlerei der Deutschen Oper. Der Berliner Komponist Malte Giesen hat, wie es die Deutsche Oper formuliert, die Oper Webers „überschrieben“.
Er überschrieb, indem er die musikalische Vorlage, wie es in der Architektur heißt, „entkernt“ und damit die schlichte Schönheit des Materials hörbar gemacht hat. Das ist ihm an mehreren Stellen beeindruckend gelungen, insbesondere jedoch, wenn der Kinderchor den berühmten Jägerchor anstimmt.
Foto: Wecker
Andrew Dickinson als Max.
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Von der ursprünglichen romantischen Gespenstergeschichte ist die Dreiecksbeziehung zwischen Agathe (Susanna Fairairn), Max (Andrew Dickinson) und Kaspar (Florian Spiess) geblieben. Die wurde jedoch so vielschichtig verpackt, daß vom Freischütz kaum mehr als die eingängigen Lieder und Arien übrigblieben. Die sieben Freischüsse werden zu sieben szenischen Handlungsorten, an denen Ungeheuerliches geschieht. In einer bürgerlichen Wohnstube schießt Agathe im Beisein von Florian auf Max, der gerade den „Kurier“ liest, Max wird unter Hunderten von Barbiepuppen begraben, die vom Himmel fallen. Das Rehwild ist weidwund verletzt und erhält von Agathe den Gnadenstoß, die Brautjungfern pumpen Milch ab, mitten im Raum steht ein Fernsehgerät, auf dem ständig ein Verkehrsunfall wiederholt wird, an Wänden erscheinen Textprojektionen und schließlich wird der Bühnenraum mit Bildern ausgekleidet, wie sie die Medien von der Startaufstellung des Formel1 Rennens über irgendwem zujubelnde Menschenmassen bis zu Messebildern von neuer beglückender Technik täglich zu Dutzenden liefern.
die Rollen zwischen Opfer und Schützen können sich umkehren.
Szene mit Susanna Fairairn, Florian Spiess und Andrew Dickinson.
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Dazu kommen Texte, die heutige gesellschaftliche Probleme ansprechen. „Mit drei Sängern, Kinderchor, zwei Hörnern, Klavier und Elektronik werden die Aggregatzustände von Wut, Trauer, Angst und Hoffnung erfahrbar gemacht“, teilt die Deutsche Oper zu dieser szenischen Komposition mit.
Es ist auf alle Fälle interessantes Musiktheater, für das man beim Eintrittspreis von 10 Euro keinen Fehler machen kann. Eile ist jedoch geboten, denn die Inszenierung steht nur am 14.9. (Uraufführung) 16., 18., 20., 21., 22. und am 24. September auf dem Spielplan.
Frank Wecker
FW - Gastautoren, Kunst und Kultur - 14. September 2019 - 00:04
Tags: gesang/oper/schauspieler/theater
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