Jedes Jahr aufs Neue..
nichts Neues.. an der Armutsfront, so stand es 2006 hier im Kiezer Weblog. So sind auch ganz aktuell mal wieder alle Berichte durch: der Unicef-Bericht zur Kinderarmut und zuvor schon der Armutsbericht der Bundesregierung. Diese sprechen für sich und ich möchte darauf hier nicht näher eingehen, denn sie gingen ausreichend durch Presse und Medien.
Es gibt aber noch einen Bericht, der eher so im Stillen veröffentlicht wurde und sich ganz direkt auch mit unserem Kiez beschäftigte. Wir hatten bereits in den Kiezer News darüber berichtet, trotzdem möchte ich auch hier noch einmal darauf hinweisen. Es handelt sich um die im Mai 2008 vom Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf veröffentlichten "Ergebnisse der Einschulungsuntersuchungen 2006".
Die Abteilung Soziales, Gesundheit, Umwelt und Verkehr des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf veröffentlicht die Auswertung der Ergebnisse der Einschulungsuntersuchungen 2006. Danach befinden sich die Kinder in Charlottenburg-Wilmersdorf zumeist in einem guten Gesundheitszustand. Der vorliegende Bericht beschäftigt sich insbesondere mit präventionsrelevanten Themen und schildert ausführlich die soziale Lage der Einzuschulenden. Zahlreiche Grafiken stellen den kleinräumigen regionalen Bezug her.
Martina Schmiedhofer:
"Von Übergewicht und Fettleibigkeit sind ca. 10 Prozent der Kinder betroffen, die Zahngesundheit war nur bei 9 Prozent der Untersuchten zu beanstanden. Rund ein Viertel der künftigen Erstklässler allerdings werden in der Schule einer besonderen Unterstützung bedürfen, da Defizite in der Entwicklung der Sprache, der Motorik, der visuellen Wahrnehmung oder auch in der emotionalen und sozialen Entwicklung bestehen.
Generell finden sich gesundheitliche Beeinträchtigungen häufiger bei Kindern aus sozial schwachen Familien sowie bei Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund.“
Die Publikation findet sich im Internet unter www.charlottenburg-wilmersdorf.de (Plan- und Leitstelle Gesundheit / Berichte und Publikationen) und kann unter der Telefonnummer 9029-15765 bei der Plan- und Leitstelle im Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf angefordert werden.
Quelle: Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, Pressemitteilungvom 14.05.2008
Da steht also: "Danach befinden sich die Kinder in
Charlottenburg-Wilmersdorf zumeist in einem guten Gesundheitszustand."
Kinder im Alter von ca. 6 Jahren sind also in unserem Bezirk, in Berlin, in einem der reichsten Länder der Welt zumeist in einem guten Gesundheitszustand. Fein - wollte man uns etwa erinnern, daß wir nicht in einem Slum oder auf einer Müllhalde irgendwo in Südamerika oder Afrika leben?
Aber lassen wir das Bissige mal sein. Immerhin scheinen von den zwei aufgeführten Merkmalen jeweils etwa 10 % nicht so ganz gesund zu sein. Da diese Merkmale ja nicht unbedingt die gleichen Kinder betreffen müssen, könnten es also theoretisch insgesamt schon mal an die 20% sein - wahrscheinlich eher die Mitte, also ca. 15% gesamt. Und z.B. zu sagen: "die Zahngesundheit war nur bei 9 Prozent der Untersuchten zu beanstanden" - sorry, bei Kindern von etwa 6 Jahre - wer leidet hier eigentlich unter Fehleinschätzungen?
Richtig schlimm wird es aber dann noch damit: "Rund ein Viertel der künftigen
Erstklässler allerdings werden in der Schule einer besonderen
Unterstützung bedürfen, da Defizite in der Entwicklung der Sprache, der
Motorik, der visuellen Wahrnehmung oder auch in der emotionalen und
sozialen Entwicklung bestehen."
Ein Viertel aller Kinder starten also irgendwie bereits chancenlos ihr Schulleben? Und wer bitte soll diese Unterstützung leisten? Kürzt ihr nicht an gleicher Stelle alles weg?
Wie lautet ihr Fazit dazu:
Die in Charlottenburg-Wilmersdorf untersuchten Mädchen und Jungen befinden sich zumeist in einem guten Gesundheitszustand. Defizite zeigen sich aber vermehrt bei Kindern aus Familien mit niedrigerem Sozialstatus und Kindern aus Migrantenfamilien, den regionalen Schwerpunkt bildet häufiger der Norden Charlottenburgs. Dies weist den Weg für künftige Präventionsmaßnahmen und gesundheitsfördernde Aktivitäten.
Quelle: Gesundheitsberichterstattung 2008: Ergebnisse der Einschulungsuntersuchungen 2006 im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf (Stand April 2008) - (als PDF)
Es wurde also der Weg gewiesen... für künftige Präventionsmaßnahmen usw. Prävention bedeutet doch Vorbeugung? Wir fangen jetzt also an uns Gedanken zur Vorbeugung zu machen, oder wie? Wie war denn das noch mit der eigentlich sofort fälligen Unterstüzung von rund einem Viertel der Kinder?
Ich empfinde diese Zahlen jedenfalls als Skandal. Etwa ein Viertel aller Kinder auch aus unserem Kiez starten mit derartigen Defiziten in einen so wichtigen Abschnitt ihrers Lebens.
Ich empfehle dringend die Lektüre dieses Berichtes für eine eigene Beurteilung. Dort wird man u.a. sehen können, in welchen Punkten der Kiez besonders schlecht aussieht - wie bei "Abb. 18 Anteil Kinder mit a) Auffälligkeiten in der Visuomotorik b) Sprachauffälligkeiten (Subtest “Sätze nachsprechen“)". Und selbst die Berliner Morgenpost vom 15.05.2008 drückte es irgendwie direkter aus: "Ein Viertel der Erstklässler braucht Hilfe".
- Gesellschaft, Kiez, Kinder und Jugendliche, Politik - 27. Mai 2008 - 00:14
Tags: armut/armutsbericht/charlottenburg/einschulungsuntersuchung/kiez/klausenerplatz
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