Hund – Katze – Maus
Jedermann weiß, was das bedeutet, wenn man von zweien sagt, daß sie wie Hund und Katze leben. Und genauso versteht jedermann, wenn es von einem heißt, daß er mit jemand anderem Katz und Maus spielt. Und doch war es nicht immer so. Vielmehr gab es einmal eine Zeit - aber das ist schon lange her -, da lebten Hund, Katze und Maus friedlich miteinander zusammen, ja sogar im selben Haus. Und da sie so friedlich miteinander zusammenlebten, entschloß sich der Besitzer eben dieses Hauses, der gleichzeitig auch der Herr der drei Tiere war, ihnen gemeinsam das Haus zu vererben. Also schrieb er ein Testament und gab es dem Hund, der der älteste von den dreien war und den der Mann für am verantwortungsvollsten hielt, um es zu verwahren, damit die drei Freunde es im Falle seines Ablebens dem Nachlaßgericht vorweisen könnten. Jedoch wohnte der Hund in einer Hundehütte gleich vor der Haustür, und in dieser Hütte fand sich nach Ansicht des gewissenhaften Hundes keine geeignete Stelle zur sicheren Aufbewahrung des Testaments. Daher gab der Hund es an die Katze weiter, damit diese, die drinnen im Haus wohnte, es an einer sicheren Stelle deponierte. Die Katze, wie es ihre Art nun einmal war, hatte nicht so genau hingehört und ließ sowieso gern mal fünfe gerade sein, und daher steckte sie das Papier in die erstbeste Ritze hinter der Scheuerleiste, und das war zufällig gleich neben dem Mauseloch. Danach kümmerte sie sich nicht weiter darum, sondern lebte ihr friedliches Leben weiter. Als aber ihr Herr, der Hausbesitzer, starb, da erinnerten sich die drei Tiere an das Testament, und der Hund wollte es dem Gericht als Beweis dafür, daß nunmehr er, die Katze und die Maus die rechtmäßigen Besitzer des schönen Hauses seien, aushändigen. Also ging die Katze zu dem Versteck, um das Papier zu entnehmen. Aber alles, was sie dort fand, waren viele winzige Papierschnipsel. Es war ihr sogleich klar, daß die naseweise Maus es entdeckt und nach Mäuseart daran herumgeknabbert haben mußte. Da ergriff die Katze eine große Wut, und sie stürzte sich mit gräßlichem Gefauche auf die Übeltäterin, die natürlich sofort davonrannte, um ihr kleines Leben zu retten. Zwar gelang es ihr diesmal, aber seitdem ist die Katze die ärgste Feindin der Maus. Und der Hund? Der machte seinerseits die Katze für die Vernichtung des Testaments verantwortlich, da sie keinen besseren Aufbewahrungsort gewählt hatte – zum Beispiel die Keksdose oder ein anderes verschließbares Behältnis. Aber die Katze wollte das natürlich nicht gelten lassen. Und so kommt es, daß nun auch Hund und Katze seitdem eben wie Hund und Katze miteinander leben.
Von MichaelR nach einer von Herrn A. erzählten traditionellen orientalischen Fabel
Michael R. - Gastautoren, Philosophisches - 29. September 2010 - 23:48
Tags: fabel/hund/katze/maus
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