Gedenken an Charlottenburger Gegner des Nationalsozialismus (7)
Den Reigen mehrerer Artikel zu der Gedenktafel für 71 Charlottenburger Gegner des Nationalsozialismus - die in der Zillestraße am 8. April enthüllt werden soll - begann am 2. Februar in der „Berliner Woche“ (Ausgaben Charlottenburg und Wilmersdorf). Aus der Tatsache, daß über ein so „kleines“ Ereignis relativ viel berichtet wird, zeigt, daß es ein großes Interesse für die Geschichte des eigenen Wohnviertels gibt. Es wäre schön, wenn an vielen weiteren Stellen der Stadt die dortige Alltagsgeschichte – was auch immer es war – auf diese Weise lebendig gehalten würde – auch wenn dann „an jedem dritten Haus“ eine Gedenktafel wäre.
Die Wiedergabe des kompletten Artikels erfolgt mit freundlicher Genehmigung der „Berliner Woche“.
Bürger ehren Widerstand
Haus der Jugend soll Gedenktafel erhalten
Charlottenburg. In der Gedenktafelkommission des Bezirks wird der Vorschlag des Wilmersdorfers Michael Roeder verhandelt, am „Haus der Jugend“ in der Zillestraße 54 eine Gedenktafel anzubringen, um den im Kiez gegen den Nationalsozialismus geleistete Widerstand zu würdigen.Die heutige Zillestraße hieß bis 1933 Wallstraße. Dann wurde sie nach dem SA-Führer Maikowski benannt. Über die Hintergründe hat Michael Roeder Folgendes herausgefunden: In der Nacht vom 30. auf den 31. Januar 1933 feierten die Nationalsozialisten mit einem pompösen Fackelzug am Brandenburger Tor die Vereidigung Adolf Hitlers zum Reichskanzler. Der bis heute verbreitete Eindruck, dass der Jubel grenzenlos war, trügt. Noch in dieser Nacht hielt es die SA für nötig, in dem auch „kleiner Wedding“ genannten Proletenviertel zu zeigen, wer ab jetzt das Sagen hat.
So nahm der SA-Sturm 33 auf dem Heimweg vom Propagandaaufzug einen Umweg durch die Wallstraße. Dem stellten sich Anwohner vehement entgegen, dass es zu einer Straßenschlacht kam. Dabei wurden der den Trupp begleitende Polizist Josef Zauritz und der SAFührer Hans Maikowski erschossen. Nach dem Polizisten wurde der Zauritzweg benannt, nach dem SA-Führer die Wallstraße, die 1947 ihren heutigen Namen Zillestraße erhielt. 2008 erdreistete sich die NPD, hier einen „Hans-Maikowski-Ring“ haben zu wollen.
Tödliche Schüsse
Persönlich wurde Maikowski für den Mord an dem Arbeiter Walter Kusche am 9. Dezember 1931 haftbar gemacht. Forschungen nach dem Krieg legen den Verdacht nahe, dass die tödlichen Schüsse in der Wallstraße aus den Reihen der SA abgefeuert wurden. Ohne eindeutige Beweise wurden jedoch im „Maikowskiprozess“ 53 Demonstranten zu Zuchthaus und Gefängnis verurteilt. Kurze Zeit später kam es im Kiez erneut zum Widerstand. In der Nacht vom 17. auf den 18. Februar 1933 spürten die Nationalsozialisten ein Treffen der kommunistischen Häuserschutzstaffeln in der Gaststätte Titz in der Nehringstraße 4a auf.
Bei dem Zusammenstoß wurde der SS-Scharführer Kurt von der Ahé erschossen. Wiederum wurden ohne Beweis 16 Angeklagte verurteilt. Von ihnen wurde Richard Hüttig als erster politischer Häftling am 14. Juni 1934 in Plötzensee hingerichtet. An ihn erinnern eine Plakette am Haus Seelingstraße 21 und der Hüttigpfad.
Michael Roeder ist der Auffassung, dass auch alle anderen, die sich am Widerstand beteiligt hatten, eine Würdigung verdient haben. „Da sie gemeinsam gehandelt hatten, sollte ihrer auch gemeinsam gedacht werden. Weil der Mittelpunkt ihrer Aktivitäten die Wallstraße war, bietet sich diese Straße als Ort des Gedenkens an, und zwar an jener Stelle, wo die Nationalsozialisten im August 1933 eine Gedenktafel für ihren Sturmführer Maikowski angebracht hatten.“
Ein literarisches Denkmal setzte diesen Ereignissen Jan Petersen in seinem Roman „Unsere Straße“, womit die heutige Zillestraße gemeint ist. Das Buch kann in der Dietrich-Bonhoeffer-Bibliothek an der Brandenburgischen Straße 2 unter der Signatur „G/Q 452,4 Pete“ ausgeliehen werden.
FW
Quelle: Berliner Woche - Mittwoch, 2. Februar 2011 • 27. Jahrgang • Kalenderwoche 5 - Ausgabe Charlottenburg Seite 6
Michael R. - Gastautoren, Geschichte - 14. Februar 2011 - 00:02
Tags: charlottenburg/gedenktafel/gedenktafelkommission
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