Asbestbelastung und Modernisierungsvorhaben im Kiez
Eine Woche zuvor waren die Grünen mit ihrer Bundestagsabgeordneten und Direktkandidatin Lisa Paus in die Nehring-Grundschule gekommen.
Über "Gutes Wohnen im Kiez", fair, klimagerecht und gesund, sollte es gehen und weiter lautete die Ankündigung: >> Die Berliner Mieten steigen, betroffen ist auch Charlottenburg-Wilmersdorf. Die Zahl der Eigentums- und Ferienwohnungen steigt, alteingesessene Mieterinnen und Mieter werden verdrängt. Noch immer herrscht Unklarheit, wieviel gesundheitsschädlicher Asbest in Berliner Wohnungen verbaut wurde. <<
Gekommen waren schließlich etwa 10 Anwohner aus dem Kiez, davon allein 4 Mitglieder des Mieterbeirats. Wohl ein Zeichen dafür, wie sehr die Menschen die Nase gestrichen voll haben von all dem üblichen Geschwafel kurz vor anstehenden Wahlen. Von Asbest war dann auch gar nicht erst die Rede.
Am letzten Dienstag zur Mieterversammlung, zu der Mieterbeirat und Berliner Mieterverein eingeladen hatten, sah es in der voll besetzten Mensa der Nehring-Grundschule jedenfalls anders aus. Dazu waren Bezirkspolitiker übrigens nicht gekommen, was dann wohl auch ein Zeichen dafür ist, daß sie sich gar nicht wirklich für die Menschen vor Ort interessieren - geschweige denn bereit sind, Einsatz zu zeigen um die Anwohner bei ihren realen Problemen tatkräftig zu unterstützen.
Erschienen waren von der GEWOBAG Frau Blanck (Instandhaltungsmanagement) und Frau Wollenberg (Geschäftsstelle Charlottenburg). Der Vorstand der GEWOBAG war der Einladung nicht gefolgt.
Weiterhin waren gekommen: Herr Nottrodt von der Firma Fletwerk, die den Hauswart- und Reparaturservice für die GEWOBAG ausführt, Herr Koch vom TÜV Rheinland und Herr Rudolph von der Firma NovaBiotec, die von der GEWOBAG beauftragt wurden und die Untersuchungen auf Asbestbelastung, u.a. Labortests (Materialproben, Staubproben, Raumluftmessungen), durchführen.
Von ihnen wurden die Herangehensweisen und Verfahren vorgestellt, mit denen die GEWOBAG nun endlich auf das Problem reagieren will. Eine Reaktion, zu der sie leider erst durch engagierte Mieterinnen und Mieter, neue Gerichtsurteile und eine breite Öffentlichkeit gezwungen werden mußten, denn die Asbestbelastung ist schon viel länger bekannt. Die GEWOBAG teilte mit, daß sie nun an einem Asbestkataster für ihren Bestand arbeitet und mit der Erfassung begonnen hat. Unabhängig davon: beachten Sie bitte die Hinweise im Anhang.
Schon nach wenigen Minuten wurde allerdings deutlich, daß es auch damit noch nicht richtig klappt. Mieterinnen und Mieter hielten die "schönen" Darstellungen nicht länger aus und berichteten von ihren eigenen Erfahrungen. So beschrieb zum Beispiel ein Mieter seinen konkreten Fall, wo die schadhaften Stellen der Bodenfliesen in der Wohnung als Sofortmaßnahme notdürftig abgeklebt wurden und seit Wochen nichts mehr passiert. Ähnlich waren viele weitere Meldungen: auch nach wiederholten Schreiben und Anrufen geschieht nichts - zumindest nicht zeitnah. Die GEWOBAG gab zu, daß noch nicht alles reibungslos laufen würde. Unhaltbar ein weiterer Punkt: die GEWOBAG will doch tatsächlich weiter Wohnungen mit asbesthaltigen Bodenplatten neu vermieten (wenn sie keine Beschädigungen feststellt), ohne daß die Gelegenheit nach Auszug eines Mieters genutzt wird, um die Wohnung entsprechend zu sanieren. Dann soll im neuen Mietvertrag des folgenden Mieters auf die möglichen Gefahren hingewiesen werden - da verbleibt nur noch Sprachlosigkeit.
Das Thema Asbest bewegte die Mieterinnen und Mieter sehr und so nahm die Diskussion dazu die gesamte Zeit der Veranstaltung ein. Zum Schluß wies der Mieterbeirat bezüglich der Modernisierungsvorhaben nur noch kurz auf die Punkte hin, die man dazu vorsorglich beachten sollte.
- Bei Verdacht auf Asbestbelastung, aber auch wenn Sie nur deswegen Klarheit wünschen, rufen Sie bitte die Firma fletwerk an. Ihre Räume werden dann untersucht und begutachtet. Bitte führen sie keine Arbeiten selbst durch - schon gar nicht, wenn diese zu einer Beschädigung (von z.B. Bodenplatten) führen könnten!
Tel. 0800 4708-300 (kostenfrei)
- Bei bereits vorhandenen Schäden, zum Beispiel bei gebrochenen Bodenplatten, rufen Sie bitte ebenfalls sofort die Firma fletwerk an. Es wird dann ggf. eine Notsicherung durchgeführt. Die weiteren Schritte hängen u.a. auch vom Gesamtzustand ab. Das geht bis dahin, daß Ihnen für die Zeit der Sanierung eine Umsetzwohnung zur Verfügung gestellt wird und ihre Wohnungsgegenstände eingelagert werden. Selbstverständlich alles auf Kosten der GEWOBAG. Alle Arbeiten müssen fachgerecht erfolgen und dürfen nur von Firmen ausgeführt werden, die dafür zertifiziert sind (Sachkundenachweis Asbest TRGS 519). Das betrifft u.a. selbst den Abtransport der belasteten Materialien, eine eventuell nötige Reinigung mit speziell zugelassenen Industriestaubsaugern usw.
Tel. 0800 4708-300 (kostenfrei)
- Wenn dabei es etwas nicht klappt, keine zeitnahe Reaktion erfolgen sollte, oder auch die Folgearbeiten auf sich warten lassen, aber auch nur für weitere Hinweise, dann melden sie sich bitte beim
Mieterbeirat Klausenerplatz
Mieterclub
Neue Christstraße 8
Sprechstunde jeden Donnerstag von 17:00 bis 19:00 Uhr
- Auch das Gesundheitsamt hat sich bereit erklärt, Bürgerinnen und Bürger mit einer Beratung zu unterstützen.
Ansprechpartner im Gesundheitsamt Charlottenburg-Wilmersdorf erreichen Sie unter
Tel. 9029-16047
Das Sanierungsvorhaben der GEWOBAG wird auch weitere Mieter in den nächsten Jahren treffen. Erste Anzeichen dafür sind entsprechende schriftliche Ankündigungen, wenn Architekten Zugang (zwecks Besichtigung und Vermessung) zu Ihren Wohnungen begehren und Wohnungen nach Auszug von Altmietern nicht umgehend neu vermietet werden und damit der Leerstand in Ihrem Haus ansteigt.
- Informieren Sie sich möglichst rechtzeitig!
- Denken Sie an einen Mietrechtsschutz, z.B. bei einem Mieterverein. Berücksichtigen Sie dabei Wartefristen und den Eintritt des Schadenfalles (Beispiel Modernisierung: Die Ankündigung der Modernisierungsmaßnahmen ist in der Regel Ursprung des Rechtsstreits). Informieren Sie sich über die jeweiligen Bedingungen bei den Mietervereinen.
- Sprechen Sie mit Ihren Nachbarn darüber!
- Schließen Sie sich als Hausgemeinschaft zusammen!
- Nehmen Sie Kontakt mit dem Mieterbeirat Klausenerplatz auf.
- Kiez, Menschen im Kiez - 02. Juni 2013 - 22:34
Tags: asbest/gentrifizierung/gewobag/mieten/modernisierung/sanierung/sanierungsvorhaben/wohnen
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Der Vorsitzende des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr, Andreas Otto (Bündnis 90/Die Grünen), teilt mit:
auf der morgigen Plenarsitzung wird das Thema “Asbestgefahr in Wohngebäuden” seitens Bündnis 90/Die Grünen als Priorität behandelt. Die Debatte beginnt gegen 16:30 Uhr.
Bis zu 50 000 landeseigene Wohnungen in Berlin weisen asbesthaltige Bodenplatten auf. Diese Platten, wie auch andere Bauteile, können gefährlich werden – besonders im Falle einer Beschädigung und der Freisetzung von Asbestfasern. Über Bestände privater Eigentümer kann der Senat überhaupt keine Angaben machen. Auch nicht über jene 10.000 Wohnungen, die im Jahre 2000 der später privatisierten GSW gehörten. Der Senat hat es in den letzten zehn Jahren versäumt, eine Strategie zur flächendeckenden Sanierung zu entwickeln und die Bewohnerinnen und Bewohner aufzuklären.
Einige Gerichtsurteile haben in jüngster Zeit Mieterinnen und Mietern Recht gegeben, die gesundheitliche Schäden durch Asbest in Wohnungen befürchten.
Wir fordern vom Senat eine Bestandsaufnahme des Berliner Asbestproblems, eine umfassende Bürgerinformation und einen Sanierungsfahrplan, der eine Perspektive für asbestfreie Wohnungen in Berlin aufzeigt.
Mit frdl. Gruß
Andreas Otto, MdA