Mission: Bundestagsmandat – CDU, SPD
Als mich die Redaktion des renommierten Kiezer Weblog dazu einlud, die heiße Phase des Wahlkampfs durch eine Wahlempfehlung noch weiter aufzuheizen[*], lehnte ich im ersten Überschwang der Gefühle entsetzt ab. Nach reiflicher Überlegung habe ich mich jetzt entschlossen, keine Empfehlung zu schreiben, sondern stattdessen meinen persönlichen Eindruck von den zwei aussichtsreichsten Direktkandidaten zu vermitteln – in streng alphabetischer Reihenfolge der Parteien.
Mir liegt dabei nicht daran, mich über ihre Parteiprogramme auszulassen oder über Herrn Gröhlers zwei Plakatwellen (Morgenpost, 7.9.2013, S. 14) beziehungsweise wer denn das mysteriöse Wir ist, das auf Frau Radziwills Plakaten ganz klein links unten entscheidet. Ich beschränke mich auf die Art und Weise, wie die zwei Kandidaten auf Fragen reagierten, die ihnen in den Wochen und Monaten vor der Bundestagswahl – also in einer Zeit, in der Politiker eher schon mal mit den Bürgern reden – öffentlich gestellt wurden. Es geht also um ihre Diskursfähigkeit mit politisch Andersdenkenden, auch gern Streitkulturkompetenz genannt. Auch wenn dies ein persönlicher Eindruck zu sein scheint, so sind die zugrundeliegenden Fakten doch jederzeit im Netz nachprüfbar.
CDU/Herr Gröhler, MdBA Wenn er könnte, hätte er wohl nie schriftlich auf Bürgerfragen zu Stadtbüchereien und Schoelerschlößchen geantwortet. Der Volljurist bestritt nämlich gegen allen juristischen Sachverstand seine Pflicht dazu (siehe „Bundestagskandidat Gröhler und die Beseitigung der Einwohnerfragen“) und behauptete außerdem, daß „der Bürger keinen Anspruch auf detaillierte Antworten“ habe. Er hatte kein Problem, unter Verstoß gegen die Geschäftsordnung meist erst einmal Wochen verstreichen zu lassen, bis er eine Antwort gab. Traf sie dann ein, war sie oftmals unvollständig und kurz angebunden (Beispiel: 9. Einwohnerfrage). Seine prinzipielle Einstellung gegenüber den Bürgern, deren Vertreter er doch werden will, zeigte er zum einen dadurch, daß er – im Gegensatz zu allen anderen – seinen Antworten nie an den Frager richtete; zum anderen lehnte er entschieden einen Dialog mit den Büchereibenutzern über die Gestaltung des Bibliothekswesens ab (siehe 17. Einwohnerfrage).
Die Erfahrungen mit ihm lassen nur das Urteil zu, daß der Kandidat schwer diskursgestört ist.
SPD/Frau Radziwill, MdA Nachdem ihr Parteifreund, Bezirksbürgermeister Naumann, einen offenen Brief zu seinen Bestrebungen, die Bürgerfragen einzuschränken, nicht beantwortet hatte (siehe dort, Kommentar Nr. 9), wurde sie zweimal gebeten (ebenda, Kommentare Nr. 10 und 12), als Kandidatin ihre Meinung zu diesem demokratischen Recht darzulegen, zumal sie im „Kontaktformular“ auf ihrer Website versprach: “Wir werden Sie so schnell wie möglich bezüglich Ihres Anliegens kontaktieren”. Es kam nie eine Antwort irgendwelcher Art von ihr, nicht einmal von etwaigen Assistenten.
Die Kandidatin erwies sich als diskursunwillig oder -unfähig.
Dies
ist, wie gesagt, aus gegebenem Anlaß eine Betrachtung von zwei
Direktkandidaten unter einem einzigen Gesichtspunkt, dem ihrer Diskursfähigkeit mit politisch Andersdenkenden bzw. ihrer Streitkulturkompetenz, mehr nicht. Aber natürlich
läßt dies Vermutungen für das zukünftige Verhalten zu, wenn eine(r) von
ihnen den angestrebten Posten eines auf vier Jahre gewählten Volksvertreters erlangt und dort sicher ein offenes Ohr für die eigene Klientel hat.
MichaelR
[*] Anm. der Red.: Über unsere Lippen oder Tasten ist nie eine derartige Einladung gekommen – reine Fantasie des Autors! Ob dieses Mißverständnis wohl auf einer visuellen Reizüberflutung durch die vielen verwirrenden und inhaltslosen Wahlplakate beruht?
MichaelR - Gastautoren, Politik - 17. September 2013 - 00:04
Tags: bundestagsmandat/bundestagswahlen/cdu/spd/wahlen/wahlplakate
vier Kommentare
Nr. 4, Andrea, 24.09.2013 - 07:59 Die Wahl 2013 ist Geschichte, mit einem so kuriosen wie beängstigenden Ergebnis. Fast die Hälfte der Wählenden huldigt devot der Kaiserin, pardon: Kanzlerin; die SPD muss endlich ihr Verhältnis zu den Geschwistern der Linken entkrampfen, will sie nicht völlig in der Bedeutungslosigkeit verschwinden; die Linke wird nach Lage der Dinge in einer so genannten Großen Koalition den Oppositionsführer stellen; die Piraten haben es nicht vermocht, die NSA/Obama-Affaire zu ihren Gunsten zu besetzen; die Grünen sind zurecht gestutzt worden auf die Beweglichkeit einer Öko-FDP; die echte FDP ist derweil auf dem Weg in die Außerparlamentarische Opposition. Ach ja, auch in Charlottenburg lag ein Wahlkreis für den Bundestag. Aber Direktkandidaten werden ohnehin überschätzt, der hier gewählte CDU-Abgeordnete wird schon in aller Beflissenheit die Interessen der Kanzlerin vertreten. Abschließend lohnt ein Blick ins europäische Ausland; nicht nur in Griechenland, Spanien und Portugal, auch in Frankreich, Großbritannien und selbst Brüssel nimmt das Unbehagen über die absolutistische Haltung Merkels im Zeichen ihrer unumschränkten Macht weiter zu. Siehe hierzu etwa http://www.theguardian.com |
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Was das mysteriöse “Wir” bei Frau Radziwill bedeutet, kann ich schon mal beantworten.
Wir wissen seit Jahren, daß sich ihre Aktivitäten lediglich in Selbstversorgung, Zuarbeit für genehme Begünstigte, Phrasendrescherei, und Desinteresse an Mieterinnen und Mietern (in dieser Reihenfolge) erschöpfen.
Dieses “entscheidende Wir” besteht also so aus ca. 10 Personen.
Es wäre ohne weiteres möglich gewesen, diese Personen so etwa in Passbildgröße auf dem Plakat mit abzubilden.
Das wäre ehrlich gewesen und jeder hätte gewußt, was sie selbst mit diesem “Wir” genau meint.
Übrigens beantwortet sie auch keine anderen Anfragen, also nicht persönlich nehmen:
http://palisaden-panther.blogspot.de/201..
PS
Die Berliner Woche zum “Wahlkampf im Bezirk”:
http://www.berliner-woche.de/nachrichten..