Straßen und Plätze: Die fünf Charlottenburger Plätze des Kurfürstendamms (1)
Von den sieben Plätzen des Kurfürstendamms liegen fünf auf Charlottenburger Gebiet (die restlichen zwei – Rathenau- und Henriettenplatz – in Wilmersdorf). In der folgenden 2 ½ km langen Wanderung von West nach Ost wird ein Blick auf sie geworfen.
Die Wanderung beginnt an dem vor 1893 nach einem brandenburgischen Ort benannten Lehniner Platz. Er wurde ursprünglich durch Kurfürstendamm, Roscher- und Damaschkestraße begrenzt, jedoch ist letztere Straße an dieser Stelle aufgehoben und ihre Fläche dem Platz zugeschlagen worden. Seit Mai 2007 gibt es einen Bauernmarkt (sonnabends 9 bis 15 Uhr) auf einem Stück der ehemaligen Straße; ein weiteres Stück ist als Bouleplatz hergerichtet. Im Juni 2012 wurde der neugestaltete Platz eingeweiht unter Beteiligung von Senatsbaudirektorin, Bezirksbürgermeister und Baustadtrat (SPD), der bei dieser Gelegenheit feststellte: „Der Platz hat durch die zweite Baumreihe mit integrierten Bänken und der Boulebahn entscheidend an Aufenthaltsqualität gewonnen." (Berliner Morgenpost, 12.6.2012)
Es bleibt unklar, woher der Stadtrat diese Einschätzung nimmt, handelt es sich doch beim Lehniner Platz um eine fast leere dreieckige Steinfläche mit einem Flickwerk unterschiedlicher Bodenbeläge, wofür die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt anläßlich von „125 Jahre Kurfürstendamm“ 820.000 Euro aus dem Plätzeprogramm spendierte. Davon bezahlt wurden auch zehn Fahrradbügel auf der Häuserseite der aufgehobenen Straße, ganze 8 Bänke (die oben erwähnten „integrierten“) auf ihrer ehemaligen Platzseite, eine Vielzahl von Pollern rund um das für den Markt bestimmte Areal (damit die Stände nicht unversehens ausbrechen?) und ein „großformatiges Stadtmöbel“ (so die Platzgestaltungsjury): eine überdimensionale Sitzbank in Form eines 14 m langen, 3 m breiten und 0,6 m hohen schwarzen Kastens mit breitem Rand, bewässert durch eine seichte Vertiefung längs der Mitte, durch die Wasser rinnt („Podestbrunnenanlage“), wenn sie nicht, wie im Herbst 2013, trockenliegt (Pflege der Anlage: Wall AG).
Wenn man noch den Straßenlärm dazu nimmt, bleibt als Gesamteindruck: ein lauter, leerer, unwirtlicher Ort aus Stein, nicht einladend, dafür aber „nachhaltig“ pflegeleicht, denn das war für den vorherigen Baustadtrat (CDU), jetzt MdB, der wesentliche planerische Gesichtspunkt: Man wolle einen Platz haben, der auch nach fünf oder zehn Jahren noch ordentlich aussehe, denn für die Grünpflege (1) reiche der Etat des Bezirks schon seit Jahren nicht aus (Berliner Zeitung,5.7.2010).
Es folgt als nächstes eine um 1970 entstandene, zunächst namenlose Freifläche, die – im Verlauf einer ortsüblichen Posse (2) – 1973 nach einem ehemaligen Bundeskanzler den Namen Adenauerplatz erhielt. Dieser Platz ist ein direktes Abfallprodukt der anvisierten „autogerechten Stadt“: Bis zum Umbau der Kreuzung war nämlich die Wilmersdorfer Straße die Fortsetzung der aus Wilmersdorf kommenden Brandenburgischen Straße gewesen. Jetzt schlug man eine nach links führende Bresche hin zur Kaiser-Friedrich-Straße, wodurch einerseits ein Wohnviertel im Interesse des Autoverkehrs (Lewishamstaße) ruiniert und andererseits ein Teil der Wilmersdorfer Straße im Interesse des Handels zur autofreien Einkaufszone umgewandelt wurde. Die dabei angefallene Restfläche zwischen der neuen Straße und der bisherigen östlichen Randbebauung der Wilmersdorfer Straße im Kreuzungsbereich mit dem Kurfürstendamm wurde Jahre später zum Adenauerplatz erklärt. Ist aus dieser Restfläche tatsächlich ein Platz geworden?
Der Platz ist zweigeteilt, längs der Häuserfront Cafés, längs der Lewishamstraße ein breiter gepflasterter Fußweg mit einer lebensgroßen Adenauerstatue (gestiftet von der Wall AG, eingeweiht von der CDU), ein Gedenkstein für Mete Ekşi, ein Brunnen mit der Skulptur „Säule in der Brandung“, drei Bänke und 1 ½ Dutzend Platanen. Dies ist ein Ort der Gastronomie und des Durchgangsverkehrs, vom Verkehrslärm der Lewishamstraße und des Kurfürstendamms umbraust (das passende Begleitgeräusch zur Brunnenskulptur!), eine „mißratene Kreuzung“ (Tagesspiegel/Anmerkung 2) und kein Ort, an dem man sich wirklich aufhalten möchte.
George-Grosz-Platz
Knapp 700 m weiter östlich liegt der George-Grosz-Platz. Auch er wurde im Rahmen von „125 Jahre Kurfürstendamm“ aufgehübscht, um den 3,3 km langen Boulevard auf „Weltniveau“ zu bringen: „Der Maßstab können nur international bekannte Einkaufsstraßen sein: Champs Élysées (Paris; 1,9 km), La Rambla (Barcelona; 1 km), Via del Corso (Rom; 1,5 km)“ (Berliner Zeitung, 30.6.2010) - schon heute werden die drei Weltmarktführer deutlich um Längen geschlagen.
1996 war die damals noch durch eine schmale Querstraße begrenzte Verkehrsinsel nach dem Maler und Satiriker George Grosz benannt worden. Im Juli 2008 forderte dann die FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus in ihrem Antrag „City-West aufwerten - Mehr Aufenthaltsqualität am George-Grosz-Platz“ (Drucksache 16/1606) das hiesige Bezirksamt auf, diese Querstraße zu beseitigen („mit Ausnahme des Anliegerverkehrs“), denn dann „könnte der Platz durch die anliegenden Restaurants und Cafés besser genutzt werden“ (ein typischer FDP-Antrag also). 2010 fand die gewünschte Beseitigung und Neugestaltung statt (Kosten: 150.000 €, größtenteils von Vattenfall bezahlt, weil die Firma dort eine Trafostation aufstellen wollte, deren geplante künstlerische Umhüllung dann aber doch unterblieb); zum Abschluß gab es im Dezember 2012 noch ein Straßenschild (ein „Schmuckschild“, spendiert von Frau Hetzer/Opel Hetzer). Wie sieht der Platz jetzt also aus?
Der kleine Platz ist schwer möbliert mit zwei Cafés (mehr Außentische) und 37 „richtigen Pollern mit Kugelspitze“ (für 250 € das Stück) an der Zufahrtstraße zu einem Haus; außerdem mit einer Informationssäule nebst einem Bodenmosaik zu Ehren von George Grosz, einer Trafostation, 7 Bänken sowie einem „City Kiosk“, einer begehbaren „e-info“-Litfaßsäule und einer „City Toilette“ - alle drei von der Wall AG und vertragsgemäß (3) mit Reklametafeln bedeckt. In der Weihnachtszeit ist die kleine Restfläche noch mit einem leuchtenden Flugzeug (Bezug?) ausgefüllt.
Schon anläßlich der Platzeinweihung im Juli 2010 wies die Grüne Partei darauf hin, daß „es vielen Anwohnerinnen unverständlich [ist], warum trotz anliegender, engagierter Gastronomie und dem Sponsor Vattenfall eine kleine Grünfläche aus finanziellen Gründen nicht ermöglicht werden konnte“ (4). Die Antwort gab der verantwortliche Ex-Baustadtrat bereits oben beim Lehniner Platz. Dafür freut sich die Gastronomie: „ein Erfolgsmodell: bei gutem Wetter ist der Andrang der Gäste groß“, und darauf kommt es schließlich an. (Fortsetzung hier)
MichaelR - Fotos: maho
(1) Wie wahr! Aber das gilt natürlich auch für die Jugend-, Bibliotheks-, Musikschul-, Schwimmbad-, Elterngeld- und Bafögempfängerpflege.
(2) In der Posse ging es um die Suche nach einem öffentlichen Ort in Westberlin, der mit Adenauers Namen versehen werden konnte. Es fing damit an, daß gleich nach seinem Tod 1967 handstreichartig der Kaiserdamm samt U-Bahnstation in „Adenauerdamm“ umtauft wurde; der Protest von über 1000.000 Westberlinern führte 1968 zur Rückbenennung. Fünf Jahre später verankerte man dann Adenauers Namen sichtbar im Stadtbild, indem man diese namenlose Fläche nach ihm benannte, wobei im Kalkül gewiß keine unbedeutende Rolle der Umstand spielte, daß der Platzname auf den gerade darunter entstehenden U-Bahnhof abfärben und er so auf jedem Liniennetzplan erscheinen würde.
(3) Es gibt einen Vertrag zwischen Wall AG und Land Berlin, wonach alle zuvor öffentlichen Toiletten privat von ihr betrieben werden. Zum Ausgleich der Kosten ist der Firma erlaubt, Reklameflächen aufzustellen und diese zu vermieten; ihre Anzahl muß mit dem jeweiligen Bezirk vereinbart werden. „Walls Marschroute: Je mehr WCs, um so mehr Werbung“ (Berliner Zeitung, 1.12.1998).
(4) Weiter hieß es dort: „Dass die allseits umgreifende Versiegelung nicht gerade dazu beiträgt, die immer wärmer werdende Stadt abzukühlen, hält die Verantwortlichen auf Bezirksseite anscheinend nicht davon ab, immer mehr Fläche dicht zu machen. ‚Das ist für uns völlig unverständlich und wir werden uns weiter dafür einsetzen, auch kleinen Plätzen bei der Umgestaltung mehr Grün zu spendieren.‘ betont Nicole Ludwig, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in der BVV . ‚Mit dem … Geld, das jetzt vor allem die Kudammplätze verschönern soll, muss mehr auf die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger sowie der Umwelt eingegangen werden.‘" – Klare Worte eines führenden Mitglieds der Grünen Partei (obwohl die Grüne Partei damals schon zu den Verantwortlichen im Bezirksamt gehörte). Wenn das nur auch für die Kleingartenkolonie Oeynhausen gelten würde, wo man bisher eher dabei hilft, eine noch viel größere Fläche durch Luxuswohnungen zu „versiegeln“ und dadurch bestehendes „Grün“ zu beseitigen, wodurch man die „Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger sowie der Umwelt“ mißachtet. (N. Ludwig sitzt seit Oktober 2011 als Spezialistin für Wirtschaft und Tourismus im Abgeordnetenhaus.)
MichaelR - Gastautoren, Politik - 07. November 2013 - 00:24
Tags: charlottenburg/plätze/stadtgeschichte/straßen/wilmersdorf
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auch die Bezirks Piraten haben in ihrem neuesten antrag zur november bvv die situation im vorbereich des adenauerplatzes zum thema gemacht.Nach dem motto vorne hui, hinten pfui erscheint der wiedergenesene stuttgarter platz sich zur gentrifizierungsmeile der zukunft zu entwickeln und der adenauerplatz mit der trassenführung durch die lewishamstr. im hinterhof des südlichen stuttgarter umfeldes zu verbleiben.
http://www.berlin.de/ba-charlottenburg-w..