Straßen und Plätze: die Berliner Kneipe
Berlin hat 20.100 Schank- und Gaststätten,
6.300 Ärzte und 8.400 Damenschneider
und 117.000 Familien, die gerne eine Wohnung hätten.
Aber sie haben keine. Leider.
Ob sich das Lesen solcher Zahlen auch lohnt?
Oder ob sie nicht aufschlußreich sind und nur scheinen?
Berlin wird von 4½.000.000 Menschen bewohnt
und nur, laut Statistik, von 32.600 Schweinen.
Wie meinen?
aus "Berlin in Zahlen" von Erich Kästner, 1930
»Immer hab' ich mit den kleinen Leuten gelebt, mit denen ich
aufgewachsen, die für mich die Großen waren: – Volk – die Armen. Die den
Besitz und die Wohlhabenheit weniger müssen erhalten, vermehren und
sich selbst mit Brosamen sollen abfinden. Ich versuchte mit Bild und
Wort die Vergessenen zu bannen... so nach und nach kam ich in die
Zeitungen, illustrierten Zeitschriften, in die Witzblätter und wurde so
der ›Arme-Leute-Maler‹ – leider Witzblätter – es tut weh, wenn man den
Ernst als Witz verkaufen muß.
aus Heinrich Zille: Das Zillebuch
Zille fixierte sich in seinen Zeichnungen auf das Alltagsleben der Berliner. Die Kneipe war ihm besonders lieb. "Tagesarbeit, ernster Wille, nachts nen Schluck in der Destille, und een bisken kille, kille, det hält munter - Heinrich Zille."
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Ein schönes Buch betrachtet die Geschichte mit vielen Fotos von typischen Altberliner Kneipen.
An jeder Ecke eine Kneipe - die bekannte Eckkneipe. Da die Straßenecken aber nicht ausreichten, lagen sie auch "mittendrin" an den Straßen auf dem Weg von der einen zur anderen Ecke. Es durfte auf jeden Fall nicht allzu weit sein, auf dem Weg zum eigentlichen "Wohnzimmer" gleich nebenan. Das war so, nicht nur im alten Berlin. Dort traf man sich eben: zum Reden, zum Austausch, zum Kartenspiel, zum Feiern, zum Trauern. Manchmal auch zum Trinken "nach Rezept": "Wenn Dir die Knie'e zittern - Dann trink en Bittern". Das Treffen in der Destille war wichtig für das ausgleichende Lebensgefühl der "kleinen Leute", der Arbeiter, seit einer Zeit des 19. Jahrhunderts mit der beginnenden "Industriellen Revolution", nach einem langen, harten Arbeitstag und mit beengten Wohnverhältnissen in den Mietskasernen im größer werdenden Berlin.
Die "guten Stuben" hatten so schöne Namen wie beispielsweise Pichelstube, Zum Büro, Klapsmühle, U-Bahn Quelle, Zum Umsteiger, Bechereck, Zum Alten Sünder, Zum Leibarzt, Zur Erholung, Zum schwarzen Kater und Zum Weissen Elefanten. Davon gibt es immer weniger.
Einen Nachruf auf unsere ehemalige Kiez-Kneipe "Spitzbart" in der Nehringstraße hatte ein früherer Anwohner geschrieben.
Vier Kneipen aus dem Kiez sind noch in dem Fotoband "Letzte Runde?" enthalten: Dicker Wirt, Köpi bei Reiner, Feuer Atze und Hasenstall.
Davon besteht heute nur noch der Dicke Wirt.
Ein gemütliches Stübchen in den Zeiten - "Köpi bei Reiner" in der Neuferstraße:
Mit dem Bild vom Fotoband "Letzte Runde?" vor dem ehemaligen "Hasenstall" in der Neuen Christstraße.
Allerdings gibt es immer noch so einige mehr der echten, typischen Berliner Kneipen als Orte nachbarschaftlichen, gemütlichen Treffens auch im Charlottenburger Kiez am Klausenerplatz.
Hier eine Auswahl:
Schon seit über 46 Jahren ist die Ur-Berliner Kneipe "Zur Haltestelle" am Spandauer Damm im Familienbetrieb.
Die "Kleine Kneipe" am Klausenerplatz.
"Zum goldenen Faß" am Spandauer Damm.
Bücher:
"Letzte Runde? - Ein Spaziergang zu traditionellen Berliner Eckkneipen", Wasmuth Verlag, Clemens Füsers, Gudrun Olthoff, ISBN 978-3-8030-3329-1
Am Dienstag stellt er im „Diener Tattersall“ sein neues Buch „Berliner Jahrhundertkneipen. Lokale mit Geschichte und Geschichten“ (Lehmstedt Verlag, 19,90 Euro) vor. Es ist der Nachfolger seines Eckkneipen-Buches „Letzte Runde?“, in dem er sich vor zwei Jahren bereits um eine Bestandsaufnahme und Kulturgeschichte Berliner Bierschwemmen kümmerte (Wasmuth Verlag, 15 Euro). Die stimmungsvollen Fotos stammen in beiden Büchern von Gudrun Olthoff.
Quelle: Der Tagesspiegel vom 12.11.2011
"Berliner Jahrhundertkneipen - Lokale mit Geschichte und Geschichten", Lehmstedt-Verlag, ISBN 978-3-942473-16-3
"Budiken, Kneipen und Destillen", Erich Kranz
/ Hannover - Fackelträger-Verlag, 1975. 183 S.
"Molle und Medaille - Eine Alt-Berliner Kneipe zwischen Zille und Olympia", Matthias Gerschwitz / BoD Norderstedt 2008 ISBN 978-3-8370-4108-8
Presse:
* Neues Deutschland vom 31.03.2012
* Der Tagesspiegel vom 14.09.2009
* Der Tagesspiegel vom 21.03.2009
* Berliner Morgenpost vom 17.04.2009
* Berliner Morgenpost vom 28.09.2008
* Berliner Zeitung vom 10.11.2013
* Prenzlauer Berg Nachrichten vom 23.06.2014
- Geschichte, Kunst und Kultur, Menschen im Kiez - 16. Juni 2014 - 00:02
Tags: kneipe/lokal/plätze/stadtgeschichte/straßen
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