Was bedeutet die jetzt beschlossene Schaffung von Öffentlichkeit der Gedenktafelkommission für die Zukunft?
Am 18. Juni beschloß die BVV Charlottenburg-Wilmersdorf fast einstimmig die grundsätzliche Öffentlichkeit der Sitzungen der Gedenktafelkommission, ohne den Antrag wie üblich auf die lange Bank eines Ausschusses zu überweisen. Im einzelnen heißt es im Beschluß (DS 1311/4):
Die Sitzungen der Gedenktafelkommission des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf sind grundsätzlich öffentlich. Einwohnerinnen und Einwohner, die eine Anregung gegeben haben, werden eingeladen und erhalten zur Begründung ihrer Initiative und bei den weiteren Erörterungen das Wort.
Sitzungstermine, Tagesordnungen und Protokolle werden auf den entsprechenden Seiten (Sitzungskalender, Ausschüsse) der Website des Bezirks veröffentlicht. (1)
Wieso jetzt plötzlich?
Wie konnte es so umstandslos zu diesem Beschluß kommen, mit dem endlich auch dieser Bezirk es seinen Bürgern ermöglicht, an der Entstehung von Gedenktafeln teilzuhaben? (2) Hatte man nicht acht Jahre lang – bis zum 7.11.2013, als auf einer eigenen Seite erstmals die Kommissionsmitglieder genannt wurden – nur gerüchteweise von diesem Geheimgremium gehört? Hatte nicht der Ausschuß für Weiterbildung und Kultur mit überwältigender Mehrheit empfohlen und die BVV am 20.2.2014 beschlossen, einen fast gleichlautenden Antrag wie den jetzigen (DS 0779/4) wesentlich zu beschneiden und auf die Veröffentlichung von Termin und Tagesordnung zu beschränken (man vergleiche in der rechten Spalte unter „Anlagen“ den Antrag und den Beschluß)? Und war nicht ein weiterer Anlauf im Juli 2014 wegen befürchteter Erfolglosigkeit erst gar nicht bis in die BVV getragen worden? Warum hat es also jetzt – 19 Monate und 532 Drucksachen später – doch geklappt und sogar so umstandslos?
Wir wissen es nicht.
Leider hat kein Bezirksverordneter am 18.6. am Rednerpult erklärt, warum jetzt ging, was vor 1 ½ Jahren nicht ging. Aber vielleicht hatte man ja daran gedacht, daß der Auslöser für diesen Antrag – nämlich die Umstände, unter denen eine Gedenktafel für einen ermordeten kriegsunwilligen Jugendlichen entstanden war – von vielen Menschen außerhalb der BVV gar nicht goutiert worden war. Oder es lag daran, daß man bemerkt hatte, wie ungut es bei den Bürgern ankommt, daß für die Verwirklichung von solchen Selbstverständlichkeiten so viel Zeit und Kraft aufzuwenden ist. Es kann aber auch sein, daß alle in der BVV vertretenen Parteien sich nunmehr daran erinnert haben, daß sie doch für Bürgerbeteiligung (und auch für Transparenz!) sind (man kann dies auf der Website jeder Partei nachlesen oder hier beim Thema des Monats Mai 2013) – und Öffentlichkeit ist ja nun einmal die primitivste Form der Bürgerbeteiligung.
Aber was auch immer die Umkehr verursacht haben mag – erfreulicherweise hat sie stattgefunden, und nun stellt sich die Frage:
Was könnte dieser BVV-Beschluß für die Zukunft der Bürgerbeteiligung heißen?
Vorausgeschickt sei, daß weitere Punkte fast beliebig hinzugefügt werden können, wo es noch viel Raum für Bürgerbeteiligung und damit für weitere Beschlüsse dieser Art gibt!
- Die eine Gegenstimme in der BVV hatte insofern recht, als sich die Frage stellt: Wenn Öffentlichkeit in der GTK möglich ist, wann wird es sie auch in den anderen Gremien, Beiräten, Kommissionen geben?
- Die 3. Einwohnerfrage vom Juni 2014 beschäftigte sich damit, wie BVV und BA mit Einwohnerfragen der Bürger umgehen: Zu wenig Zeit und keine Möglichkeit zum Dialog; oft unvollständige, falsche oder gar keine Antworten, ohne daß die Sitzungsleitung eingreift; mündliche Antworten werden nicht ebenso wie schriftliche allen Einwohnern im Netz zugänglich gemacht: Wann wird das von der BVV im Sinne der Bürger korrigiert? Wann werden die Fraktionen endlich auf Einwohnerfragen antworten?
- Wann werden die Antworten auf jegliche Anfragen der Verordneten endlich für alle Bürger nachlesbar im Netz stehen?
- In Ausschüssen dürfen Bürger nur reden, wenn alle Verordneten fertig sind und keiner dagegen ist: Wann werden Bürger dort ein generelles Rederecht erhalten?
- In den Ausschüssen sitzen neben den Verordneten sog. Bürgerdeputierte, die doch eigentlich nur Verlängerungen der jeweiligen Fraktion sind: Wann werden stattdessen stimmberechtigte Vertreter von Bürgerorganisationen dort einziehen?
- Einwohnerversammlungen werden fortwährend mißbraucht, um die Bürger im nachhinein über bereits gefallene Beschlüsse mehr oder weniger zu unterrichten und um vielleicht noch ein „Meinungsbild“ abzufragen: Wann werden die Bürger vom ersten Moment an gleichberechtigt an Entwicklungen und Entscheidungen beteiligt werden?
- Konkretes Beispiel: Das BA hat jahrelang an den Anwohnern vorbei für insg. 85.000 Euro am Schoelerschlößchen herumgeplant und bekam dafür dreimal die Quittung: Ablehnung durch die Lottostiftung: Wann wird Frau König endlich ihre Zusage vom 4. Mai einhalten und der Bürgerinitiative Kopien aller Architektenpläne im Originalmaßstab zukommen lassen, und wann wird sie eine Hausbesichtigung (wie bei Herrn Renner) ermöglichen – damit die BI gesicherte Unterlagen für die Entwicklung eines eigenen Konzepts hat?
- Falls bei einzelnen Punkten entgegengehalten wird, das sei nun mal so im Bezirksverwaltungsgesetz geregelt: Welche Initiativen haben Fraktionen der BVV oder die BVV als ganzes ergriffen, um dort notwendige Änderungen vorzunehmen?
- Wenn man als Bürger ein Anliegen hat und sich an ein BVV-Mitglied wendet, kriegt man oft zu hören: „Das muß ich erst in der Fraktion besprechen.“ oder „Dafür gibt‘s keine Mehrheit in der BVV.“ oder gar „Wenn meine Fraktion mehrheitlich dagegen ist, bin ich es auch, selbst wenn ich dafür bin.“ Oder man erhält überhaupt keine Antwort: Steht also die Fraktion über den Bürgern? Oder anders gefragt: Muß erst ein Fraktionsmitglied, das sich den Bürgern gegenüber verpflichtet fühlt, ausgeschlossen werden, um selbstverständliche und längst fällige Anträge für mehr Bürgerbeteiligung stellen zu können?
MichaelR
(1) Auf meine Anfrage bei Frau Stückler, ob der zweite Absatz bedeute, daß „jetzt Schluß ist mit den ‚technischen Zwängen‘, die bisher dazu führten, daß Termin und TO der GTK gleich nach der Sitzung kurzerhand von der Website verschwinden und nichts - wie bei BVV und Ausschüssen - später nachgelesen werden kann“, antwortete sie am 22.6.15 per Email:
„Die BVV wird den von Ihnen zitierten selbstbindenden Beschluss beachten und entsprechend verfahren.“
Soll die wie üblich kryptische Antwort der Vorsteherin an einen ihrer Untertanen bedeuten, daß sie diesmal (nicht?) wieder, wie im Februar 2014, einen BVV-Beschluß ‚technisch‘ unterlaufen wird? – Die Bitte um Erläuterung wurde von ihrem Bürovorsteher – mit ebenso kryptischen Worten – abgelehnt.
(2) Die nächste Sitzung der Gedenktafelkommission ist in einem ¼ Jahr am 24. September.
MichaelR - Gastautoren, Politik - 25. Juni 2015 - 00:02
Tags: bezirksamt/bvv/bürgerbeteiligung/gedenken/gedenktafel/mitbestimmung
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Aus den „Nachdenkseiten“:
“Verbarrikadierte Demokratie”
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