Verdichtete Kleingärten
17.8.2013-17.8.2015 - zweiter Jahrestag eines Versprechens
Als Teil des Grünflächensystems erfüllen
Kleingärten im Städtebau wichtige Aus-
gleichs- und Erholungsfunktionen. Daher
ist die Förderung des Kleingartenwesens
eine wichtige städtebauliche, gesundheits-
und sozialpolitische Aufgabe des Landes
Berlin.
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
und Umwelt
„Oeynhausen“ ist zum Inbegriff geworden für den Gegensatz zwischen dem Erhalt von Grün zugunsten aller Bürger und dem Bau von Wohnungen für das obere Preissegment; zum Inbegriff für den Gegensatz von 84.945fachem Bürgerwillen und ca. 3fachem Bürokratenwiderwillen.
Allerdings ist die Kleingartenkolonie Oeynhausen nur das bekannteste Beispiel für die Vernichtung von Kleingärten; daneben gibt es noch eine Vielzahl von weiteren Kolonien, die ebenfalls vom Senat bedroht sind. Im Stadtentwicklungsplan Wohnen 2025 (StEP Wohnen) hat er auf S. 114f. alle 40 Kleingartenanlagen aufgelistet, die er in den nächsten Jahren landesweit beseitigen will, davon 10 in unserem Bezirk. Nehmen wir aus diesen zehn die Kolonie „Bundesallee“, um an ihrem Beispiel zu zeigen, was Kleingärten für Mensch und Natur bedeuten.
Entstanden 1946; bereits 1970 durch Senatsbeschluß zugunsten der Werner-Bockelmann-Haus GmbH um 61% reduziert; zur Zeit Schutzfrist bis 2020 (1); ab dann ebenfalls Gegenstand der Politik der „(Nach)Verdichtung“, wie sie heutzutage betrieben wird. Was könnten Verdichtungsfreunde in der Kleingartenanlage Bundesallee eigentlich erfahren, falls sie einmal dorthin kommen – wie zum Beispiel vor genau zwei Jahren Bürgermeister Naumann?
Inklusion; Foodsharing Er war am 17.8.2013 dort, um die selbstgebaute Rampe einzuweihen, mit deren Hilfe
gehbehinderte Bewohner des benachbarten Werner-Bockelmann-Hauses mit ihrem
Rollator hinab in die Kolonie gelangen, sich an den Gärten erfreuen und Obst aus Körben an Parzellentoren mitnehmen können. Herr Naumann lobte die Kolonie für ihr soziales Engagement, da sie mit ihrer Arbeit gezeigt habe, daß Kleingartenkolonien nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Funktion hätten. Und am Schluß seiner Rede versprach er, daß er sich für den Erhalt der Kolonie einsetzen werde. (2)
Öffentliche Grünanlagen; Entlastung des Gartenbauamtes und des Steuersäckels Wer die unschönen Folgen der städtischen Sparpolitik in den öffentlichen Grünanlage sieht, wird sich hier über gepflegte Gärten freuen, für die keine Steuergelder vertan werden, die der Senat dringend für etliche Großprojekte benötigt – und sei es auch nur, um deren Stillstand mit täglich mindestens ½ Mio. Eu zu finanzieren. Und das Schöne daran: die Pächter zahlen auch noch dafür! Da muß dem für die Finanzen zuständigen Mitglied des Bezirksamtes doch das Herz höher geschlagen haben, oder?
Naturschutz in der Stadt Es ist schwer zu glauben, aber Spatzen stehen heutzutage auf der Roten Liste gefährdeter Arten; das hängt wesentlich mit ihren schwindenden Nistmöglichkeiten zusammen, verursacht durch das Dämmen von Hausfassaden und damit die Beseitigung von Spalten und Ritzen in den Mauern. Sicher werden Herrn Naumann die vielen Spatzen aufgefallen sein, die hier sozusagen
eine Notaufnahme gefunden haben, nachdem die offizielle Politik ihnen zunehmend ihre angestammten Wohnsitze wegnimmt.
Stadtklima Keinem Besucher an den heißen Sommertagen im August entgeht die Tatsache, daß es in der Kolonie deutlich kühler ist als auf der angrenzenden Straße, wo die Sonneneinstrahlung von Straßenbelag und Hauswänden gespeichert wird. Bewirkt wird dies durch die Verdunstung, die hier stattfindet; einzelne Pächter steigern für sich den Effekt noch durch das begrünte Dach ihrer Laube.
Es sind bei weitem nicht allein einzelne sehr große Grünflächen, die die Hitze in den Straßen abfedern und für die Temperierung der Stadt sorgen; sondern gerade das „kleine Grün“, wozu eben auch die Laubenkolonien gehören, ist bei der Schaffung von Kaltluft von größter Bedeutung. Ob Herr Naumann da an den Satz auf Seite 4 seiner Zählgemeinschaftsvereinbarung von 2013 gedacht hat: „Der Bezirk nimmt den Klimaschutz ernst“?
Jugend und Familie Bekanntlich lernt man am besten durch eigenes Tun. Daher haben Pächter mit ihren Kindern „Kinderbeete“ angelegt, mit deren Hilfe die Kleinen erleben können, daß Erdbeeren, Mais und Mohrrüben eigentlich aus dem Boden hervorkommen, auch wenn man sie hinterher im Supermarkt kauft.
Eine beträchtliche Anzahl der zwei Dutzend Kinder auf den 21 Parzellen verbringen in einer Zeit, in der es für viele Familien mit Kindern immer weniger erschwinglich wird, in Urlaub zu fahren, die Sommerferien hier im eigenen Garten. Gewiß wird diese soziale Funktion der Kleingärten Herrn Naumann aus seiner zehnjährigen Dienstzeit als Stadtrat für Jugend und Familie geläufig gewesen sein und ihn daher mit zu seinem Versprechen bewogen haben, sich für die Kolonie einzusetzen.
Schon ein knapp zweistündiger Aufenthalt reicht aus, um den vielfältigen Nutzen von Kleingärten mitten in der Stadt ganz konkret zu erleben und verstehen! Gut, daß darüber hinaus alle Fraktionen des Abgeordnetenhauses ermittelt haben, daß die vorhandenen Freiflächen des Landes für den Wohnungsbau völlig ausreichen und folglich die Pläne des StEP Wohnen ganz unnötig sind. Der Umwandlung aller Kleingartenkolonien in Dauerkolonien steht also eigentlich nichts mehr im Weg, es sei denn:
MichaelR
(1) Damit deutlich besser dran als andere Kolonien – Beispiel „Durlach“ (auf der anderen Seite der Bundesallee) – die seit 2010 sozusagen vogelfrei sind: Jedes Jahr das spannende Warten auf den 2. Februar, und wenn keine Kündigung gekommen ist, haben sie noch ein weiteres Jahr Existenz vor sich.
(2) aus einem damaligen Bericht für die Presse
MichaelR - Gastautoren, Politik - 13. August 2015 - 00:26
Tags: kleingartenkolonie/kleingärten/klimaschutz/nachverdichtung/wohnen/wohnungsbau
drei Kommentare
Nr. 2, M.R., 20.05.2016 - 09:54 Wie recht offenbar Kommentar 1 hat, wenn man in der Tagesordnung der Bauausschusses vom 20.5.2016 liest, daß er sich nunmehr mit dem Antrag "Kleingartenkolonie Bundesallee sichern" vom 21.3.2013 befassen will – http://www.berlin.de/ba-charlottenburg-w..! Das Leben eines Bezirksverordneten währt fünf Jahre (2011-2016) oder mehr … |
Nr. 3, M.R., 15.06.2016 - 13:09 Konsequente Verarschung (Fortsetzung von Kommentar Nr. 2) Liebe SPD samt Grüner Partei, die CDU nicht zu vergessen, Eurer Verarschung der Kleingärtner von der Bundesallee kann man jedenfalls nicht nachsagen, daß sie nicht System hat – im Gegenteil: sie ist in sich schlüssig bis zum Schluß: Es fing an mit dem Antrag von CDU/Piratenpartei vom 21.2.13 (DS 0496/4 – siehe Kommentar Nr. 2): "Das Bezirksamt wird aufgefordert, bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung darauf hinzuwirken, dass die Kleingartenkolonie Bundesallee als Dauerkolonie gesichert wird." Gleichzeitig war der Stadtentwicklungsplan Wohnen 2025 beim Senat (zuständig: SPD) in Arbeit – folglich habt Ihr den Antrag erst einmal vertagt, und dann gleich noch einmal. Im Juli 2014 wurde der StEP Wohnen ( http://www.stadtentwicklung.berlin.de/pl.. ) veröffentlicht, und auf S. 117 findet man in der "Liste der für Wohnungsbau vorgesehenen Kleingartenanlagen" auch die Bundesallee: Schutzfrist bis 2020, Bebauung mit 70 Wohneinheiten, Realisierungseinschätzung "3", d.h. bis 2025. Daraufhin ließ der Vorsitzende des bezirklichen Stadtentwicklungsausschusses (CDU) den Antrag seiner eigenen Fraktion für über 2 1/2 Jahre in einen Dornröschenschlaf fallen, denn er war ja nun sinnlos geworden – und das mithilfe der CDU, die als Regierungsjuniorpartner mitverantwortlich für den StEP Wohnen und seinen Auslöschungsbeschluß für die Kleingärten Bundesallee ist. Aber der Antrag war nun einmal da, und die Legislaturperiode geht allmählich ihrem Ende zu, und es ist Zeit, reinen Tisch zu machen. Wie schön, daß da die SPD den ursprünglichen Antrag den veränderten Umständen anpaßte, indem sie ihn völlig verwässerte: "Das Bezirksamt wird aufgefordert im Rahmen des zu erstellenden Infrastrukturplans zu prüfen, ob die Kleingartenkolonie Bundesallee gesichert werden kann." So konnte bei der Verarschung jeder treuherzig sein Gesicht bewahren: SPDsamtGrünePartei konnte einen ‘letzten Rettungsversuch’ unternehmen, CDU das empört zurückweisen, alle drei zusammen können das baldige Ende der Kolonie sich gutschreiben. P.S. Ob sich der aufgeforderte BzBgm Naumann (SPD) an sein Versprechen vom 17.8.2013 erinnert, als er vor Ort erklärte, daß "er sich für den Erhalt der Kolonie einsetzen werde"? War wohl sowieso nicht so ernst gemeint, da just im selben Moment die oben erwähnte Liste mit dem Ablaufdatum "bis 2025" von seinen Parteifreunden im Senat ausgeheckt worden war. |
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Hallo,
ich arbeite im BA!
Intern interessiert hier niemanden mehr von oben die Kleingartenkolonie. Man möchte sie schnell loswerden.
Ich habe das Gefühl, ihr solltet das wissen.