Die Folgen sozialdemokratischer Wohnungspolitik am Beispiel der „Engländer-Siedlung“ in Westend
700 Bewohnern droht der Verlust ihrer preiswerten Wohnungen durch den Deutsche Bank-Ableger „Deutsche Wohnen“
Wieso gehört eigentlich die „Engländer-Siedlung“ rund um den Dickensweg der „Deutsche Wohnen AG“? Und wieso mußte sich dort eine Bürgerinitiative für ihren Erhalt bilden? Das soll im folgenden beschrieben werden.
Politiker schaffen die Voraussetzungen ...
Nach dem Anschluß der DDR 1990 stand es schlecht um die Finanzen von Gesamtberlin. Bis dahin war Westberlin aus Bonn bezuschußt worden, Ostberlin aus dem DDR-Staatshaushalt. Diese Zahlungen waren entfallen, die Schulden drückend, es mußten neue Wege gefunden werden, um die Banken zu befriedigen. Für die SPD-CDU-Linkspartei-GrünePartei-Senate, die es seit 1990 gab, war klar: man muß die Einnahmen steigern und die Ausgaben reduzieren. Diesen Grundsatz wandten sie selbstverständlich auch in der Wohnungspolitik an. Naturgemäß konnten sie dabei nicht das Interesse der großen Mehrzahl der Bürger an bezahlbaren Wohnungen berücksichtigen.
Zu den Geldbeschaffungsmaßnahmen zugunsten der Banken gehörte auch der Verkauf von Wohnungen in kommunalem Besitz. (1) 1990 gab es davon in Westberlin 236.000, in Ostberlin 246.000, also insgesamt 482.000, was 28 % aller Wohnungen der Stadt bedeutete. Davon wurden bis 2005 209.000 verkauft, wobei sich der Senat aus Sozialdemokraten und Sozialisten (Linkspartei) besonders hervortat mit 120.000 Wohnungen in bloß drei Jahren zwischen 2002 und 2005. Darunter war im Jahr 2004 für 405 Mio. € die GSW mit 65.000 Wohnungen, die bis dato größte landeseigene Wohnungsbaugesellschaft. Schon 2001 verwies K. Wowereit (SPD) gemeinsam mit seinem damaligen Koalitionspartner Grüne Partei stolz auf die zukunftsweisenden „Strukturentscheidungen“ des Senats (2), wozu auch der Verkauf des noch im Landesbesitz verbliebenen Anteils an der GEHAG für 300 Mio. DM gehörte.
Wo sind die GEHAG und die GSW – dieses Volksvermögen, das in der Presse gern neckisch „Tafelsilber“ genannt wird, obwohl preiswertes Wohnen doch eigentlich kein Luxus sein sollte – geblieben?
Bei der „Deutsche Wohnen AG“ (DW), 1998 von der Deutschen Bank gegründet. Ihr gehört seit 2007 die GEHAG, seit 2013 auch die GSW. Überhaupt waren die meisten Wohnungen im „Wohnimmobilienportfolio“ der DW früher in öffentlicher Hand.
... und private Wohnungsunternehmen nutzen den Ausverkauf
Die Siedlung zwischen Olympiastadion und Heerstraße entstand in den 50er Jahren für britische Offiziere und ihre Familien. In den zweigeschossigen Häusern gibt es 212 3- und 4-Zimmer-Wohnungen, in denen etwa 700 Menschen leben.
Nach Abzug des britischen Militärs wurden die Häuser 1993 vom Bundesvermögensamt an die Eisenbahn-Siedlungs-Gesellschaft übergeben, die 2006 von der GEHAG aufgekauft wurde, die, wie erwähnt, ihrerseits seit 2007 im Besitz der DW ist – samt der Siedlung in Westend.
Die DW besitzt bundesweit 146.000 Wohnungen (3), davon über 100.000 in Berlin, und ist damit der größte Vermieter vor Ort. Während das Unternehmen die 1,2 Mrd. Gewinn aus dem Jahr 2015 als „das beste Jahresergebnis der Unternehmensgeschichte“ feiert, beklagen sich die Mieter (nicht nur) in Westend, daß der DW mehr am Geldverdienen durch Mieterhöhungen liege als am Erhalt der Wohnungen, wozu sie durch die Mietverträge eigentlich verpflichtet ist. Man hat sogar den Eindruck, daß die DW die Siedlung geradezu absichtsvoll vernachlässige, um jetzt behaupten zu können, ein Abriß sei alternativlos (4).
Tatsächlich sind 2014 Pläne der DW bekanntgeworden, die Siedlung abzureißen und durch Neubauten mit 580 Wohnungen zu ersetzen. Dagegen haben sich Mieter vereinigt zur Bürgerinitiative für den Erhalt der Siedlung Westend. Sie möchten weiterhin dort wohnen zu einer für sie tragbaren Miete zwischen unter 6 bis 8 €/m² nettokalt (je nach Einzugtermin). Sie möchten ihre Existenzgrundlage, ihren über Jahre gewachsenen Lebensraum und die damit verbundenen sozialen Bezüge nicht verlieren; Wohnen ist für sie ein Existenzrecht. Sie halten daher nichts von BzStR Schultes (SPD) „Nachverdichtung“spolitik, selbst wenn sie, wie von ihm auf der Mieterversammlung vom 22. April angekündigt, versüßt werden soll mit der Vorgabe an die DW, 25 % „bezahlbare Wohnungen“ bereitzustellen – denn was heißt bei den Politikern schon „bezahlbar“? Und im übrigen sind 25 % von 580 Neubauwohnungen 145, und das heißt 67 weniger als jetzt schon da sind.
Die Vorstellungen der Mieter gehen über ihren Einzelfall hinaus. Insbesondere fordern sie, daß alle öffentlich geförderten Wohnungen wieder in den Besitz der Bürger zurückgeführt werden.
MichaelR
Update: Teil 2 am 18.09.2016 veröffentlicht.
(1) Mehr zur von SPD und Linkspartei zwischen 2001 und 2011 betriebenen Baupolitik siehe hier.
(2) Wer noch einmal nachlesen will, was damals zulasten der Bürger ausgeheckt wurde, kann es hier tun: Berliner Zeitung vom 21.9.2001
(3) Und jetzt hat die landeseigene Berlinovo auch noch 28 Pflegeheime an die DW verkauft.
(4) Nach Angaben der DW wurden von ihr in den zehn Jahren seit 2007 500.000 € investiert, was nach Berechnung der Bürgerinitiative 0,27 €/m² je Monat bedeutet.
MichaelR - Gastautoren, Politik - 27. August 2016 - 22:24
Tags: gentrifizierung/instandhaltung/mieten/moderinsierung/sanierungsvorhaben/wohnen/wohnungsbau
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Zur Einstellung der anderen Parteien in den Jahren zwischen 2002 und 2005, speziell zur Zeit des Verkaufs der GSW im Jahr 2004.
So übelst und schäbig dieser Verrat an den Mietern und ihr Verkauf durch den damaligen Senat aus Sozialdemokraten und Linken an sich schon war, mit der CDU und ganz besonders krass mit den nahezu vollständig verkommenen Grünen und der FDP wäre es in diesen Jahren tatsächlich noch sehr viel schlimmer gekommen.
Quellen:
Nachzulesen in den Parlaments- und Ausschussprotokollen aus diesen Jahren
Einige Presseberichte:
BZ (27. Januar 2004)
“Grüne: Senat soll Wohnungen verkaufen”
http://www.bz-berlin.de/artikel-archiv/g..
Der Tagesspiegel (25.11.2003)
“Grüne wollen jede zweite städtische Wohnung verkaufen”
Zitat:
“.... Auch der Berliner Mieterverein reagierte ablehnend. Die Vorstellungen der Grünen seien „absurd und sozialpolitisch unverantwortlich“, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Reiner Wild. ...”
http://www.tagesspiegel.de/berlin/gruene..
Der Tagesspiegel (26.05.2004)
Zitat:
“... Mit dem Verkauf der GSW sind nicht nur SPD und PDS, sondern auch die Oppositionsfraktionen CDU, Grüne und FDP einverstanden. Die Union forderte aber, eine weitere Wohnungsbaugesellschaft zu veräußern. Die Liberalen wollen alle staatlichen Wohnungsunternehmen privatisieren, den Grünen reicht eine „dauerhafte Mindestversorgung mit 160000 Wohnungen“ aus. .....”
http://www.tagesspiegel.de/berlin/neue-e..