Wohnen im Kiez
Die MieterWerkStadt Charlottenburg lädt herzlich zum nächsten Treffen ein.
Mittwoch, 5. Oktober 2016 um 18:30 Uhr
Neue Christstr. 8 (MieterClub)
14059 Berlin-Charlottenburg
Nachlese zur Veranstaltung:
- Lässt das Bezirksamt in Charlottenburg die Verdrängung der Mieter zu -“
Zu diesem Thema fand am 13. September 2016 in der KiezKulturWerkStadt eine Diskussionsveranstaltung statt.
Moderiert von Volker Fischer (MieterWerkStadt Charlottenburg), fachlich eingeführt und begleitet durch Sigmar Gude (Stadtforschungsinstitut TOPOS) sowie durch Joachim Oellerich (Berliner Mietergemeinschaft e.V., Chefredakteur des „MieterEchos“) wurde folgenden Fragen nachgegangen:
- welche Möglichkeiten der Milieuschutzes bietet und welche Grenzen ihm gesetzt sind,
- weshalb Charlottenburg-Wilmersdorf bislang noch nicht vom Instrument des Milieuschutzes Gebrauch gemacht hat,
- welche Alternativen bzw. welche ergänzenden Instrumente gegen die Mieterverdrängung eingesetzt werden können,
- welche Arten der Kampagne sich zur Durchsetzung der Forderung auf effektiven Verdrängungsschutz anbieten.
Zunächst wurde festgestellt, dass Senat und Bezirke nach der Wiedervereinigung an einer Aufwertung des Wohnungsbestandes interessiert waren. Der Aspekt einer daraus folgenden Gefahr der Verdrängung der angestammten Mieterschaft trat demgegenüber zunächst zurück.
Nachdem die Mietsteigerungen aus Modernisierungen und der Wohnungsverlust durch Wohnungszusammenlegungen die Mieter dann auch tatsächlich und öffentlich sichtbar aus ihren Quartieren vertrieben, machten immer mehr Bezirke vom Instrument des Milieuschutzes nach § 172 BauGB Gebrauch. Damit wurden dort Modernisierungen, Abrisse und Wohnungszusammenlegungen unter den Vorbehalt behördlicher Genehmigung gestellt. Diese ist zu versagen, wenn die beantragte Maßnahme Verdrängung generell begünstigen würde.
Seit März 2015 wird der Milieuschutz von der sog. Umwandlungsverordnung flankiert. Diese stellt die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Milieuschutzgebieten unter behördlichen Genehmigungsvorbehalt. Die Genehmigung kann unter anderem davon abhängig gemacht werden, dass sich der Hauseigentümer verpflichtet, umgewandelte Wohnungen während der Geltungsdauer der Umwandlungsverordnung nur den Mietern zum Verkauf anzubieten.
Der gänzliche Verzicht auf Verdrängungsschutz hat Charlottenburg Wilmersdorf schnell an die Spitze der gefährdeten Bezirke gebracht:
- Seit Jahren liegt Charlottenburg-Wilmersdorf bei der Anzahl der am Markt angebotenen Eigentumswohnungen vorn. Zuletzt wurden im Jahr 2015 nach den Ermittlungen der Investitionsbank Berlin (IBB) 24.831 Eigentumswohnungen zum Verkauf angeboten. Das sind 22% aller im gleichen Jahr in Berlin angebotenen Eigentumswohnungen (gesamt: 109.448).
- Die Angebotspreise liegen dabei mit durchschnittlich 3.941 € pro m² deutlich über dem Berliner Mittelwert (3.513 € pro m²). Nur in Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg liegen die Angebotspreise höher.
Umso erstaunlicher ist, dass das Bezirksamt anders als in anderen Bezirken jahrelang nichts unternommen hat, diesen Trend mit Milieuschutzsatzungen aufzuhalten. Nur durch mehrere Aufforderungen der Bezirksverordnetenversammlung, der im Jahr 2013 der Geduldsfaden riss, sah sich das Bezirksamt genötigt, wenigstens Voruntersuchungen über den Milieuschutzbedarf in Auftrag zu geben.
Das Ergebnis wurde dem Stadtentwicklungsausschuss der BVV im Juni 2015 vorgestellt. Das mit den Untersuchungen beauftragte Institut empfahl, für 6 Planungsräume vertiefende Untersuchungen zu beauftragen, und zwar für:
- Brabanter Platz,
- Kaiserin-Augusta-Allee,
- Karl-August-Platz,
- Richard-Wagner-Straße,
- Spreestadt und
- Tegeler Weg.
Schon der Umgang mit dem Voruntersuchungsauftrag macht deutlich, wie wenig dem Bezirksamt daran liegt, einer Mieterverdrängung entgegen zu wirken:
- Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf umfasst 57 „soziale Planungsräume“. Von diesen 57 Planungsräumen sind lediglich 18 (also weniger als ein Drittel) in den Untersuchungsauftrag einbezogen worden.
- Einbezogene Planungsräume wie Klausenerplatz und Ernst-Reuter-Platz, die die beiden ersten Plätze bei der Einschätzung der Verdrängungsgefahr einnehmen und bei Einrechnung des Indexwertes für den Aufwertungsdruck immer noch den 2. bzw. 4. Gesamtgefährdungsrang ausweisen, werden vom Bezirksamt nicht in die Gebiete aufgenommen, die es einer vertieften Untersuchung für würdig hält.
Nach einer Auskunft des Bezirksamtes auf eine von der MieterWerkStadt Charlottenburg initiierte Bürgeranfrage (BVV-Drucksache 1584/4, Nr. 14, vom
31. Mai 2016)
- soll nun die Ausweisung als Milieuschutzgebiet für die Planungsräume Tegeler Weg, Kaiserin-Augusta-Allee und Richard-Wagner-Platz vorbereitet werden,
- sind mittlerweile die vertiefenden Untersuchungen für die Planungsräume Karl-August-Platz, Brabanter Platz und Hildegardstraße beauftragt.
(siehe auch Pressemitteilung vom 06.09.2016)
Aus der gleichen Antwort des Bezirksamtes ergibt sich allerdings auch, dass weitere Gebiete im Bezirk nicht unter Milieuschutz gestellt werden sollen. Das Bezirksamt begründet das damit, dass
„alle Gebiete im Bezirk im Rahmen des Grobscreening untersucht worden sind“.
Das ist schlicht falsch, da überhaupt nur 18 von den 57 Planungsräumen voruntersucht worden sind und deshalb zum bezirksweiten Milieuschutzbedarf keine gutachterlichen Erkenntnisse vorliegen.
Diese unrichtige Antwort auf die Bürgeranfrage zeigt, dass die Verdrängungsgefahr im Bezirksamt offenbar immer noch nicht in ihrer Brisanz wahrgenommen wird und nur widerwillig und soweit „angefasst“ wird, dass die BVV erst einmal Ruhe gibt.
Dieses Verhalten des Bezirks lenkt die Debatte auf die Frage, wie einer Verdrängungsgefahr nachhaltig begegnet werden kann und welche Möglichkeiten BürgerInnen haben, ihren Forderungen Gehör zu verschaffen:
- Eine grundsätzliche Herangehensweise lässt sich aus der Ursachenbetrachtung entwickeln:
Es gibt Privateigentum an Wohnraum, gehandelt wird es über den Wohnungsmarkt. Auf diesem Markt herrscht in Berlin ein zunehmend eklatanter werdender Nachfrageüberhang. Der Stadt fehlt ein hinreichender eigener Wohnungsbestand, mit dem sie den Markt nachhaltig steuern - d.h. insbesondere sozial korrigieren - könnte.
Der Nachfrageüberhang bzw. die sich darin manifestierende Wohnungsnot ist in erster Linie dadurch zu bekämpfen, dass Wohnungen gebaut und zu Mieten vergeben werden, die für breite Schichten der Bevölkerung tragbar sind. Das verlangt, den Wohnungsbau in kommunale Hand zu übernehmen und so den Marktmechanismen zu entziehen.
Wien liefert hier ein positives Beispiel. dort wurde seit 1920 kommunaler Wohnungsbau betrieben mit der Folge, dass die Stadt die Mieten auch bei hoher Nachfrage stabil und für alle bezahlbar halten kann. - Die Wohnungsnot ist mangels wirksamer Gegensteuerung so groß geworden ist, dass etliche politische Player privates Kapital für den Neubau aktivieren wollen; mit dem Instrument der öffentliche Förderung möchten sie die neuen Bestände dann über einen längeren Zeitraum für breitere Schichten der Bevölkerung bezahlbar halten. Dieses - am sozialen Wohnungsbauausgerichtete - Modell verfolgen neben anderen auch die SPD und der Deutsche Mieterbund.
Das macht für die nächste Zeit ein situativ-pragmatisches Herangehen unerlässlich. Einerseits ist stets daran zu erinnern, dass nur die Schaffung eines dauerhaft in kommunaler Hand befindlichen Wohnungsbestandes von Markabhängigkeiten befreit. Andererseits sind alle bestehenden Möglichkeiten der Linderung der Wohnungsnot zu propagieren und anzumahnen. Dazu gehören
- die Unterstützung von Mietern und Hausgemeinschaften, die sich gegen eine Verdrängungsmodernisierung wehren wollen,
- die Forderung, weitere Milieuschutzsatzungen zu erlassen,
- die Forderung, für die Ausweisung des Milieuschutzes und zu dessen Überwachung ausreichende - personelle und finanzielle Mittel im Bezirk vorzuhalten,
- die Forderung, die Mittel für Neubau und den Ankauf privater Bestände durch städtische Wohnungsbaugesellschaften (Wohnraumförderungsfonds Berlin) signifikant verstärken.
Für Kampagnen bieten sich auch Instrumente der Bürgerbeteiligung an.
Mit Blick
- auf die Ablehnung des Bezirksamts, den Klausenerplatz zum Milieuschutzgebiet zu machen, und
- den Umstand, dass die Deutsche Wohnen eine Verdrängung der Mieter in ihren vorzeitig abgelösten Sozialbauten in der - nicht weit vom Klausenerplatz entfernten - Mollwitzstraße zu betreiben scheint,
erscheint die Forderung nach einer Zusammenlegung dieser beiden Gebiete zu einem übergreifenden Milieuschutzgebiet folgerichtig; insgesamt könnte dieses Gebiet das Areal zwischen Schloßstraße, Kaiserdamm, S-Bahn-Ring und Pulsstraße umfassen. Zeigt das Bezirksamt dann keine Neigung, dieser Forderung zu folgen, kann sie zum Gegenstand eines Bürgerbegehrens gemacht werden. Der Umstand, dass für das Begehren Unterschriften zu sammeln sind und dafür in der Bevölkerung geworben wird, ist geeignet, die Wahrnehmung der BürgerInnen für die Vorzüge eines Milieuschutzes zu schärfen, und erhöht allein dadurch den Druck auf das Bezirksamt.
Die Versammlung hält es für wünschenswert, eine Kampagne zum Milieuschutz für dieses Areal vorzubereiten. Die MieterWerkStadt Charlottenburg will dieses Anliegen zu ihrem nächsten Arbeitsschwerpunkt machen.
19. September 2016, Wolfgang Mahnke (MieterWerkStadt Charlottenburg)
In der MieterWerkStadt Charlottenburg haben sich Mieterinnen und Mieter aus Charlottenburg und auch aus Wilmersdorf zusammengetan weil die Mieten ständig übermäßig steigen, weil es für Menschen mit geringeren oder mittleren Einkommen immer schwieriger wird eine Wohnung zu finden und weil viele bereits akut von Verdrängung bedroht sind.
Die Treffen finden in den Räumen des Mieterclubs statt, die der Mieterbeirat Klausenerplatz freundlicherweise zur Verfügung stellt. Alle Interessierten und weitere Mitstreiter sind immer herzlich willkommen.
Treffen: jeden 1. Mittwoch im Monat um 18:30 Uhr
Mieterclub, Neue Christstr. 8
14059 Berlin-Charlottenburg
Kontakt: mieter-werk-stadt@web.de
Wolfgang Mahnke - Gastautoren, Politik - 22. September 2016 - 00:24
Tags: gentrifizierung/mieten/milieuschutz/modernisierung/sanierungsvorhaben/wohnen
zwei Kommentare
Nr. 2, maho, 26.09.2016 - 23:41 Und hier an der Krummen Straße geht es auch weiter mit Schultes Nachverdichtungswahn: Und er würde ja so gerne und könne aber leider gar nichts dagegen unternehmen…. Eine Bürgerinitiative namens „Karree 33“ wird das mal wieder alles genauer hinterfragen müssen… http://www.berliner-woche.de/charlottenb.. |
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kann die LINKE in der BVV neue akkzente setzen ?
http://www.dielinke-charlottenburg-wilme..
s.a.die persönlicne viten der 4 vertreter
u.a.“Die Förderung bezahlbaren und gemeinnützigen Wohnraums ist dabei ein wesentliches Ziel für eine nachhaltige Bezirkspolitik. Die zunehmende Verdrängung von normalverdienenden und sozial benachteiligten Einwohner*innen aus ihren Kiezen und die Abschiebung von Geflüchteten an den Rand unserer Stadt und Gesellschaft muss jetzt beendet werden!”
ein junges team von 23,28,31 und 37 jahren
das kommunalpolitische programm
http://www.dielinke-charlottenburg-wilme..
und hier wartet bereit der nächste Immobilienhai auf baurecht
Westkreuz Park als spekulationsobjekt
https://www.immo-boerse.com/
60 000 qm gekauft von der Deutschen Bahn
jetzt fehlt nur noch das baurecht…
leider können die pläne des investors aus rechtlichen gründen hier nicht eingestellt werden, können auf anfrage aber bei mir angefordert werden.
die aktuelle situation:
http://www.berliner-woche.de/charlottenb..