Die Beseitigung der Gaslaternen schreitet voran
Am 1. September gab es am späten Nachmittag einen Stromausfall – ein bißchen lästig, aber nach einer ½ Stunde wieder vorbei. Auch im letzten Herbst gab es einen Stromausfall, damals nachts und stundenlang – und wunderschön: Es brannten nämlich nur noch die Gaslaternen und beleuchteten mit ihrem warmen Licht die Straßen. Viele Menschen strömten vor die Tür, um das zu erleben.
Das wird bald das letzte Mal gewesen sein – der ehemalige Senator und besessene Gasbeleuchtungsgegner Müller aus dem Wowereit'schen SPD-CDU-Senat läßt als jetziger Leiter eines SPD-Linkspartei-Grünpartei-Senats ihre Beseitigung fortführen, die er 2012 begonnen hatte. Daher wird es ab einem der nächsten Stromausfälle nachts überall dunkel sein.
Die Ankündigung der zweiten Abrißrunde – nach den Reihenleuchten* sind jetzt vor allem** die 30.000 Aufsatzleuchten dran – wurde dieser Tage an die Haustüren gehängt, kaum mehr als eine Woche vor dem alljährlichen „Tag des offenen Denkmals“, zu dem auch diesmal wieder eine Fahrradtour zu den Berliner Gaslaternen*** angekündigt wird: „Mehr als die Hälfte aller weltweit existierenden Gaslaternen steht auf Berlins Straßen, darunter einige, deren Masten über 150 Jahre alt und noch völlig intakt sind.“ Lange wird dieses Denkmal nicht mehr zu besichtigen sein, von dem landesweit nur 7 ½ % übrigbleiben sollen.
Den Abriß der Gasbeleuchtung betreibt „im Auftrag des Landes Berlin“ eine „Arbeitsgemeinschaft 'Neues Licht für Berlin'“, die aus den Firmen „swarco“ und „RAKW“ besteht. Swarco gehört zu den Unternehmen der Swarovski-Familie (ein anderer Familienzweig handelt erfolgreich mit Kristallklunkern) und ist ein führender Anbieter von LED-Straßenbeleuchtung; RAKW plant nach eigenen Angaben normalerweise „Neubau/Sanierung von Erdgasleitungen“ für die GASAG und ist diesmal mit deren Abriß betraut.
Da nur ein Teil der Laternenpfeiler sich für die Elektrifizierung eignet, weil oft der Hohlraum dafür zu eng ist, werden viele eingeschmolzen werden. Man kann hier auf Seite 7 schon einmal einige Beispiele sehen für bereits und künftig abgerissene Pfeiler.****
Zum Schluß muß man leider feststellen: Trotz aller ökologischen, denkmalschützerischen, physiologischen, ästhetischen, klimatologischen, finanziellen, industriehistorischen und kulturellen Gründe war hierzulande der Widerstand der Bürger zu Beginn des Abrisses im Jahr 2012 zwar vielfältig, ebbte dann aber zunehmend ab und hörte schließlich so gut wie ganz auf.***** Die Folge ist, wie immer: Politiker können über die Köpfe der Bürger hinweg tun, was sie und interessierte Unternehmen wollen.
MichaelR
* landesweit 2012 → (aufgrund von Bonuszahlungen vorfristig) Mitte 2015 (Restbeseitigungen laufen noch): 8.000 → 310 Reihenleuchten (Stand Februar 2017); Ziel: 244 (= 3,1 %); im Bezirk: 1400 → 138 Reihenleuchten (= 9,8 %)
** Abrißpläne für Charlottenburg-Wilmersdorf: 2017: 460 Aufsatzleuchten (Ziel: 5.650 → 661) plus 70 Modelleuchten (von 212); für 2018 und 2019 weitere „Bauvorhaben“ geplant (tel. Mitteilung der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz vom 4.9.2017)
*** Die „Fahrradtour: Berliner Gaslaternen“ findet am Sonnabend (9.9.) statt, jeweils um 20 und 21 Uhr ab Sophie-Charlotte-Platz, Treffpunkt: U-Bhf., Ausgang Schloßstraße.
**** „Der Zündfunke“ bringt in diesem und in seinen früheren Heften eine Vielzahl von Berichten über den Umgang mit Gaslaternen in anderen deutschen und europäischen Städten: Inhaltsverzeichnis ab Jahrgang 2008.
***** Siehe zu Gründen und anfänglichem Widerstand die Radiosendung „Gaslaternen“ (2012 im offenen Kanal Alex Berlin) und weitere Artikel in diesem Blog.
MichaelR - Gastautoren, Politik - 07. September 2017 - 00:02
Tags: gaslaterne/gaslicht/strassenbeleuchtung
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