Olivaer Platz einst, jetzt – und demnächst?
Dank Histomap (1) kann man erkennen, wie am Olivaer Platz und in seiner unmittelbaren Umgebung – wie vielerorts (2) – in den 60er (und 70er) Jahren durch die Umgestaltung Westberlins zur „autogerechten Stadt“ die Kriegszerstörungen noch getoppt wurden. Vergleichen Sie dazu die Karten von 1931, 1959 und 1961 bzw. 1963. Wird es ab November 2017 nun eine erneute Zerstörung der Grünanlage geben, oder steht vielmehr endlich eine zeitgemäße Erneuerung bevor – ab 2009 vorbereitet durch BzStR Schulte (SPD) und am 2.8.2017 eingeleitet durch den symbolischen (3) (und daher ohne Spaten vollzogenen) „ersten Spatenstich“ des BzStR Schruoffeneger (Grünpartei)?
Ein Gang über den Olivaer Platz lohnt sich aus zwei Gründen: Zum einen kann man sehen, wie 1961 eine Grünanlage gestaltet wurde, die durch den Ausbau der Lietzenburger Straße nicht nur einen erheblichen Teil ihrer Fläche verlor, sondern eine starkbefahrene Hauptverkehrsstraße dazu„gewann“ und nun mit deren Lärm und Gestank zurechtkommen mußte (außerdem wurde in östlicher Verlängerung ein vormaliges Wohnkarree einbezogen, das nun dem ruhenden Verkehr dienen sollte). Anstelle des nur am Rande begehbaren Schmuckgartens von 1914
entstand ein vielgestaltiger Park auf mehreren Ebenen und mit abgeteilten Bereichen, mit Mauern, Bänken, Hochbeeten, Springbrunnen, Pergolen und einem überwiegend von Bäumen verdeckten Parkplatz.
Andererseits kann man bei dem Rundgang sehen, was passiert, wenn man solch eine Grünfläche jahr(zehnt)elang verkommen läßt: lieblos-billig ausgebesserte holprige Wege, ein 1970 letztmalig sanierter Spielplatz, beschmierte Mauern, schadhafte Bänke und Beeteinfassungen, ein seit Jahren fehlendes Toilettenhäuschen mit den entsprechenden Folgen im Gebüsch uvm.
Abb. 2 und 3 – Verfall am Olivaer Platz 2017
Unzählige Schulen und die neuerdings bekanntgewordenen über 1000 abrißreifen Eisenbahnbrücken und vieles mehr – darunter diese Grünanlage – weisen darauf hin: Dieser Staat und folglich die ihn tragenden Parteien lassen das ihnen anvertraute Volksvermögen geradezu verfallen. Ist es da nicht wunderbar, daß das von SPD und Grünpartei mehrheitlich gebildete Bezirksamt hier am Olivaer Platz nun endlich zupacken will? Warum stellt sich seinen Plänen seit August 2014 die Bürgerinitiative Olivaer Platz entgegen? Und warum gibt es seit Oktober 2014 einen Förderkreis Olivaer Platz, der sich seinerseits der Bürgerinitiative entgegenstellt und die Bezirksamtspläne unterstützt?
Bezirksamt und Förderkreis Olivaer Platz
Der Plan des Bezirksamtes läßt sich am besten darstellen anhand der Ausführungen des Förderkreises Olivaer Platz, der augenscheinlich aus der AG Olivaer Platz der SPD Wilmersdorf-Nord hervorgegangen ist. Demnach soll dort ein „Metropolenplatz“ geschaffen werden, der u.a. „durch seine direkte Anbindung an den Kurfürstendamm und durch eine überregionale Attraktivität den etablierten, aber wirtschaftlich kämpfenden Geschäften und der Gastronomie neue Kunden (Kudamm-Bummler und Touristen) zuführ[t]“ (Unsere Ziele, 1.). Es soll „ein offener, transparenter Platz“ mit „mehr Grün“, „eine sichere und barrierefreie Grünanlage“ entstehen (ebd., Der Förderkreis). Als Vorbild nimmt man sich Parks in den Metropolen New York und Paris, die, den Fotos nach zu schließen, in erster Linie aus einer Rasenfläche mit Bäumen als Umrahmung bestehen. Das ist offenbar auch die Zielvorstellung für den Olivaer Platz, wie das großformatige Bild am Kopf jeder Seite der Website zeigt. Man kann zudem dort links erkennen, daß die Grünanlage auf ihrer Südseite in ganzer Länge mit Platten belegt werden soll, die etwa ein Viertel der Gesamtfläche einnehmen; hinzu kommt eine noch breitere Aufpflasterung am westlichen Ende.
(wegen Spielplatzes an einer Hauptverkehrsstraße vom Senat zurückgewiesen)
Um diese „offene, transparente, sichere und barrierefreie“ Grünanlage zu schaffen, wird es nötig sein, die gesamte Anlage einzuebnen, alle Staudenbeete, Mauern, Pergolen, Springbrunnen usw. zu beseitigen und Bäume zu fällen. War erst von 60 der 148 Bäume die Rede, um die gewünschte offene Grünanlage zu erzielen, so beabsichtigt das Bezirksamt nach Protesten jetzt nur noch die Fällung von 11 Bäume, von denen man festgestellt habe, daß sie nicht mehr standsicher seien. Auch in der Frage des Parkplatzes am Ostende gab es in den Plänen eine Änderung, da er nun doch nicht mehr vollständig wegfallen, sondern zur Hälfte erhalten werden soll, und zwar „multifunktional … mit Möglichkeiten zur Sondernutzungen im verträglichen Umfang“ (BVV-Beschluß vom 19.11.2015, DS 1466/4). Die Unterstützer weisen außerdem darauf hin, daß noch in diesem Jahr mit dem Umbau angefangen werden müsse, da man sonst 600.000 Eu aus dem Bund-Länder-Städtebauprogramm „Aktive Zentren“ verfallen lasse; insgesamt stünden 2,5 Mio. Eu bereit, die aber nicht für eine Sanierung genutzt werden dürften.
Für dieses Vorhaben gab es in einer Online-Petition des Förderkreises zusammen mit der SPD Wilmersdorf-Nord (4) am 13.9.2017 504 Stimmen.
Bürgerinitiative Olivaer Platz
Eine Online-Petition der Bürgerinitiative Olivaer Platz hatte zum selben Zeitpunkt 4.416 Stimmen, also fast neunmal soviel. Was macht das Anliegen der Bürgerinitiative so viel attraktiver für die Bürger?
Ihr Ziel ist prinzipiell die Erhaltung der Gartenanlage von 1961 einschließlich des Parkplatzes. Sie fordert die Sanierung der Wege und der Beetumrandungen, barrierefreie Übergänge zwischen den Ebenen der Anlage, die Säuberung von Mauern und Grünflächen, neue Bänke und Papierkörbe, einen attraktiven Spielplatz, die Wiedererrichtung des vor Jahren beseitigten Toilettenhäuschens, den Erhalt des Parkplatzes, damit nicht „die Parkplatzsuchenden in die Wohnstraßen gezwungen werden und so für mehr Lärm und Schmutz sorgen“, den Erhalt aller Bäume und sonstigen Anpflanzungen und überhaupt, daß die sanierte Anlage zukünftig ordnungsgemäß gepflegt wird. Die Bürgerinitiative geht davon aus, daß diese sanfte Sanierung etwa 800.000 Eu kosten könnte und somit wesentlich preisgünstiger für die Steuerzahler wäre als der vom Bezirksamt geplante und vom Förderkreis unterstützte Umbau. (siehe PDF-Datei „Unsere Vorschläge ...“)
Fragen
Die beiden Seiten stimmen grundsätzlich darin überein, daß der jetzige Zustand der Anlage unhaltbar ist. Sie stimmen auch in mehreren Einzelheiten überein wie Vergrößerung und Modernisierung des Spielplatzes, Barrierefreiheit und bessere Beleuchtung des die Anlage durchquerenden Nord-Süd-Weges. Was jedoch das Gesamtkonzept betrifft, ist der Gegensatz unüberbrückbar. Angesichts dessen ergeben sich eine Anzahl Fragen:
- Das Bezirksamt war und ist verantwortlich für die Pflege der Grünanlagen. Es ist dieser Pflicht jahr(zehnt)elang nicht ausreichend nachgekommen und hat den Platz herunterkommen lassen. Wieso nimmt es jetzt – in der Art von Investoren, die eine denkmalgeschützte Immobilie zugunsten eines Neubaus loswerden wollen – seine eigene Pflichtverletzung als Rechtfertigung, um einen Umbau durchzusetzen statt für einen zeitgemäßen Erhalt zu sorgen?
- Ist das Verlangen nach „Augenhöhe“ mit Paris und New York für die Anwohner und Nutzer wirklich so essentiell, daß man deswegen eine Grünanlage mit einem eigene Charakter opfert, damit es am Oliver Platz so aussieht wie in New York und Paris?
- Wieso wird dadurch „mehr Grün“ geschaffen, daß man (ursprünglich 60) Bäume fällt, alle Staudenbeete beseitigt und etwa ein Viertel der Fläche mit Steinplatten belegt (was eine Verdoppelung der jetzt versiegelten Flächen wäre)? Reichen Umgestaltungsbeispiele wie der Lehniner Platz nicht aus?
- Warum wurde der „symbolische erste Spatenstich“ erst 48 Stunden zuvor in einer Pressemitteilung angekündigt? Verträgt sich das mit „Transparenz des Verwaltungshandelns“?
- Warum versuchte BzStR Schruoffeneger mit seinem „Spatenstich“ vom 2. August den Umbau zu eröffnen und so den klaren Bürgerwillen zu unterlaufen? Wenn es jetzt doch nur „eine Informationsveranstaltung für die Anwohner“ gewesen sein soll, was hat da ein Spatenstich = Zeichen für Baubeginn zu suchen? Und warum rechtfertigte er sein Tun juristisch damit, daß der Umbau zunächst nur die „planungsrechtlich unbefangenen Flächen des derzeit gültigen Bebauungsplanes IX-21“ betreffe, obwohl dieser Bebauungsplan (ebenso wie der im dritten Anlauf geplante neue Bebauungsplan 4-42) den Olivaer Platz – also Anlage und Parkplatz – als eine Einheit behandelt?
- BzStR Schruoffeneger kündigte bei seinem Auftritt am 2. August an, daß die 11 zum Fällen bestimmten Bäume markiert würden. Wann wird das geschehen?
- Warum wurde der Realiserungswettbewerb im Jahr 2011 (mit dem oben vorgestellten Siegerentwurf) nichtöffentlich ausgelobt?
- Wiederholt wurde von Bezirksamt und Förderkreis auf den Kompromiß des Runden Tisches von 2015 hingewiesen, an den sich die Bürgerinitiative nicht halten wolle. Die BVV (die Politiker) hatte mit der Zusammensetzung des Runden Tisches von Anfang an ihre Mehrheit dort sichergestellt: 14 Politiker bzw. ihnen nahestehende Vertreter, die per se für den Umbau eintraten (Bezirksamt, Verwaltung, Fraktionen, Kinder- und Jugendparlament, Förderkreis) gegen 9 sonstige Vertreter. Wie kann man das Ergebnis eines solchen Gremiums als fair ausgehandelt ansehen? Und wieso tagte das Gremium trotz seiner öffentlichkeitsrelevanten Thematik hinter verschlossenen Türen?
- Von Bezirksamt und Förderkreis wird betont, daß eine Tranche von 600.000 Eu aus dem „Aktive-Städte“-Programm verfiele, wenn nicht noch in diesem Jahr mit dem Umbau begonnen würde, denn für Sanierung stünde aus dem Programm kein Geld zur Verfügung. Woraus ergibt sich das? Auf der Seite der Senatsverwaltung jedenfalls wird nur von „Maßnahmen ... zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum, Grün- und Parkanlagen“ gesprochen, nicht von Neubau.
- Im Rahmen des „Aktive-Städte“-Programms ist der Senat bereit, 800.000 Eu für den Umbau beizusteuern. Was hindert Senat und Abgeordnetenhaus daran, diesen Betrag für eine Sanierung umzuwidmen?
- Und schließlich: Wenn sich aberhunderte Einwender gegen die bisherigen zwei Bebauungsplanentwürfe (2009, 2016) sowie 2300 Bürger in einem Einwohnerantrag (2014) und weit über 4000 Bürger in einer Online-Petition (2017) für den Erhalt des Oliver Platzes in der jetzigen Form aussprechen: Warum verbraucht das Bezirksamt dann eigentlich noch weitere Arbeitszeit im Amt und öffentliche Mittel (Steuergelder) für seine diesem Willen entgegenlaufenden eigenen Pläne? Sollten Bezirksamt und Senat nicht sparsamer mit öffentlichen Mitteln (Steuergeldern) umgehen? Sollten sie den Bürgerwillen nicht respektieren?
MichaelR
Dieser Artikel entstand auf der Grundlage der Veröffentlichungen von Förderkreis und Bürgerinitiative (gedruckt und im Netz) und eines Gespräches mit Raimund Fischer, Vertreter der Bürgerinitiative; der Förderkreis beantwortete eine an ihn gerichtete schriftliche Anfrage nicht.
Bildquelle:
Abb. 1 Olivaer Platz um 1914 - Wikipedia (gemeinfrei)
(1) Bei „Suche nach Straßenname“ nie Hausnummern eingeben; sie folgen anschließend zur Auswahl.
(2) In der näheren Umgebung z.B. die östliche Fortsetzung der Lietzenburger Straße über den Rankeplatz hinweg oder Lewishamstraße/Adenauerplatz.
(3) Offenbar war der Spatenstich noch symbolischer als bisher angenommen, nämlich „rein symbolisch: eine Informationsveranstaltung für die Anwohner, bevor die Bauleistungen ausgeschrieben werden und die ersten Arbeiten losgehen“ (Im Westen Berlins, 13.9.2017)
(4) Der Hinweis auf die Beteiligung der SPD-Abteilung 98 Wilmersdorf-Nord erfolgte erst nachträglich. Es entsteht der Eindruck, daß wieder einmal die SPD/Abt. 98 die SPD/Bezirksamt um einen Gefallen bittet.
MichaelR - Gastautoren, Politik - 17. September 2017 - 00:02
Tags: bürgerbeteiligung/plätze/stadtgeschichte/stadtplanung/straßen
drei Kommentare
Nr. 2, M.R., 21.09.2017 - 13:42 Weltmetropole Bezeichnenderweise vom Ressortleiter Wirtschaft wird im Tagesspiegel vom 21.9. im Leitartikel (mit Bezug auf Flughafen Tegel, aber in seiner grundsätzlichen Aussage auch auf den "Metropolenpark" Olivaer Platz anwendbar) erklärt, wie das Land Berlin zu einer "Welt(!)metropole" wird ( http://www.tagesspiegel.de/berlin/tegel-.. ): Berlin kann bei seiner Stadtentwicklung nicht mehr im kiezigen Kleinklein und im egoistischen Mein-Mein stecken bleiben, sondern muss großstädtischer denken und planen. Auch die Berliner selbst können der offensichtlichen Entwicklung zur Weltmetropole nicht mehr entkommen. Ja, so hätten sie es gern, die Zeitungsvertreter der wirtschaftlichen Interessen: Die Bürger haben den Mund zu halten und ihre Bürfnisse hintanzustellen, wenn die einschlägigen Politiker (Bezirk, Senat) sich abmühen, über die egoistischen Kieze hinweg der "Weltmetropole" den Weg zu ebnen – völlig alternativlos. |
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Problem: 5eur70 je einwohner im jahr für grünpflege, 6 cent je qm grünfläche zuweisung vom land berlin an den bezirk
kein wunder vorwiegend den schmuckplätzen Brix-,Savigny-,Rüdesheimerplatz geld zugewiesen wird
der Pflegenotstand hat sich seit 2011 nicht aufgelöst
Thema bereits 2006
zur geschichte der stadtplätze