Wohnen im Kiez
Berlin, 06.02.2019
Sehr geehrte Mitglieder des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf,
sehr geehrte Bezirksverordnete,
in den vergangenen 6 Jahren hat auf dem Immobiliensektor die Entwicklung auch in unserem Bezirk verstärkt Fahrt aufgenommen. Aber weder in der BVV noch im Ausschuss für Stadtentwicklung kommen die Akteure dieser Fahrgeschwindigkeit hinterher.
Als interessierte Beobachter beider Gremien haben wir den Eindruck, dass die Akteure dem Geschehen staunend hinterher gucken. Zu keiner Zeit konnten wir den Eindruck gewinnen, dass hier jemand ernsthaft versucht, dem Treiben der Spekulanten und den Bauherren Paroli zu bieten. Die Devise „Viel Bauen hilft viel“ war eine hilflose Floskel unseres Regierenden, die auch nur den Bauherren und keinem einzigen Mieter geholfen hat.
Unser Bezirksamt schweigt mehrheitlich ganz zu diesem Thema.
Eine Strategie oder auch nur eine Idee, wie man die „ganz normalen“ Menschen vor Verdrängung schützen kann, wurde mehrheitlich nicht kundgetan. Nicht von unserem Bezirksbürgermeister noch von seiner SPD, allerdings auch nicht von Parteien, die rechts der CDU stehen.
Einzig die Grünen und die Linken versuchen offenbar diesem Trend politisch entgegenzuwirken. Der Baustadtrat müht sich, den Forderungen der Bürger gerecht zu werden, möglichst viele Gebiete im Bezirk per Milieuschutz wenigstens halbwegs vor Verdrängung zu schützen.
Der für Personal zuständige Bezirksbürgermeister lässt ihn aber an seinem langen Arm verhungern. In unserer Bezirksverwaltung sind inzwischen fast 400 Stellen nicht besetzt, da sind notwendige neue Stellen noch nicht mitgerechnet.
Offenbar hat Herr Naumann keine Vorstellung davon, was unser Bezirk braucht.
Dass viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Bezirk aus ihren Wohnungen verdrängt werden, scheint ihn nicht weiter zu stören.
Da werden Menschen nach Jahrzehnten aus ihren Wohnungen vertrieben, obwohl sie sich nie etwas haben zuschulden kommen lassen. Sie können ihre sanierte und übermodernisierte Wohnung nicht mehr bezahlen oder müssen ausziehen, weil das Haus verkauft und in Eigentumswohnungen umgewandelt wurde. Oder sie werden aus ihren Wohnungen geekelt, weil neue Eigentümer durch Abriss und Neubau mehr Rendite anstreben.
Inzwischen gibt es jede Menge Negativbeispiele. Wenn der Bezirksbürgermeister mal an einem der Kiezspaziergänge der MieterWerkStadt Charlottenburg teilgenommen hätte, wäre ihm die Wirklichkeit präsentiert worden.
Die MieterWerkStadt Charlottenburg kämpft seit 2016 für eine Milieuschutzsatzung für den Kiez zwischen Klausenerplatz bis hinter dem Amtsgerichtsplatz. Nach Übergabe von weit über 1000 Unterschriften im Mai 2017 wurde der Einwohnerantrag von der BVV im Herbst 2017 übernommen, aber es passierte nichts.
Doch nun hat sich das BA zu einem Aufstellungsbeschluss durchgerungen und diesen im Januar 2019 im Amtsblatt veröffentlicht.
Aber sowohl der Baustadtrat, wie auch seine VerwaltungsmitarbeiterInnen haben inzwischen angedeutet, dass - bedingt durch die personelle Situation - eine zügige Abarbeitung der sich daraus ergebenden Aufgaben wohl nicht so einfach verwirklichen ließe.
Verehrte Mitglieder des Bezirksamtes, verehrte Bezirksverordnete,
im Namen der BürgerInnen, die unseren Einwohnerantrag unterstützt haben, und im Namen aller, die jetzt vor der großen Not stehen, ihre Wohnungen zu verlieren, fordern wir UnterzeichnerInnen dieses Briefes:
- 1. Die Milieuschutzsatzung muss möglichst schnell erlassen werden;
- 2. das Personal für die Bearbeitung und Überwachung der Milieuschutssatzung & Durchsetzung des Zweckentfremdungsverbotes muss aufgestockt werden;
- 3. ein Milieuschutzbeirat unter Beteiligung der MieterInnen (wie in Neukölln bereits beschlossen) wird als wichtige Instanz für die Umsetzung der Satzung eingerichtet.
Wann hören wir von Ihnen eindeutige Stellungnahmen dafür, dass Sie die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in unserem Bezirk vertreten und vor Spekulanten und anderem Gesindel in Schutz nehmen.
Es ist überfällig, dass Sie sich klar bekennen und diese unhaltbaren Zustände aufhalten. Sie müssen verhindern, dass weiterhin Menschen ihre angestammten Wohnquartiere verlieren und die Strukturen in unserem Bezirk nur noch wohlhabenden Neubürgern entgegenkommen.
Alban Becker
Barbara Gebing
Christa Frontzek
Monika Gießelmann
Klaus Helmerichs
Martin Hoffmann
Wolfgang Mahnke
Hans May
MieterWerkStadt - Gastautoren, Menschen im Kiez, Politik - 08. Februar 2019 - 00:02
Tags: gentrifizierung/mieten/mieterschutz/milieuschutz/modernisierung/umwamdlung/wohnen/zweckentfremdung
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