Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“
- Anmerkungen zur Entschädigungslast -Seit dem 6. April 2019 werden Unterschriften für den Antrag auf Zulassung des Volksbegehrens gesammelt. Dem Antrag ist zu folgen, wenn er von mindestens 20.000 BerlinerInnen unterstützt wird. Darauf folgt eine weitere Unterschriftenaktion zur Durchführung des Volksbegehrens, das dann stattfindet, wenn dies von mindestens 7 % der Wahlberechtigten (ca. 170.000 Personen) befürwortet wird.
Derzeit liegen an etlichen Stellen Unterschriften für den Antrag aus. Darunter sind auch Büros des Berliner Mietervereins und der LINKEN. Zu den Adressen dieser Anlaufstellen, die auch Unterschriftenlisten zum Mitnehmen bereithalten, findet man über folgenden Link: www.dwenteignen.de. Auskünfte kann man auch über das Kampagnen-Handy (0151 75749283) einholen.
Im Umfeld des Klausenerplatzes wird sich die MieterWerkStadt Charlottenburg an der Unterschriftensammlung mit einem eigenen Stand und durch personelle Verstärkung der Sammelaktionen anderer Unterstützer beteiligen.
Eine der häufigsten an den Ständen gestellte Frage ist die nach der Entschädigungslast. Die Milliardenbeträge, die im Unterschriftenblatt als Entschädigungsbeträge genannt werden (DW enteignen: 7,3 bis 13,7 Mrd. €; Senat: 28,8 bis 36 Mrd. €), wirken auf viele so erdrückend, dass sie sich nicht vorstellen können, wie diese Last geschultert werden kann.
Als Hilfe, diese Furcht abzulegen, kann das folgende Berechnungsmodell dienen:
Bei folgenden Annahmen
- Entschädigung mit dem 20-fachen der Jahresmiete (orientiert an dem Ertragswertmultiplikator vor der spekulativen Marktentwicklung),
- Nettokaltmiete pro m² von 6 € monatlich (bei DW im Jahr 2018 im Schnitt knapp unter 7 €),
- Vergesellschaftung von Grundstücken mit einer Gesamtwohnfläche von rd. 14.000.000 m² (= 230.000 Wohnungen mit einer durchschnittlichen Größe von 60 m²)
wird eine Jahresmiete von 1.008.000.000 € netto/kalt erzielt, also rd. 1 Mrd. €.
Die Entschädigung für die zu vergesellschaftenden Grundstücke würde demnach 20 Mrd. € (20-faches der Jahresmiete) betragen. Sie muss nicht im Jahr der Vergesellschaftung gezahlt werden; es kann auch eine Ratenzahlung über einen an der Rest-Gebäudenutzung orientierten Zeitraum erfolgen. Ein solcher Zeitraum liegt im Regelfall zwischen 30 und 100 Jahren.
Je länger der Ratenzahlungszeitraum ist, desto niedriger sind die Jahreszahlungen. Wegen der längeren Verzinsungsdauer steigt dann allerdings die Summe der Jahresraten.
Nach der für Annuitätendarlehen (= jährlich gleiche Ratenzahlungen bei zunehmender Tilgung und abnehmender Zinslast) maßgeblichen Berechnung ergäben sich bei folgenden Grundannahmen
- Entschädigung: 20 Mrd €,
- Zins: 2% über die gesamte Laufzeit,
- Laufzeit: 40 Jahre
eine Jahreszahlung von 731.114.956 €.
Das kann aus der Nettokaltmiete von 1 Mrd. € refinanziert werden. Es bleiben für Substanzerhaltung an den Gebäuden und Verwaltungsaufwand dann noch rund 270 Mio. € im Jahr übrig.
Das Land wäre von diesem Finanzierungsreglement nicht berührt. Die Vergesellschaftung soll zu Gunsten eines "gemeinnützigen" Trägers erfolgen (das Begehren nennt dazu beispielhaft eine noch zu diesem Zweck zu gründende "Anstalt des öffentlichen Rechts"). Dieser Träger wird neuer Eigentümer, zieht die Mieten ein und zahlt die Entschädigungsraten.
Dieses Modell ist einer unmittelbaren Übernahme in kommunales Eigentum vorgezogen worden, weil es weder mit EU-Recht noch mit der nationalen "Schuldenbremse" kollidiert.
Die drei vom Senat zur Vergesellschaftung von Wohnraum eingeholten Gutachten (Dr. Geulen, Prof. Dr. Vorwerk, Dr. Beckmann), die alle die Machbarkeit einer Vergesellschaftung bestätigen, können über folgenden Link abgerufen werden: www.stadtentwicklung.berlin.de.
Anzumerken wäre noch, dass "DW enteignen" mit dem Volksbegehren ausschließlich Wohnraum für eine kommunale Verfügung wiedergewinnen will, damit der Wohnungsbestand dann nach sozialen Aspekten vergeben werden kann. Da das keine neue Wohnung schafft, weist "DW enteignen" stets darauf hin, dass wieder in nennenswertem Umfang mit dem Bau kommunaler Wohnungen begonnen werden muss."
Erläuterungen zu den Berechnungsparametern:
Ratenformel:
Verwendet wird die Formel für die Ratenberechnung bei Annuitätsdarlehen. Sie lautet:
R = S x (i x (1 + i)n) : ((1 + i)n – 1)
- „R“ ist die jährlich zu zahlende Rate.
- „S“ ist der über die Ratenzahlungen zu refinanzierende Betrag.
- „n“ bezeichnet den Zeitraum in Jahren, über den die Refinanzierung erfolgen soll.
- „i“ ist der zu verwendende Zinssatz; er wird in 100stel angegeben; bei 2 % geht er also mit 0,02 in die Formel ein.
Entschädigung in Jahresraten:
Eine Entschädigung in Jahresraten liegt nahe, weil das Eigentum an Wohngrundstücken seiner Bestimmung nach dauerhaft einer Vermietung zuzuführen ist und aus dieser Vermietung auch regelmäßig die Mieterträge über die gesamte Lebensdauer des Gebäudes fließen.
Wenn der Eigentümer dennoch früher an die volle Entschädigung kommen möchte, kann er einer Bank seine Ansprüche gegen den neuen Träger der Wohnungen abtreten, die ihm dann den sogenannten Barwert der Raten vorab auszahlt. Rechnet auch die Bank mit einer Abzinsung der Raten mit 2 %, beträgt der Barwert exakt 20 Mrd. €. Eine Abzinsung mit 2 % dürfte nicht unerheblich über dem heutigen Kreditniveau bei sicheren Schuldnern liegen, so dass der Barwert eher sogar höher ausfallen könnte. Die Anstalt öffentlichen Rechts als neuer Träger der Wohngrundstücke ist als Einrichtung des Landes Berlin ein Schuldner höchster Bonität.
Bei der im Beispielsfall gegriffenen Laufzeit von 40 Jahren summieren sich die Jahresraten auf 29 Mrd. € (29.244.598.240 €).
Vielfaches der Jahreskaltmiete als Kriterium für die Entschädigung
Für Gebäude mit Wohn- und Gewerberaum wird der Verkaufswert regelmäßig auf Basis der Jahresnettokaltmiete berechnet. In Zeiten des schwarzen Kreises lag dieser Wert beim 10- bis 14-fachen der Jahresmiete, nach dessen Aufhebung lag er in Berlin in Jahren ohne sichtbar angespannten Wohnungsmarkt um das 20-fache einer Jahresmiete.
Die Beurteilung der Marktlage wird üblicherweise aus der Wohnungsleerstandsquote abgeleitet. Liegt diese über 5% der bewohnbaren Bestandswohnungen, wird der Wohnungsmarkt als prinzipiell ausgeglichen angesehen, also eine überhitzte Nachfrage nicht konstatiert.
Derzeit herrscht in Ballungsgebieten eine dramatische und weiter zunehmende Wohnungsnot. Hieraus resultieren Angebote an Wohngrundstücken mit teilweise mehr als dem 40-fachen der Jahresmiete. In diese Preisvorstellung fließen durch die Wohnungsnot angeheizte Erwartungen in hohe Wiederverkaufserlöse und in Mietsteigerungen - insbesondere durch Neuvermietung und Modernisierung - ein.
Diese Erwartungen haben mit dem konkreten Gebrauchswert und dem Substanzwert des Wohngebäudes nichts zu tun, sondern sind rein spekulativ. Die Gemeinschaft muss spekulative Erwartungen bei einer Entschädigung nicht berücksichtigen. Ausreichend und interessengerecht ist es deshalb, eine Entschädigung auf das sich bei ausgeglichenem Wohnungsmarkt einstellende Preisniveau – also etwa das 20-fache der Jahresmiete – zurückzuführen.
Dies schließt eine niedrigere Entschädigung nicht aus, wenn man in die Abwägung einbezieht, dass das primär auf Gewinnerzielung gerichtete und dem Wesen privater, nicht gemeinnütziger Wohnungsunternehmen immanente Geschäftsgebaren in den Ballungszentren zu einer sozialen Spaltung der Gesellschaft geführt hat und das Gemeinwesen damit zwingt, von der Vergesellschaftungsmöglichkeit Gebrauch zu machen.
Wahl des Zinssatzes
Der Zinssatz in der Musterberechnung ist mit 2 % angesetzt. Die derzeitigen Prognosen weisen darauf hin, dass auch ein deutlich niedriger Zins als angemessen angesehen werden kann:
- Zunächst liegen derzeit die Immobilienkredite mit Grundschuldbesicherung bei Festschreibung für 20 Jahre unter 1,65 % (Stand: 21. April 2019).
- Das vergesellschaftete Grundvermögen soll von einer vom Land eingerichteten Anstalt öffentlichen Rechts übernommen werden. Damit orientiert sich ihre Bonität an der des Landes. Unter diesem Aspekt erschiene es durchaus auch gerechtfertigt, einen Zinssatz unter 1 % für die hier in Aussicht genommene Laufzeit von 40 Jahren anzusetzen.
22 April 2019
Wolfgang Mahnke (MieterWerkStadt Charlottenburg)
MieterWerkStadt - Gastautoren, Gesellschaft, Politik - 27. April 2019 - 00:04
Tags: daseinsvorsorge/enteignung/gemeinwohl/gentrifizierung/grundversorgung/mieten/vergesellschaftung/volksbegehren/wohnen
zwei Kommentare
Nr. 2, Pierre, 03.05.2019 - 15:54 Diese Linke – immer wenn sie ein bisschen was zu sagen hat- macht auch imBezirk munter weiter wenn die SPD eine Stütze braucht : Den Olivaer Platz würde dieSPD ohne ihre Hilfe nicht gegen den Willen der Anwohner beseitigen könen und jetzt genau so bei der Cornelsenwiese: http://cornelsenwegwiese.de/?p=351 . Aber bei der Europawahl hat sie große Sprueche drauf, zB. Nur solidarisch! Aber wohl nicht mit BIs? |
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die Linke will also die Wohnungen ,die zwischen 2001 und 2011 als Mitglied des Wowereit-Senatsfür ein Apfelund ein Ei (ca 8000€ /pro Wohnung ! das Angebot gingleider nicht an die Mieter-wäre ja auch zu schön und gerecht und sozial gewesen ) an Spekulanten verscherbelte für ein fürstliches Vermögen zurückkaufen ! Um welche Summe es dabei geht ,berichtete Anfang März ein Feature des Deutschlandfunk am Beispiel der Deutsche Wohnen"Konkret geht es um rund 50.000 Wohnungen,damals vom rot-rotem Senat unter Klaus Wowereit für 405 Millionen Euro verkauft. Im Schnitt 8000€ pro Wohnung.Heute gibt die Deutsche Wohnen den Buchwert mit etwa 7 Milliarden Euro an ,fast das 17-fache.
Die Miethaie würden einen fantastischen Schnitt machen und hätten randvolle Kassen,um weiter zu spekulieren .