Die Sache mit der Demokratie und Bürgerbeteiligung in Charlottenburg-Wilmersdorf
Es liegt beinahe 4 Jahre zurück, da habe ich meinen Kleingarten verloren, er wurde platt gemacht und bebaut. Als ehrenamtlicher Vorsitzender der Kleingartenkolonie habe ich für den Erhalt unserer Gärten gekämpft. Ein Bürgerentscheid sollte es den politischen Entscheidungsträgern einfacher machen, das Kleingartengelände vor der Bebauung zu retten.
Der Kernsatz, über den die BürgerInnen im Bezirk abstimmen sollten, besagte:
Sind sie dafür, die Kleingartenanlage Oeynhausen als Dauerkleingärten festzusetzen? Das Bezirksamt bestand auf der Erwähnung auf dem Stimmzettel, dass, wenn man dafür sei, vom Bezirk Entschädigungen bis zu einer Höhe von 25 Millionen Euro verlangt werden könnten. Trotz dieses als Warnung gedachten Hinweises stimmten 77 % der WählerInnen für den Erhalt der Gärten, das waren doppelt so viele Stimmen, wie sie die SPD bei der gleichzeitig stattfindenden Europawahl bekam.
Aber unsere Hoffnung, dass dieses Ergebnis dazu führen würde, die Gärten zu erhalten, erwies sich als falsch. Nicht der Wille von 84.000 Bürgerstimmen, sondern der Wille des Baulöwen Groth und der Heuschrecke Lorac ( 100% Tochter von Lonestar, amerikanischer Hedgefonds-Riese) wurde von der Berliner Politik durchgesetzt.
Damals sah ich als einen unserer Hauptgegner den SPD-Baustadtrat, der sich, wie die gesamte SPD, hinter dieser Entschädigungsfrage versteckte und das Ansinnen der BürgerInnen rundweg ablehnte. Mein Garten wurde bebaut, was mir blieb, war ein Balkon in meiner Altbauwohnung in Charlottenburg.
Nun 3 Jahre später, hoffte ich, dass ein Grüner Baustadtrat in Charlottenburg - Wilmersdorf anders mit uns BürgerInnen umgeht und die SPD aus der Vergangenheit gelernt haben könnte.
Als ehrenamtliches Mitglied der MieterWerkStadt Charlottenburg sammelte ich 2016/2017 zusammen mit den anderen ehrenamtlichen Mitgliedern, Unterschriften zur Erhaltung meines Kiezes. Ziel war es, einen Einwohnerantrag in die Bezirksverordnetenversammlung einzubringen, um eine Erhaltungssatzung (Milieuschutz) für unseren Kiez zu erlassen. 1.000 Unterschriften waren erforderlich, wir übergaben im Mai 2017 an die Bezirksvorsteherin ca. 1.500 Unterschriften, mit denen die Bürgerinnen und Bürger sich für den Erlass einer entsprechenden Satzung aussprachen. Die Verdrängung von Mieterinnen und Mietern war bereits in vollem Gange, der Spekulation waren Tür und Tor geöffnet.
Die BVV übernahm auch unseren Antrag, aber dann ruhte diese Angelegenheit. Unser stetes Erinnern führte immerhin im Januar 2019, zu einem entsprechenden Aufstellungsbeschluss des Bezirksamtes.
Jetzt, im Spätherbst 2019, kurz vor Jahresende, hat man im Stadtplanungsausschuss das Ergebnis einer Studie vorgelegt, die besagt, dass ich in meinem Kiez nicht verdrängt werden könne, weil die Bevölkerung hier mehrheitlich über ein so hohes Einkommen verfüge, das eine Verdrängung nicht zu erwarten ist. Die Fläche für den Milieuschutz solle auf den Klausenerplatz-Kiez beschränkt werden. Dies beschloss dann auch die BVV auf ihrer Sitzung am 21.11.2019.
M. E. hat der grüne Baustadtrat ein Gutachten in Auftrag gegeben, dass nicht die Notwendigkeit von Milieuschutz prüfen sollte. Es sollten Argumente dafür geliefert werden, wie man mit lediglich zwei Personalstellen im Bezirksamt die durch eine solche Satzung entstehende Mehrarbeit tatsächlich leisten könne, wenn das ursprüngliche Gebiet nur entsprechend klein gehalten wird.
Unser Bezirksamt hat sich so darauf eingerichtet, dass es für viele Aufgaben einfach kein Personal gibt, da muss man eben kreativ werden. Doch anstatt die Kreativität darauf zu verwenden, die offenen Stellen zu besetzen, hört man immer nur Gejammer, dass es nicht möglich sei. Die Konkurrenz (andere Bezirke, die Senatsverwaltung) würde sämtliche potenziellen Bewerber wegschnappen. Wäre unser Bezirksamt ein privates Unternehmen, hätte es bereits vor Jahren Konkurs anmelden müssen.
Und,
ich erlebe innerhalb von wenigen Jahren, wie ernst die Politik Bürgerbeteiligung nimmt, die sie in ihren Sonntagsreden immer wieder einfordert.
Vielen Dank auch!
Alban Becker
A. Becker - Kiez, Menschen im Kiez - 25. November 2019 - 00:02
Tags: bürgerbeteiligung/einwohnerantrag/gentrifizierung/mieten/milieuschutz/modernisierung/wohnen
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