Über "Braune Wurzeln" - hier des BKA
Wir hatten schon mal in den "Kiezer News" (14.Januar 2006) darüber geschrieben.
Unser Kiez hat in seiner Geschichte vieles erlebt, worauf seine Bewohner stolz sein können. Und das nicht nur aus der jüngeren Geschichte wie gerade hier gezeigt, sondern auch von viel früher. Erwähnt sei dazu nur mal das Buch "Widerstand 1933-1945 - Charlottenburg".
Es gibt aber auch traurige Kapitel in der Geschichte. Eines davon spielte in der Schloßstraße 1 (jetzt Bröhan Museum). Dort befand sich früher das ‘Polizeiinstitut Charlottenburg’, welches dann von den Nazis zur ‘nationalsozialistischen Führerschule der Sicherheitspolizei’ umgestaltet wurde. Und ausgerechnet aus den dort Ausgebildeten und Beschäftigten wurde maßgeblich nach 1945 das BKA der neuen Bundesrepublik Deutschland begründet. Für einen neuen Staat, der rechtsstaatlich, freiheitlich und demokratisch werden sollte.
Jeder wusste vom anderen, welche Leichen er im Keller hatte. Man nannte sie die „Charlottenburger“, weil sie an der Führerschule der Sicherheitspolizei in Berlin-Charlottenburg ausgebildet wurden. An der Spitze stand das Triumvirat Paul Dickopf, Rolf Holle und Dr. Bernhard Niggemeyer. Sie legten die Grundlagen für das Bundeskriminalamt (BKA). Ihre fachlichen und organisatorischen Fähigkeiten erlernten Holle und Niggemeyer im Reichssicherheitshauptamt (RSHA), Dickopf als Spezialist des Sicherheitsdienstes (SD).
Quelle: trend onlinezeitung - ein Artikel von Dieter Schenk
Jetzt will das Bundeskriminalamt in eigener Sache ermitteln.
Man wolle die Vergangenheit aufarbeiten, so sagt man:
Das Bundeskriminalamt will in einer Kolloquienreihe die Verbindungen zwischen der Behörde und dem NS-Regime untersuchen. Das BKA war von seiner Gründung 1951 an bis zumindest in die 70er Jahre von ehemaligen Nazi-Größen geführt worden. Man sei sehr spät dran mit dieser Aufarbeitung, betonte BKA-Präsident Jörg Ziercke, aber einen Schlussstrich unter diese Geschichte dürfe es nicht geben.
Quelle: Deutschlandfunk (dradio.de) vom 11.08.2007
Was soll man nun davon halten?
Entweder
Erstmal schön lange gewartet?
Viele der Beteiligten leben vielleicht gar nicht mehr und können also nicht mehr plaudern (oder sich verplappern?)?
Nach so einer langen Zeit ist eine "echte" Aufarbeitung schwierig und vielleicht sogar nicht mehr möglich?
Haben doch die jetzigen Mitarbeiter die "Gnade der späten Geburt" und können mit dem Thema ganz locker und cool umgehen?
Nun haben wir das pro forma abgehakt und gut is - endlich haben wir unsere Ruhe und können weitermachen?
Oder
Besser spät als gar nicht?
Hat denn nicht auch z.B. die katholische Kirche Jahrhunderte gebraucht, um sich wenigstens für einige Dinge zu entschuldigen?
Schaffen es doch andere überhaupt nicht?
Denken doch z.B. (ehemalige) Regierungen oder politische Parteien ganz und gar nicht daran, sich für Fehler in der Vergangenheit, und sei es noch so lange her, zu entschuldigen.
Man wird ja sehen, was dabei herauskommt. Wie aufrichtig und ehrlich das gemeint ist, wird sich zeigen.
Ich habe jedenfalls meine Zweifel. Gerade wenn ich an die derzeitigen Überlegungen, Planungen, die bereits verabschiedeten Gesetze unserer Politiker und die bereitwillig zustimmende Rolle des BKA denke, kommen mir übelste Erinnerungen an die Vergangenheit hoch.
Bundestrojaner, Online-Durchsuchungen, Überwachungen jeglicher Art, Abbau von Demokratie und Freiheit und vieles mehr lassen einen neuen Überwachungsstaat (Stasi 2.0) schlimmer Ausprägung befürchten.
Ich verweise da mal auf den Grundrechte-Report 2007. Und bei allem kommt es, wie richtigerweise immer, auf alle Blickrichtungen an.
So der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht Dr. Jürgen Kühling:
"Bedroht ist unsere Verfassung eben nicht allein durch Anarchisten, Kommunisten, Neonazis, Islamisten und Fundamentalisten verschiedener Couleur, sondern auch durch die Mächtigen im Lande, durch Behörden, Regierungen und sogar durch die Gesetzgeber in Bund und Ländern"
Quelle: heise online vom 21.05.2007
Weitere Quellen und Presse-Links:
* Jungle World (jungle-world.com), Nummer 50 vom 14. Dezember 2005
* Dieter Schenk, Publikationen
* ARD (tagesschau.de) vom 08.08.2007
* Süddeutsche Zeitung (sueddeutsche.de) vom 08.08.2007
* Welt online vom 08.08.2007
- Geschichte, Gesellschaft, Politik, ZeitZeichen - 19. August 2007 - 19:41
Tags: bka/braune_wurzeln/dieter_schenk/klausenerplatz
fünf Kommentare
Nr. 2, maho, 25.09.2007 - 22:57 Aber das gesamte Geschehen und die Folgen gehen doch in die gleiche Richtung! Sein Vorgehen, abgesehen vom Thema “Hinrichtung” an sich, entsprach einer gewissen Einstellung, sicher auch der Zeit, und macht nichts besser oder läßt auch nur ansatzweise etwas anderes erkennen. Dazu noch ein aktueller Artikel bei FAZ.NET vom 22.09.2007 |
Nr. 3, maho, 12.10.2007 - 20:17 Ein neuer Beitrag über die “Herrschaft der Charlottenburger” im Hamburger Abendblatt |
Nr. 4, maho, 30.10.2007 - 22:43 Auch ein Beitrag vom 30.10.2007 bei: www.sueddeutsche.de |
Nr. 5, maho, 02.11.2007 - 23:47 Thema erledigt – abgehakt – jedenfalls fürs BKA: “Mit dem vorläufigen Abschluss der Aufräumarbeiten kehrt das BKA zu seiner Alltagsarbeit zurück.” ...... bei: heise online |
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Einer der Chefs des BKAs, der oben im Artikel erwähnt wird, hat aber in der Nazizeit einen Judenmörder hinrichten lassen:
http://www.shoa.de/content/view/651/389/
sowie
http://de.wikipedia.org/wiki/Rolf_Holle