Korea: immer gut für eine Einmischung - Teil 2
(Fortsetzung von Afghanistan, Iran, Nordkorea: immer gut für eine Einmischung)
Ein Paradebeispiel für politische und publizistische Einmischung ist, neben dem Iran, Nordkorea. Von Ende Mai bis Mitte Juni stand Nordkorea erneut im Mittelpunkt des veröffentlichten Weltinteresses, nachdem es einen Atomwaffen- und mehrere Raketentests durchgeführt und Südkorea militärisch gedroht hatte. Der UN-Sicherheitsrat beschloß sogleich zur Strafe einstimmig eine Verschärfung der über Nordkorea verhängten Sanktionen (in bezug auf freien Handels- und Geldverkehr).
Es gibt verschiedene Spekulationen darüber, was hinter Nordkoreas 'Provokationen' bzw. 'Affront gegen die Staatengemeinschaft' steht: handelt es sich um einen innenpolitischen Machtkampf?, um Geltungssucht?, den Versuch, Wirtschaftshilfe oder die Aufhebung von Sanktionen zu 'erpressen'?
Nordkorea selbst sagt, es fühle sich ständig von den USA bedroht; man erinnert an den Koreakrieg und verweist auf die 28.000 US-Soldaten in Südkorea samt den dort stationierten Raketenbasen und Atomsprengköpfen. (Die Situation erinnert an die Lage in der BRD und der DDR vor 1990, als sich auf beiden Seiten die weltweit größte Anhäufung von Atomwaffen befand.) Daher sehe Nordkorea im Besitz von eigenen Atomwaffen und der Androhung ihres Einsatzes die einzig wirksame Methode, um mögliche Angriffe von außen zu verhindern.
Um zu überprüfen, was an diesen Vorbringungen Nordkoreas dran sein könnte, folgt hier ein sehr geraffter Blick auf die Erfahrungen Koreas mit dem Ausland (mit "Korea" ist immer das gesamte Land gemeint). Die ersten 950 Jahre, also die Zeit von Koreas Entstehung im Jahr 918 (fast zeitgleich mit der Entstehung des alten Deutschen Reichs) bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, lassen sich so zusammenfassen: daß Korea aus den über 100 Jahren Mongolenherrschaft (unter die auch das alte Deutsche Reich fast geraten wäre), den über 200 Jahren der Tributpflicht gegenüber dem Ming-Reich und dann den japanischen und den Mandschu-Invasionen um 1700 den Schluß gezogen hatte, sich der 'Öffnung' zu verweigern, die seitens der imperialistischen Staaten (insb. Großbritanniens, Frankreichs, der USA, Rußlands, ab 1871 auch des Deutschen Reichs) mehr oder weniger gewaltsam betrieben wurde - daher auch Koreas Beiname "Einsiedler-Nation". 1876 jedoch gelang Japan der erste Einbruch, und Koreas Ausverkauf mittels ungleicher Verträge war eingeleitet. Dabei entwickelten sich Japan und Rußland zu den Haupkonkurrenten. Japan machte schließlich das Rennen durch seinen Sieg über Rußland im Krieg von 1905; außerdem erkannten die USA Korea als japanisches Interessengebiet an im Austausch für Japans Anerkennung der US-Interessen an den Philippinen (zeitgleich: die Annexion von Kuba; siehe auch Guantánamo). Damit waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Fronten geklärt: Japan, Rußland, die USA - Korea.
Zunächst ein 'Protektorat', war Korea dann von 1910 an eine japanische Kolonie, d.h., anfangs Lieferant von Lebensmitteln, Rohstoffen, Arbeitskräften, später dann Gegenstand von Investitionen im Interesse Japans: im Norden in die Schwerindustrie, im Süden in die Landwirtschaft. Nach dem japanischen Überfall auf China 1937 wurde Korea völlig auf diesen Krieg ausgerichtet; hinzu kam der Versuch, die ethnische Identität der Koreaner auszulöschen (Japonisierung der Namen, Verbot der Sprache). Diese demütigende Fremdherrschaft brachte immer wieder Widerstand hervor, bürgerlichen , der weniger verankert war, und linken, der deutlich mehr Unterstützung fand.
Mit Japans Kapitulation am 15.8.45 erwarteten die Koreaner, endlich wieder Herr im eigenen Haus zu sein. Es wurde auch sofort mit dem Aufbau einer Verwaltung begonnen, die von linksgerichteten, nichtkommunistischen Volkskomitees getragen wurde. Sie bildeten zusammen mit bürgerlichen Kräften eine Koalitionsregierung, und am 6.9.45 wurde in Seoul die Republik ausgerufen. Das paßte allerdings gar nicht in die Pläne der Siegermächte SU (als Nachfolger Rußlands) und USA: Letztere beabsichtigten, Korea und Indochina unter alliierte 'Treuhand' zu stellen zwecks 'Vorbereitung auf die Unabhängigkeit', um so einen gewissen Einfluß sicherzustellen; erstere verlangte, daß die russische Position von vor 1905 wiederhergestellt würde. Obwohl die SU ganz Korea hätte besetzen können, hielt man auf Vorschlag der USA am 38. Breitengrad an, in der Hoffnung, sich so ein Mitspracherecht in Japan zu sichern.
War die Besetzung Koreas als solche schon den alleinigen Interessen der beiden Siegermächte geschuldet, so galt das erst recht für die nun folgende Besatzungspolitik: Die SU griff einige Punkte des Aktionsprogramms der koreanischen Koalitionsregierung auf und setzte ihre Leute in die entscheidenden Positionen der Volkskomitees; die USA beseitigten die Komitees, richteten eine Militärregierung ein und beließen einen Großteil des Personals aus der japanischen Kolonialzeit in der Verwaltung. (Die Parallelen zu Deutschland 1945 sind deutlich.)
Im Spätsommer 1948 gab es folglich nicht nur ein von außen beherrschtes Korea, wie schon öfters zuvor, sodern sogar zwei, die in unversöhnlichem Haß aufeinander gegeneinander in Stellung gebracht worden waren. Dieser gegenseitige Haß speist(e) sich nicht nur aus den gegensätzlichen politischen Anschauungen, sondern gewann seine volle Kraft aus der Vorstellung, die Koreaner auf der jeweils anderen Seite seien es, die einem einigen, unabhängigen Korea im Wege stünden, und wenn sie erst einmal vernichtet seien, könne Korea endlich wieder es selbst sein: Am Ende von Hunderten von Jahren von Einmischung in Korea feierte die politische Maxime des 'Teile und herrsche' einen wahren Triumph.
(Fortsetzung: Nordkorea: immer gut für eine Einmischung - Teil 3)
MichaelR
Michael R. - Gastautoren, Gesellschaft, Politik - 01. Juli 2009 - 00:02
Tags: korea/koreakrieg/nordkorea
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