Ehrenamt zwischen Engagement und Ausbeutung
Mit einem Punkt in der aktuellen Kundenzeitschrift der GEWOBAG "berlinerleben" Ausgabe 3/2010 hatte ich mich gerade beschäftigt. Hier ein weiterer Aspekt, der mir darin etwas unangenehm aufstößt. In dem Heft möchte die GEWOBAG für ehrenamtliches Engagement werben. Auf Seite 13 wird u.a. geschrieben: "... Freiwilliges und ehrenamtliches Engagement wird heute immer wichtiger ...." Und weiter: ".... Dabei geht es nicht nur um eventuell anstehende bauliche Maßnahmen, sondern auch um den sozialen und finanziellen Aspekt. Ehrenamtliches und freiwilliges Engagement im Sinne von Mitwirken und Mitgestalten wird daher immer wichtiger. ..... Ehrenamtliche können Kinder und Jugendliche bei den Hausaufgaben unterstützen, ihnen Nachhilfe geben, Selbsthilfegruppen gründen, Kiezfeste organisieren, älteren oder an Demenz erkrankten Menschen im Alltag helfen oder aber ihre eigene Idee verwirklichen. ...."
Ehrenamtliches Engagement ist eine tolle Sache, welches wir hier immer wieder unterstützen und dafür werben. Das aber auszunutzen, für eigenes Versagen von Politik und Unternehmen zu benutzen, gar als kostenlose Arbeitskräfte zu mißbrauchen, ist einfach nur mies und schäbig. Auch das hatte ich hier schon mal in einem anderen Zusammenhang geäußert. Nun fängt also ein großes Wohnungsunternehmen an, verstärkt dafür zu werben. Kommen morgen andere Konzerne dazu? Herr Ackermann von der Deutschen Bank vielleicht, der das doch bestimmt prima finden könnte? Ehrenamtliche könnten sicher viele Tätigkeiten übernehmen - das würde Kosten sparen und die Renditen erhöhen. Ach, und gar die Deutsche Bahn. Die hätte aber kürzlich Mengen von ehrenamtlichen Zugbegleitern als Luftzufächler bei ausgefallenen Klimaanlagen gebrauchen können.
"Ehrenamtliches Engagement ist eine ganz hervorragende Sache! Es beruht
auf Freiwilligkeit, dient einer Gesellschaft, genau wie auch dem Aktiven
selbst.
Es ist aber kein Notnagel für die Unfähigkeit und Wertelosigkeit der
Politik. Sie als Lückenbüßer auszunutzen ist schäbig und unanständig.
Ausgenutzt und einfach nur als kostenlose Arbeitskraft benutzt zu
werden, könnte auch vielen Ehrenamtlichen gründlich den Spaß an der
Sache verderben." - das hatte ich damals geschrieben und das wiederhole ich gern.
Was ich damit der GEWOBAG sagen möchte:
Ihr seid ein städtisches Wohnungunternehmen. Erledigt Eure Arbeit als
Wohnungsunternehmen zur Zufriedenheit der Mieter - das ist Eure
eigentliche Aufgabe. Sorgt für bezahlbare Mieten im Kiez und den Mietern
bleiben vielleicht ein paar Euro im Monat übrig, um Schülern ein
kleines Taschengeld für Hilfe im Haushalt zu zahlen. Das würde gewiss
beide Seiten freuen. Das nur mal als Beispiel. Vom Vermieter zum Teil bis an die finanzielle Grenze belastet zu werden und anschließend wird noch gebeten, in seinem Sinne und für ihn ehrenamtlich tätig zu werden - das ist absurd. Der Service für die
Mieter muß stimmen. Dazu gehört auch, daß Briefe in angemessener Zeit
beantwortet werden, und nicht erst nach Monaten oder auch schon mal gar
nicht. Das nur mal als Beispiel. Das alles wären hervorragende Taten, um
sich als verantwortungsbewußtes Wohnungsunternehmen für den Kiez und
die Menschen einzusetzen. Phrasen und schöne Worte sind dafür überhaupt
nicht nötig. "Miteinander & füreinander", so titelt ihr.
Das wird doch nicht nur einseitig in Richtung der zum ehrenamtlichen
Engagement angesprochenen Mieter gemeint sein, sondern auch die gesamte
GEWOBAG selbst mit einbeziehen - nicht wahr? Also eine echte Gemeinschaft von Vermieter und Mietern: "Miteinander & füreinander"? Na dann mal los .... Wunderbar!
Bis wir uns davon im Alltag restlos überzeugen können, wären die Mieter hier im Kiez schon überglücklich,
wenn die landeseigene GEWOBAG nur ihre eigentliche Aufgabe zur vollsten
Zufriedenheit ausüben würde. Ganz nebenbei, und auch nicht unwichtig,
würde genau das dem Unternehmen ehrliche Anerkennung und Ansehen
bringen.
Unterstützt und fördert ehrenamtliches Engagement auf faire Weise und in
der ganzen vorhandenen Breite in den jeweiligen Quartieren. Setzt Euch
ansonsten für die Menschen und für ein gute Arbeit im eigenen
Unternehmen ein. Die Mieter würden sich freuen und im Wohnquartier würde es sich positiv bemerkbar machen. Überlaßt es aber besser anderen, für freiwillige Helfer zu
werben und die Entscheidung für die Art des wünschenswerten Engagements
zu treffen. Also Personen, die erst gar nicht in den Verdacht kommen können, bei Vorschlägen zu sortieren - zum Eigennutz, Gefallen, Stillschweigen, politischem Wohlgefallen, nach welchen Kriterien auch immer. Als
Anlaufstellen für Engagement sind bestehende Gruppen und Initiativen in
den Kiezen bestens geeignet. Staatliche Stellen im Bezirk oder auf
Landesebene erfüllen diese Aufgabe ebenfalls - wenn auch gelegentlich
mit ähnlichen Vorbehalten (s.o.). An Hilfsorganisatioen wie z.B. das DRK und das THW kann sich sowieso jeder selbst wenden.
Eine schöne Gelegenheit sich umzuschauen, ist auch der Tag des Ehrenamts auf dem Klausenerplatz am 16. September 2010.
Dann möchte ich mir noch eine persönliche Bemerkung erlauben.
Es ist mir vollkommen bewußt, daß es für Sie als Leitung der GEWOBAG
kein leichtes Geschäft ist - insbesondere auch in Hinsicht auf die
Vorgaben und Entschlüsse einer, mit Verlaub, verlogenen Politik.
In
dem Artikel wird im Zusammenhang mit ehrenamtlichem Engagement auch der
Punkt erwähnt: .. weil sie der Gesellschaft etwas zurückgeben wollen ...
Sollte also beim Vorstand, den Geschäftsführern von GEWOBAG WB und
MB und der Leitung der Geschäftsstelle Charlottenburg das Bedürfnis
bestehen, den Mietern am Klausenerplatz nach Feierabend etwas
zurückgeben zu wollen, dann wissen Sie sicher, daß der Mieterbeirat
Klausenerplatz jederzeit die Räume des Mieterclubs für ein solches
ehrenamtliches Engagement zur Verfügung stellt. Der Mieterclub ist zwar
derzeit mit den unterschiedlichsten Gruppen ziemlich ausgebucht, es wird
sich aber bestimmt noch ein Termin finden lassen.
Damit kein
Mißverständnis aufkommt. Es steht selbstverständlich jedem ganz allein
zu, ob, wobei, und in welchem Umfang er sich engagiert. Es soll
lediglich ein Angebot sein.
- Gesellschaft, Kiez, Menschen im Kiez - 03. August 2010 - 00:02
Tags: berlin/charlottenburg/ehrenamt/gewobag/klausenerplatz/mieterbeirat/stadtentwicklung/wohnungsbaugesellschaft
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Wunderschön, maho, mir kamen die Tränen vor Lachen.