Enthüllung der Gedenktafel für Charlottenburger Gegner des Nationalsozialismus
Am Freitag, 8. April 2011 wurde die Gedenktafel für 71 Charlottenburger Gegner des Nationalsozialismus am Haus der Jugend Charlottenburg in der Zillestraße 54 enthüllt. Dr. Michael Roeder hatte dieses Gedenken initiiert und hier im Kiezer Weblog fortlaufend über den Weg von der Idee bis zur Realisierung berichtet. Dazu kamen Buchvorstellungen, geschichtliche Hintergründe, eine gelungene Zusammenarbeit mit Schulen, bis hin zu vier Portraits von Menschen aus "Unserer Straße". Personen, die dann auch an der Enthüllung teilnahmen: Frau Schwalm, Witwe des Schriftstellers Jan Petersen, Frau Brüning, Schriftstellerin und Zeitzeugin, Herr Meyer, Sohn von Fritz Meyer, einem der Geehrten, Frau Gumpel, Nichte von Fritz Kollosche, einem der Geehrten, und Herr Adam, dessen Familie 1933 in der Wallstraße wohnte.
Dr. Michael Roeder begrüßte die über 100 Teilnehmenden. Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen sprach für das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf. Die Hauptrede zur Enthüllung hielt der Historiker Dr. Wörmann. Neben den bereits genannten Verwandten der auf der Tafel geehrten Gegnern des Nationalsozialismus sprach auch Frau Weichert, Leiterin des Hauses der Jugend Charlottenburg. Eine Schülerin der Musikschule Charlottenburg-Wilmersdorf begleitete die Enthüllung musikalisch. Die Gedenktafel selbst wurde aus Spendenmitteln finanziert und mit Unterstützung des Aktiven Museums verwirklicht.
Es war eine gelungene und vor allen Dingen bewegende Veranstaltung, die zur Wachsamkeit mahnt. Michael hatte dazu mit seinen Berichten, umfassender Pressearbeit und vorbildlicher Einbindung von Schulen eine hochprofessionelle Vorarbeit geleistet.
Oben links, Herr Adam, dessen Familie 1933 in der Wallstraße wohnte
Oben rechts, Herr Meyer, Sohn von Fritz Meyer, einem der Geehrten
Mitte, Frau Brüning, Schriftstellerin und Zeitzeugin
Unten links, Frau Gumpel, Nichte von Fritz Kollosche, einem der Geehrten
Unten rechts, Frau Schwalm, Witwe des Schriftstellers Jan Petersen
Frau Dumke, Deutschlehrerin der Oppenheim-Schule mit Michael Roeder vor einem Projekt der Klasse 10c am Haus der Jugend Charlottenburg:
Im Anschluß an die Gedenktafelenthüllung führte das Theater Daktylus im Haus der Jugend "Stille Helden" auf, ein beeindruckendes Stück über die Verfolgung und Rettung von Juden in Deutschland, das fragt: Warum werden Menschen mutig? Eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern aus verschiedenen Schulen Berlins setzten sich mit den Schicksalen von verfolgten Juden und ihren Helfern und Rettern auseinander. Aus Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, mittels Recherchen in der Gedenkstätte Stille Helden, Informationen aus Büchern, Zeitschriften und dem Internet, sowie Reflexionen der Theaterleute entstand das Theater Feature. Es besteht aus einer Präsentation und einem Gespräch zwischen Publikum und Akteuren.
Dieses Projekt wird gefördert von der Stiftung Erinnerung Verantwortung Zukunft. Die Veranstaltung fand in Kooperation mit dem Jugendclubring Berlin e.V. und dem BA Charlottenburg-Wilmersdorf/Jugendamt statt.
Charlottenburger
Gegner des Nationalsozialismus
benannt; den heutigen Namen Zillestraße erhielt sie 1947.
Die Wallstraße und ihre Umgebung waren Anfang der 1930er Jahre ein Zentrum
des Arbeiterwiderstands gegen den Nationalsozialismus. Die Aktivsten waren
junge Leute, viele von ihnen arbeitslos durch die Weltwirtschaftskrise.
Als in der Nacht der Machtübernahme am 30. Januar 1933 der SA-Sturm 33 auch
durch diese Straße marschierte, stellte sich ihm eine große Zahl von Menschen
entgegen. Der SA-Sturmführer Maikowski und der Polizist Zauritz kamen durch
Schüsse ums Leben. Ein Täter wurde nicht ermittelt. Dennoch wurden 52 Gegner
des Nationalsozialismus, darunter vier Frauen, zu Haftstrafen verurteilt:
Peter Arend Martin Bieber Alfred Böning Marie Borchert Willi Borchert Werner Borowski Emil Braun
Johannes Chorazy Friedrich Collin Karl Dornick Franz Fleischer Tilli Fleschenberg Kurt Grothe Alfred Gruhle
Hans Hagemeyer Arthur Max Hanke Herbert Hellwig Paul Hübner Alfred Katzorke Friedrich Köhler Karl
Kramer Erich Kruk August Kupka Hermann Lange Willi Leder Willi Leese Fritz Meyer Hermann Mohr
Gerhard Mühler Richard Müller Heinz Nielbock Paul Plessow Gerhard Pohle Theodor Pohle Paul Preuss
Kurt Reese Friedrich Riemer Kurt Rossel Therese Rossel Kurt Ryberczik Max Schuckar Erich Schmidt Kurt
Schneider Hermann Schulze Erich Sieg Otto Steinmann Adolf Stellmacher Emma Suppli Hans Thonüs
Wilhelm Widder Heinrich Woithe Rudolf Wolff
Am 17. Februar 1933 trug ein SS-Mann bei gewaltsamen Auseinandersetz-
ungen zwischen Nationalsozialisten und Mitgliedern der Häuserschutzstaffeln
eine tödliche Verletzung davon. Begonnen hatte die Konfrontation in der Wall-
straße, der tödliche Schuss fiel an der Kreuzung Wilmersdorfer Straße und Schiller-
straße. Obwohl das Gericht keinen Täter identifizierte, wurde der Mord den
Kommunisten angelastet, von denen drei die Folter in der SA-Haft nicht über-
lebten. 15 Personen erhielten teils hohe Haftstrafen – Richard Hüttig wurde sogar
zum Tode verurteilt:
Herbert Carius Walter Drescher Heinz Duch Paul Fischer Willi Hesse Kurt Hundsdörfer Richard Hüttig
Fritz Kollosche Kurt Konscholke Bruno Krumpholz Martin Michallak Willi Miether Rudolf Mosemann
Alfred Rabenow Arthur Schäfer Willi Schwarzat Marian Szelag Paul Voß Werner Zimmermann Paul Zweig
- Geschichte, Menschen im Kiez - 11. April 2011 - 00:02
Tags: charlottenburg/gedenktafel/nationalsozialismus/widerstand
drei Kommentare
Nr. 3, maho, 05.02.2013 - 21:27 Herr R. wird sich bei Ihnen melden. Mit herzlichen Grüßen vom Klausenerplatz |
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Seit wenigen Tagen gibt es ein Gesamtverzeichnis der Berliner Gedenktafeln:
“Die neue Internetseite http://www.gedenktafeln-in-berlin.de bietet erstmals die Möglichkeit, sich umfassend über alle Gedenktafeln in Berlin zu informieren.”
http://www.berlin.de/sen/kultur/presse/a..
Diese Tafel in der Zillestraße ist dort zu finden unter: http://www.gedenktafeln-in-berlin.de/nc/..