Wohnen in Berlin
Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten
oder
Robin Hood lebt!
Wir hatten im Oktober 2012 zuletzt von ersten Erfahrungen zum Mieterhöhungsverlangen nach §558 BGB berichtet. Ein Punkt, der zumindest für die GEWOBAG-Mieter bei uns im Kiez unter den vorher üblichen realen Bedingungen ein, wenn auch kleiner, Fortschritt ist. Andere Bestandteile der Vereinbarung zwischen dem Berliner Senat und den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sind dagegen reine Augenwischerei. Der Berliner Mieterverein hat das deutlich zusammengefaßt:
Im Kern des Bündnisses, der Mietenpolitik, erfülle das Bündnis nicht die Erwartungen an eine soziale Wohnungspolitik. Der Berliner Mieterverein zeigte sich heute maßlos enttäuscht.
Insbesondere die Koppelung der Mieterhöhungen an das Haushaltsnettoeinkommen werde nicht zu einer Entlastung der Berliner Mieter führen. In den Genuss der Beschränkung kommen nur Haushalte mit geringem Einkommen. Denen aber würden nach Berechnungen des Mietervereins Quadratmetermieten zwischen 6 Euro (1-Personen-Haushalte) und 8 Euro (4-Personen-Haushalt) nettokalt im Monat bei Zugrundelegung der Wohnflächenhöchstgrenze zugemutet, bevor die Beschränkung der Mieterhöhung überhaupt greife. Diese Mieten liegen aber deutlich über den laut Mietspiegel gezahlten Mieten in bestehenden Mietverhältnissen.
Die Regelung im Bündnis bedeute auch, dass den Mietern eine Bruttokaltmietenbelastung von 36 bis 37 Prozent (Berliner Durchschnitt: ca. 24 Prozent) und eine Warmmietenbelastung von 42 bis 45 Prozent zugemutet wird. Die 30-Prozent-Kappung von der Nettokaltmiete sei reine "Augenwischerei". Der Berliner Mieterverein verlangt eine Nachbesserung durch den Bezug auf die Bruttokaltmiete. "Es ist vollkommen unverständlich, warum Haushalte mit niedrigem Einkommen bei städtischen Wohnungsunternehmen eine deutlich höhere Mietbelastung ertragen sollen als der Berliner Durchschnitt", kritisiert Wild.
Auch die Neuvermietungsregelung sei unbefriedigend, weil die Miethöhebindung extrem schwammig sei. "Wenn 65 bis 70 Prozent der Berliner Haushalte von Ihrem Einkommen her einen Wohnberechtigungsschein erhalten könnten, dann ist nicht einzusehen, warum die städtischen Wohnungsunternehmen nur weniger als jede zweite freie Wohnung an diesen Kreis, der doch die breiten Schichten der Bevölkerung darstellt, vermieten sollen", so Wild.
Quelle: Berliner Mieterverein - Pressemitteilung Nr. 16/12 vom 4.9.2012
Andere Punkte wiederum müssen erst noch in der Praxis bestätigt werden (z.B. Wohnungstausch, keine Verdrängung von Bestandsmietern, usw.). Dazu fehlen uns bisher Erfahrungswerte. Das betrifft insbesondere die Zusage, daß niemand aus dem Kiez wegziehen muß, weil er seine Miete nicht mehr bezahlen kann. Gerade diese Vereinbarung dürfte speziell bei den nächsten Modernisierungsvorhaben interessant werden.
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Das Bündnis wird dazu beitragen, dass die Mieterinnen und Mieter bei den sechs städtischen Wohnungsunternehmen gut, sicher und preiswert wohnen. "Gut", weil die Unternehmen ihre Anstrengungen zur Modernisierung und Instandhaltung der Wohngebäude des Wohnumfeldes und zur Einsparung von Energie intensivieren werden; "sicher", weil kein Mieter aus seiner Wohnung verdrängt werden wird und "preiswert", weil die Mieterhöhungen im Durchschnitt bei einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft geringer ausfallen werden als auf dem übrigen Berliner Wohnungsmarkt.
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Soziale Verantwortung: Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften achten darauf, insbesondere für die Berliner und Berlinerinnen, die am wirtschaftlichen Aufschwung nicht teilhaben können oder sogar von Obdachlosigkeit bedroht sind, bezahlbaren Wohnraum bereitzustellen. Eine generelle Entlastung aller Mieter (also auch von Haushalten mit höheren Einkommen) ist hingegen nicht intendiert.
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Quelle: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung - Broschüre "Bündnis für bezahlbare Mieten"
Einen Blick auf das tatsächliche Geschehen bei Modernisierung und Neuvermietung hat der rbb in der Sendung Klartext "Berliner Mietenbündnis - zu viel versprochen, zu wenig gehalten" am 16.01.2013 geworfen. Der Gentrification Blog hat sich bereits damit beschäftigt.
Stadtentwicklungssenator Michael Müller bezeichnete darin dieses Vorgehen als eine wirtschaftlich nötige "Mischkalkulation":
„....Da wo neu gebaut wird oder wo neu vermietet wird, wissen die Mieterinnen und Mieter auch auf welchen Vertrag sie sich einlassen. Wichtig ist uns aber natürlich auch ganz besonders der Bestand, da wollen wir niemanden durch Mieterhöhung verdrängen.“
Quelle: rbb-Klartext vom 16.01.2013
Einige, bisher nicht öffentlich bekannte, hochinteressante Aspekte haben wir bei einem Treffen am 25.09.2012 im Abgeordnetenhaus erfahren. Daran nahmen auch Vorstände von landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften teil: Jörg Franzen vom Vorstand der GESOBAU und Frank Bielka vom Vorstand der Degewo.
Herr Franzen teilte dort klar und eindeutig mit, daß das Bündnis für bezahlbare Mieten ihre eigene Idee, also eine der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften selbst, war und nicht etwa auf einem Vorhaben des Senats oder gar der SPD beruht. Sie, die Gesellschaften, haben den Senat zu diesem Bündnis veranlaßt.
Sie wollten gerne wie Robin Hood sein. Sie kennen sicher die Geschichte von Robin Hood: er nahm es den Reichen und gab es den Armen.
Hinter dem, was der Stadtentwicklungssenator so banal als eine "Mischkalkulation" bezeichnet - mal abgesehen davon, daß er und seine SPD das Mietenbündnis offensichtlich fälschlicherweise als ihre Initiative verkaufen - steckt also weit mehr. Nämlich die stolze Geschichte von Robin Hood, die gerade wiederbelebt wurde.
Also: Robin Hood lebt!
- Gesellschaft, Menschen im Kiez, Politik - 22. Januar 2013 - 00:02
Tags: gentrifizierung/mieten/sanierungsvorhaben/verdrängung/wohnen
zwei Kommentare
Nr. 2, Gerald, 24.01.2013 - 20:17 Als Mieter bist du nur, störende, Manövriermasse http://www.neues-deutschland.de/artikel/.. |
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Die Rechnung geht für sie immer auf. Je mehr Altmieter nach Sanierung verschwinden, desto zahlreicher können überproportional erhöhte Neumieten genommen werden.
Ob das im Sinne Robin Hoods ist, darf beruhigt unter die Rubrik Märchen fallen.