Will das politische Führungspersonal des Bezirks die Einwohnerfragen aushebeln? – Teil 2
Anläßlich der 9. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Geschäftsordnung am 16.12.2013
Nun sah sich also das politische Führungspersonal unseres Bezirks in Form der BVV-Vorsteherin (CDU) erstmals genötigt, zum schärfsten bürokratischen Mittel zu greifen, indem sie mithilfe von § 47 Abs. III Geschäftsordnung Einwohnerfragen für die Dezember-BVV zurückwies, indem sie behauptete, die Fragen seien zu differenziert und würden ihren Kollegen vom Bezirksamt zuviel Arbeit machen (1).
Unter den drei Fragen war auch eine, die sich an die BVV-Vorsteherin selbst richtete (es geht um ihr hinderliches Verhalten als Vorsitzende der Gedenktafelkommission bei der Errichtung einer Gedenktafel für einen jugendlichen Deserteur), und zwar schon zum dritten Mal: Zweimal hatte sie auf dieselbe Frage im Oktober (4. Einwohnerfrage) und November (1. Einwohnerfrage) zwar „geantwortet“, aber völlig inhaltsleer, wie man jederzeit nachprüfen kann, weswegen die Frage ein drittes Mal kam. Aber offenbar gefiel sie ihr immer noch so wenig, daß sie jetzt sogar bereit war, sich selbst der zweimaligen Begehung von Unrecht zu bezichtigten (2), weil sie nicht von Anfang an die Frage untersagt hatte, und unterband sie diesmal.
Frau Stückler steht damit nicht allein. Schon im Mai 2013 hatte sich Bezirksbürgermeister Naumann (SPD) über die Einschränkung der Einwohnerfragen Gedanken gemacht. Bei ihm ging es darum, die schriftliche Form der Antworten einzuschränken (3).
Wozu Einwohnerfragen führen können
Einwohnerfragen können lästig sein. Sie bringen das politische Führungspersonal unseres Bezirks gelegentlich unter Erklärungszwang, lüften da und dort ein bißchen den Schleier der Geheimhaltung, stören auch schon einmal Geschäfte mit langjährigen Partnern und verleiten sogar zu Rachegelüsten. Einige wenige Beispiele:
- Kleingartenkolonie Oeynhausen Die Kleingärtner können viele Fragen nur hier stellen und in der einen oder anderen Weise beantwortet bekommen, denn sie sind als „Unterpächter“ keine „Verfahrensbeteiligten“ und kommen verwaltungslogischerweise nicht für „vertiefende Rechtsgesprächen“ (4) infrage (dagegen natürlich der Käufer des Grundstücks, der die Kleingärtner loswerden will, wovor wiederum das Bezirksamt sie angeblich schützen will, indem es sie möglichst vom Informationsfluß ausschließt? – Schämt sich denn niemand im Bezirksamt für solches Kasperletheater?).
Störungen der normalen politischen Geschäfte können sogar zu Rageanfällen mit nachfolgenden Rachegelüsten führen:
"Interessant ist zudem, dass die Fragestellung in Teilfrage 3 ohne sehr genaue Aktenkenntnis auch der aktuellen Unterlagen nicht möglich gewesen ist. Da aber die Fragestellerin keine Akteneinsicht hierzu genommen hat, bleibt die Frage, wie diese Informationen Frau … erreicht haben. Das Bezirksamt wird dieser Fragestellung nachgehen, da ein Bruch der Vertraulichkeit von anderen, die Akteneinsicht genommen haben, nicht ausgeschlossen werden kann.“
Dabei hatte Stadtrat Schulte (SPD) vergessen, daß er selbst die Fragerin über den Sachverhalt informiert hat, aber er wies schon mal den Weg: Umgang zwischen dem Bürger und seinem politischen Führungspersonal gegebenenfalls via Gericht (übrigens: Hat er sich schon wegen Verstoßes gegen § 353b StGB - Verletzung des Dienstgeheimnisses - angezeigt?).
(Oktober 2013, 6. Einwohnerfrage, zu 1. bis 4.)
- „Ökokiez“ Stadträtin Jantzen (Grüne Partei) wurde erst durch verschiedene Fragen und deren Echo beim Geldgeber Projektträger Jülich dazu veranlaßt, die Stelle des Klimaschutzmanagers nicht einem langjährigen Geschäftspartner vor Ort direkt anzuvertrauen, sondern sie erst einmal ordnungsgemäß auszuschreiben, was sie beklagte:
„Nach Rückkoppelung mit dem für die Abwicklung des Förderprogramms zuständigen Projektträger, scheidet die Ansiedlung [des Klimaschutzmanagers] bei einem [privaten] Träger aus. Das langwierige Stellenbesetzungsprozedere ist damit nun unvermeidlich.“
Unvergessen ist auch die Antwort von Stadtrat Schulte wegen der sehr ungleichen Verteilung von Steuer- und anderen Geldern im Bezirk:
(August 2012, 5. Einwohnerfrage, zu 2. und 3.)
„Es ist schlicht und einfach nicht möglich, sich um alle Bereiche im Bezirk gleichermaßen intensiv zu bemühen. Deswegen sollten aber meiner Ansicht nach pilothafte Projekte wie am Klausenerplatz nicht unterbleiben.“
(August 2013, 7. Einwohnerfrage, zu 4.)
Es gibt mehrere Methoden, das Einwohnerfragerecht (§ 47 GO) zu beeinträchtigen:
- Zwar sind „Mitglieder des Bezirksamtes zur Beantwortung der Fragen verpflichtet“ (Absatz I), aber weder der Bürgermeister noch die BVV hindern sie daran, das unvollständig oder schlampig zu tun, mit dem Hinweis auf zuviel Arbeit abzulehnen oder wochenlang auf eine Antwort warten zu lassen. Dabei ist dies doch eine zentrale Möglichkeit für die Bürger, ihrem politischen Führungspersonal ein bißchen auf die Finger zu schauen. Und das ist dringend nötig, solange Bezirkspolitiker aller Couleur nicht offen und ehrlich mit den Bürgern umgehen.
- Das ist im übrigen auch eine Aufgabe der BVV: „Die Bezirksverordnetenversammlung […] kontrolliert die Führung der Geschäfte des Bezirksamts“, heißt es dazu in § 12 des Bezirksverwaltungsgesetzes.
Stattdessen machte sich die Grüne Partei auf der Sitzung des Geschäftsordnungsausschuß am 16. Dezember Gedanken darüber, ob man die jetzige Regelung, nach der fünf Fragen je Fragethema gestellt werden können (Absatz III), nicht auf drei Fragen reduzieren – das würde dem Bürger doch wohl genügen, um seine Wißbegier zu stillen – oder die Abgabefrist der Fragen von jetzt drei Tagen vor der BVV-Sitzung auf 9 Tage verlängern sollte, um das Bezirksamt zu entlasten. Pikanterweise beklagten in diesem Zusammenhang einige unserer Verordneten – die doch laut Gesetz selbst zur Kontrolle verpflichtet sind! –, daß die Fragen an das Bezirksamt in der letzten Zeit arg zugenommen hätten und dort mächtig Arbeit machten. Kennen sie also nicht ihren Kontrollauftrag? Wohl eher: Warum sollten man just von Verordneten der CDU, SPD und Grünen Partei erwarten, daß sie ihre eigenen Leute im Bezirksamt kontrollieren? Da ist ein bißchen Schützenhilfe angesagt, ist doch menschlich. Und die Bürger: Weil man da nicht immer auf Einsicht hoffen kann, müssen ihre Möglichkeiten ein bißchen beschränkt werden.
Man einigte sich also darauf, es zwar bei fünf Fragen zu belassen, aber 9 Tage zuvor. (5)
- „Im Rahmen der Einwohnerfragestunde besteht [für den anwesenden Frager] Anspruch auf eine zusätzliche schriftliche Stellungnahme“, heißt es in Absatz IV. An der öffentlichen Schriftform der Antwort versuchte nicht nur im Mai der Bürgermeister zu drehen (siehe oben), sondern erneut auch der Geschäftsordnungsausschuß auf seiner Sitzung am 16. Dezember. Dabei ist diese Form der Dokumentation von besonderer demokratischer Bedeutung, denn sie gibt den Fragenden und der Öffentlichkeit eine feste Grundlage, auf die man sich beziehen und die man zitieren kann. Es wurde nun erwogen, zurückzukehren zu den Zeiten, als dem Frager eine CD zugänglich gemacht wurde (Hörprotokoll), aus dem man sich dann mühevoll die Antwort heraushören und selbst abschreiben mußte.
Nach einer kleinen Sitzungspause wurde überraschend eine Kehrtwende gemacht, so daß es erst einmal bei der jetzigen Regelung bleibt („abschriftliche Überlassung des Wortlauts der Beantwortung“).
Wie verhindere ich Beschlüsse gegen die Bürger am besten?
Unter der anwesenden Öffentlichkeit herrschte die Meinung vor, daß ohne die fünf teilnehmenden Bürger es wohl so gekommen wäre, wie es unsere Verordneten offenbar geplant hatten: nur noch drei Einwohnerfragen je Thema, 9 Tage im voraus abzugeben und die Antworten selbst abzuschreiben.
MichaelR
(1) Frau Stückler kritisiert an der Frage zum Thema Zentralbibliothek, „... dass mehrere unterschiedliche Fragen (Auswirkungen einer Verkleinerung des Medienbestands sowie einer Personalreduzierung in der Dietrich-Bonhoeffer-Bibliothek) aufgeworfen werden, die das Bezirksamt zu umfangreichen unterschiedlichen Prüfungen einer Beantwortung bringen würden.“ (4. Abs. der „Begründung“) Abgesehen davon, daß diese Konsequenzen schon längst „geprüft“ und nur noch nicht veröffentlicht worden sein werden und daß es überhaupt nicht ihre Aufgabe ist, Fragen daraufhin zu prüfen, ob sie der Verwaltung Arbeit machen: Hat umgekehrt die BVV-Vorsteherin denn jemals fragende Bürger vor Antworten ihrer Kollegen im Bezirksamt geschützt, indem sie prüfte, ob diese schlampig, unzureichend oder schwer verspätet waren?
(2) Auf die früheren Antworten „können Sie sich jedoch nicht erfolgreich berufen, weil die vorgelegte Einwohnerfrage in dieser Form den Voraussetzungen nicht entspricht. Eine Gleichbehandlung im Unrecht kann keine andere Entscheidung rechtfertigen.“ (3. Abs. der „Begründung“)
(3) „... wird regelmäßig eine schriftliche Beantwortung der Fragen erforderlich, die zu einem eigentlich unnötigen erheblichen Arbeitsmehraufwand führt.“ (zitiert nach „Will das Bezirksamt die Einwohnerfragen aushebeln?“)
(4) siehe hier unter „Antwort Bezirk vom 24.10.2013“
(5) Allerdings: Sich selbst räumen sie weiterhin die Dreitagesfrist für ihre „mündlichen Anfragen“ (§ 42 Abs. I GO) ein; und es dürfen sogar in der Sitzung „spontane Anfragen“ (§ 43) gestellt werden.
MichaelR - Gastautoren, Politik - 19. Dezember 2013 - 00:02
Tags: bezirksamt/bvv/bürgerbeteiligung/bürgerfragen/einwohnerfragen/mitbestimmung
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