Die Rolle der Kleingartenkolonie „Bundesallee‟ beim Klimawandel
Der letzte Besuch ist schon vier Jahre her, im August 2015 – zu einer Zeit, als die Auseinandersetzung zwischen dem Erhalt von Grün zugunsten aller Bürger und dem Bau von Wohnungen für das obere Preissegment in der über 100jährigen und wesentlich größeren Kleingartenkolonie Oeynhausen für die Bürger allmählich verlorenging.
Einige Beobachtungen vor Ort
Diesmal war Anlaß für den Besuch das Sommerfest am 15. Juni. Zu sehen, hören und fühlen war: Die 2013 selbstgebaute Rampe am Zugang ermöglichte es mehreren gehbehinderten Bewohnern des nahegelegenen Bockelmann-Hauses, an dem Fest teilzunehmen. In den Körben an verschiedenen Gartentoren lag Obst zum Mitnehmen. Die Zahl der Kinder hat weiter zugenommen; im hinteren Teil des Geländes sind für sie zwei Hochbeete eingerichtet. Für die 21 Parzellen gibt es eine Warteliste mit fünfzehn Interessenten. Das sind Menschen, die bereit sind, Arbeit in ihr Grundstück zu stecken und damit gleichzeitig einen Beitrag für die Pflege einer öffentlichen Grünanlagen zu leisten, denn der Zugang ist Tag und Nacht offen. Beim Fortgehen war zu spüren, wie die sommerliche Temperatur im angrenzenden Wilmersdorfer Volkspark fühlbar über der in der Kolonie lag.
Kleingärten und Stadtklima
Wie kommt es, daß es sich dort kühler anfühlte als im Volkspark nebenan – beide sind doch grün? Die Antwort darauf gibt eine Studie von vier Studentinnen der TU (Masterstudiengang Stadtökologie) von Juni 2019 mit dem Titel „Wie kühl sind Kleingärten?‟. Dazu wurde in 10-Minuten-Abständen die Lufttemperatur in 13 Kleingartenkolonien (darunter auch in dieser), im Tiergarten und auf dem Tempelhofer Feld sowie in mehreren dichtbebauten Straßen gemessen. Das Ergebnis: die nächtlichen Temperaturen waren in allen Kolonien niedriger als in den Straßen, in 11 Kolonien niedriger als auf dem Tempelhofer Feld und in 10 niedriger als im Tiergarten. Die Studentinnen erklären die beiden letzteren Ergebnisse so: Im Tiergarten staut sich die tagsüber aufgenommene Wärme unter den hohen Bäumen – die sind in Kleingärten eher selten –, und das Tempelhofer Feld hat verglichen mit den Kleingärten eine weniger dichte und vielseitige Bepflanzung und außerdem asphaltierte Flächen. Hinzu kommt grundsätzlich, daß in Kleingärten durch die stärkere Wässerung mehr Verdunstung stattfindet und damit eine größere Abkühlung der Umgebung. Schließlich stellten die Studentinnen durch ihre Messungen fest, daß die Größe einer Kolonie kein entscheidender Faktor ist, d.h. daß selbst eine kleine Kolonie wie hier an der Bundesallee zur Abkühlung des Stadtklimas beiträgt.
Wie erhaltenswert ist die Kleingartenkolonie Bundesallee in Zeiten des Klimawandels?
Die fortschreitende Verstädterung – im Land Berlin noch verschärft durch das Bauleitbild der „kompakten Stadt‟, also massive „Verdichtung‟ insbesondere in der Innenstadt – und die durch den Klimawandel bedingten steigenden Lufttemperaturen haben negative Folgen, unter anderem für die Gesundheit und das Wohlbefinden aller Stadtbewohner. „Daher ist die Förderung des Kleingartenwesens eine wichtige gesundheitspolitische Aufgabe des Landes Berlin‟, stellte schon vor mindestens vier Jahren die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz fest.
Daher ist rational nicht verständlich, warum gleichzeitig der Stadtentwicklungsplan StEP 2025 der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom Juli 2014 vorsieht, daß 40 Kleingartenkolonien zugunsten von Wohnungsbau beseitigt werden sollen (siehe „Liste der für Wohnungsbau vorgesehenen Kleingartenanlagen‟, ab S. 114), davon 10 in unserem Bezirk, darunter die landeseigene „Bundesallee‟. 23 der 40 Kolonien würde diese Senatsverwaltung gern bis 2025 bebaut sehen, auch diese hier. Die Zustimmung ihrer Pächter damals im Jahr 1970, 61 % der 1946 gegründeten Kolonie freiwillig für das Bockelmann-Haus abzugeben, um den Rest dauerhaft zu sichern, ist also eine geplatzte Hoffnung.
Der Kleingartenentwicklungsplan KEP 2030, der zur Zeit in Arbeit ist und in der zweiten Jahreshälfte 2019 verabschiedet werden soll, bringt für „Bundesallee‟ ein bißchen Erleichterung – die Kleingartenkolonie befindet sich nunmehr auf der „Liste der landeseigenen Kleingartenanlagen bzw. Teilflächen, die bis 2030 geschützt werden sollen‟.*
Hinzu kommt noch: Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf ist nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung der je Einwohner am schlechtesten mit öffentlichen, wohnungsnahen Grünanlagen versorgte Bezirk (Tabelle 2 auf S. 7): In keinem Bezirk ist die Anzahl der Einwohner in der Kategorie „versorgt‟ so gering (20 %), in keinem in der Kategorie „nicht versorgt‟ so hoch (38 %; Landesdurchschnitt 22 %).
Verhältnis StEP – KEP und notwendige Folgerungen
Die Stadtenwicklungsplanung wurde für die Langfristplanung vom Senat ins Leben gerufen. Neben den Schwerpunkten Wohnen, Industrie, Gewerbe, Einzelhandel und Verkehr gibt es auch den für Kleingärten relevanten StEP Klima. Dieser stellt unmißverständlich klar, dass der Klimawandel ganz besonders in den Städten zu spüren sein wird. U.a. stellt er fest, daß „die Zahl heißer Tage und Nächte zunimmt, Hitzeperioden häufiger und heißer werden und länger dauern‟. Angesichts dieser Prognosen wirken die empfohlenen Maßnahmen geradezu hilflos. So sollen „Fassaden und befestigte Flächen durch die Wahl gering wärmeleitender Materialien und heller Farben Wärme zurückstrahlen”. Oder es sollen „Stadtbäume erhalten” bleiben – an sich eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen … Über die Rolle der Kleingärten für das Stadtklima sagt der StEP Klima aber ebensowenig aus wie zu deren sensibler und schützenswerter Flora und Fauna. Diesen Mangel erkannte wohl auch die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz und rief den Kleingartenentwicklungsplan ins Leben und macht hierin zumindest deutlich, daß die „Berliner Kleingärten wesentlicher Bestandteil des Stadtgrüns sind und eine historisch gewachsene, kulturelle, ökologische und soziale Ressource” bilden.
Erst allmählich beginnt man zu begreifen, welch hohen Stellenwert Kleingärten für das Stadtklima haben. Wie in der anfangs erwähnten Studie der vier Studentinnen sind Kleingärten für den Kampf gegen ein sich immer weiter verschlechterndes urbanes Klima die am besten geeignete Antwort. „Hoffentlich begreifen unsere Entscheidungsträge dies – noch bevor weitere Kleingärten unwiederbringlich vernichtet und versiegelt sind!” (Sky Imbschweiler, Vorstand Kleingartenkolonie Bundesallee, auf dem Sommerfest 2019)
MichaelR mit freundlicher Unterstützung von kleingärtnerischer Seite
*Siehe dazu auch die Karte „Kleingartenentwicklungsplan 2030 Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf‟.
MichaelR - Gastautoren, Gesellschaft - 05. Juli 2019 - 00:36
Tags: kleingartenkolonie/kleingärten/klima/klimaschutz
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umso wichtiger,dass die 300Kleingärtner im WestkreuzAreal überleben.Daß
sie weder den Immobilienhaien anheim fallen,noch grünen spielereien eines eventparkes a la Gleisdreieck weichen müssen.
s.a.https://westkreuzpark.de/