Der heimliche „Ökokiez“-Klimaschutzmanager
Manche werden sich noch schwach daran erinnern: Es gab da einmal das sagenhaft dringende Verlangen eines ganzen Kiezes von gut und gerne 9.000 Einwohnern auf ½ km² nach mehr Ökologisierung desselben, und ein dort ansässiger Bürgerverein griff sogleich dieses Verlangen seiner Mitbürger auf, gab ihm den Markennamen „Ökokiez“ und gewann die ihm sehr nahe stehenden Stadtoberen dafür, daraus einen Modellfall für die restlichen 99 % des Bezirkes zu machen, da bekanntlich das knappe Geld aus den Taschen aller Steuerzahler nicht für alle Steuerzahler reicht (1).
„Die Bewohner können entscheiden“
Und die Stadtoberen traten in Gestalt der Umweltstadträtin vor die Bürger und sprachen:
„Es wird nichts getan, was die Leute aus dem Kiez nicht wollen. Alle Maßnahmen werden öffentlich diskutiert, die Bewohner können darüber entscheiden.“ (Stadträtin Schmiedhofer, Grüne Partei, Berliner Zeitung 28.12.10)
Und so geschah es denn auch: Eine erste Bürgerversammlung fand am 9.3.2011 statt. Aber irgendwie schien sie unharmonisch verlaufen zu sein, ganz im Gegensatz zur zweiten öffentlichen Veranstaltung des Bezirksamtes am 30.3.2011, die schon „einen wesentlich konstruktiveren Charakter als die erste Veranstaltung“ (S. 64) hatte. Erst recht traf dies auf die dritte zu, einen „Expertenworkshop“ am 12./13.9.2011, dessen Nichtöffentlichkeit „der Kalkulierbarkeit der Leute“ geschuldet war – endlich konnten nicht irgendwelche Menschen einfach „mal reinschauen" (Graf zu Lynar, Januar 2012). Und die alles krönende vierte Versammlung, diesmal wieder mit Bürgerbeteiligung, fand dann am 29.2.2012 statt, wo immerhin 19 von 70 Anwesenden (= ein gutes Viertel der Teilnehmer bzw. 2 ‰ der Anwohner des Viertels) es für sinnvoll hielten, sich einen Klimaschutzmanager zuzulegen. Die jetztige Umweltstadträtin, Frau Jantzen (Grüne Partei) nahm dieses Abstimmungsergebnis zum Anlaß, um die märchenhafte Ankündigung ihrer Vorgängerin von wegen „die Bewohner können darüber entscheiden“ zurechtzurücken:
„Im Übrigen ging es bei der Herstellung eines Meinungsbildes nicht um die (nachträgliche) Legitimation einer vom Bezirksamt getroffenen Entscheidung, sondern um ein Stimmungsbild zu den vielen Einzelmaßnahmen, welche in dem Kreis der Anwesenden als besonders wichtig eingeschätzt werden.“ (März 2012, 3. Einwohnerfrage/zu 4.)
Gute Gründe, warum die Bürger nichts zu wissen brauchen
Seitdem hat man vom Bezirksamt (SPD, CDU, Grüne Partei) nichts mehr gehört – zumindestens nicht freiwillig, denn seitdem schweigt die Bezirksamts-„Ökokiez“-Seite. Dafür entwickelte besagte Stadträtin einige Phantasie, um auf Einwohnerfragen hin zu erklären, warum sie schweigt: Auf die Frage, warum das Bezirksamt nicht über den Antrag auf Förderungsgelder für einen Klimaschutzmanager (abgeschickt 27.3.2012) berichtet hat – eine Maßnahme, ohne die es diesen nicht geben würde und folglich auch nicht den „Ökokiez“ –, schrieb sie:
„Das Bezirksamt orientiert sich bei seiner Öffentlichkeitsarbeit an dem Informationsbedürfnis bzw. Interesse weiterer Bevölkerungskreise, nicht an den sehr spezifischen und detaillierten Interessen einzelner Bürger/innen. Das Bezirksamt wird auf der genannten Seite Aktualisierungen vornehmen, wenn es Entwicklungen gibt, die von allgemeinem Interesse sind.“ (Mai 2012, 2. Einwohnerfrage/zu 1.) Konsequenterweise haben Bezirksamt, Stadträtin Jantzen und Umweltamtsleiter Graf zu Lynar bis heute die Öffentlichkeit nie auf ihrer Sonderseite über diesen Förderantrag informiert.
Es ist völlig amtslogisch, daß das Volk auch nicht über die Bewilligung des Antrages (eingegangen am 22.10.2013) informiert wurde. Auch hierfür hat Frau Jantzen eine Erklärung:
„Über den Bescheid wurde auf der Sitzung des Runden Tisches Klimaschutz am 22.10.2013 und im Ausschuss für Umwelt und Naturschutz am 08.11.2013 informiert. Eine Information über den Bescheid im Internet ist nicht vorgesehen, weil es sich aus Sicht des Bezirksamtes (2) um eine formale Grundlage für die Besetzung einer Beschäftigungsposition handelt.“ (November 2013, 9. Einwohnerfrage/zu 1.).
Also auch keine Information der Bürger. Warum auch? Zu entscheiden haben sie eh nicht, warum sollen sie dann von etwas wissen, das ihnen doch so auf den Nägeln brennt?
Zwar wurde auf der „Ökokiez“-Seite die Ausschreibung für den Klimaschutzmanager erwähnt, wenn auch erst ab dem 7. November, also mit vollen zwei Wochen Verspätung; aber seit Ablauf der Bewerbungsfrist am 29. November ist sie für die Öffentlichkeit nirgendwo mehr nachlesbar, weil gelöscht. (Wer sie trotzdem nachlesen will, findet sie im Anhang.) Kurz gesagt, es gibt über den gesamten Vorgang keinerlei Spuren in der Öffentlichkeit (mehr).
Aber warum nur so geheim?
Natürlich fragt man sich, warum Bezirksamt, Stadträtin Jantzen und Umweltamtsleiter Graf zu Lynar sich über dieses so freudige Ereignis so sehr in Schweigen hüllen. Vielleicht könnte dies hier einen Hinweis liefern? Im Integrierten Kommunalen Klimaschutzkonzept (IKSK) heißt es nämlich auf S. 66:
„Um ggf. weitere Vorbehalte bezüglich des lokalen Klimaschutzes (vor allem die energetische Sanierung von Wohngebäuden) abzubauen, ist eine kontinuierliche und strategische Öffentlichkeitsarbeit erforderlich (Allgemeine Aufgabe 4: Kommunikationsstrategie Ökokiez 2020) und eine Identifikation mit dem Projekt herbeizuführen ( Allgemeine Aufgabe 5: Ökokiez als Marke).“ (3)
Auf deutsch: Die Begeisterung ist alles andere als groß; es ist mit Widerspruch zu rechnen. Und dafür ist dieser Klimaschutzmanager erst einmal da: für die Beseitigung von Ablehnung, um stattdessen für „eine Verknüpfung mit Gefühlen wie Lust, Freude und Spaß“ (IKSK, S. 77) zu sorgen. Daher gehören zu den Anforderungen an ihn laut Ausschreibung:
- „Unabdingbar sind Kenntnisse im Bereich der Betroffenenbeteiligung.“
- „Ebenfalls unabdingbar sind Erfahrungen in der Öffentlichkeitsarbeit, in der Moderation von Interessenausgleichsverfahren und der Steuerung von Partizipationsprozessen sowie Kenntnisse von Mediationstechniken.“
- „Sehr wichtig sind eine hohe Belastbarkeit … sowie sicheres Auftreten in Konfliktsituationen.“
- „Sehr wichtig sind ebenfalls ein gutes Kommunikationsverhalten, Verhandlungsgeschick und Durchsetzungsvermögen, ein gutes Informationsverhalten sowie eine überzeugende Moderationskompetenz und Präsentationsfähigkeit.“
Könnte das also der Grund sein: Die Anwohner wollen den „Ökokiez“ eigentlich nicht, also beschafft sich das Bezirksamt auf Kosten (4) dieser Anwohner (und vieler mehr) einen erfahrenen Beschwatzer; und das will man natürlich nicht an die große Glocke hängen?
MichaelR
(1) Stadtrat Schulte (SPD) wies einmal auf diesen Umstand mit dankenswerter Klarheit hin: „Es ist schlicht und einfach nicht möglich, sich um alle Bereiche im Bezirk gleichermaßen intensiv zu bemühen. Deswegen sollten aber meiner Ansicht nach pilothafte Projekte wie am Klausenerplatz nicht unterbleiben.“ (August 2013, 7. Einwohnerfrage/zu 4.)
(2) Hat man sich das so vorzustellen, daß sich die fünf Damen und Herren Bezirksstadträte die Mühe gemacht haben, hin und her zu erwägen, ob sie oder doch lieber nicht …? Und dann kam die Erkenntnis: ist doch eine Formalie!?
(3) „AG 4 Kommunikationsstrategie Ökokiez 2020
Ziel: Bewusstseinsbildung für Klimaschutz im Klausenerplatz-Kiez
Kurzbeschreibung: Der/die Klimaschutzmanagerin entwickelt mit Bezirksamt, Kiezbündnis und Unternehmensnetz Klausenerplatz eine zentrale Kommunikationsstrategie für den Klimaschutz im Klausenerplatz-Kiez. Eine zentrale Botschaft wird festgelegt und je nach Zielgruppe (Milieus) Ansprache und Kanäle gewählt. …“
„AG 5 Ökokiez 2020 als Marke
Ziel: Erhöhung der Identifikation mit den Klimaschutzmaßnahmen des Ökokiezes
Kurzbeschreibung: Das Projekt ‚Ökokiez 2020‘ soll als Marke entwickelt werden. Es werden dafür z.B. ein Logo und ein Slogan kreiert. … Unternehmer und Institutionen im Kiez, welche sich zu den Kriterien bekennen, dürfen anschließend das Label öffentlich verwenden.“
(4) Zu den Kosten des „Ökokiezes“ für die Öffentlichkeit demnächst mehr!
Anhang
(der vollständige Text kann zur Zeit noch hier eingesehen werden)
Klimaschutzmanagement Klausenerplatz
Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin
[...]
Bezeichnung: Technische/r Tarifbeschäftigte/r, Entgeltgruppe 12 TV-L mit 50% der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit
Besetzbar: ab 01.02.2014 für die Dauer von drei Jahren, unter Vorbehalt eines positiven Förderbescheides
Kennzahl: 63/13
Aufgabengebiet:
Klimaschutzmanagement „Klausenerplatz-Kiez“.
Geschäftsführung, Weiterentwicklung, Vor- und Nachbereitung der Steuerungsrunde.
Koordination klimaschutzbezogener und organisatorischer Maßnahmen.
Aufbau ämterübergreifender Zusammenarbeit.
Netzwerkbildung.
Fördermittelakquise.
Konzeption und Durchführung von Informationsveranstaltungen und Schulungen.
Organisation der Erfassung klimaschutzrelevanter Daten sowie Auswertung.
Beratung bei der Entwicklung von Qualitätszielen.
Öffentlichkeitsarbeit.
Anforderungen: Formale Anforderungen:
Studienabschluss einer Fachhochschule/Hochschule als Diplom-Ingenieur/in in der Fachrichtung Stadt- und Regionalplanung bzw. ein entsprechender Abschluss als Bachelor of Science (B.Sc.)/Bachelor of Engineering (B.Eng.).
Zertifizierte Zusatzqualifikation für Energieberatung (sofern entsprechende Kenntnisse nicht bereits im Rahmen der Berufsqualifikation erworben wurden).
Es können sich auch sonstige Beschäftigte, die über gleichwertige Fähigkeiten und langjährige praktische Erfahrungen verfügen, bewerben.
Fachliche Kompetenzen:
Unabdingbar sind Kenntnisse im Projektmanagement und im Bereich der Betroffenenbeteiligung.
Ebenfalls unabdingbar sind Erfahrungen in der Öffentlichkeitsarbeit, in der Moderation von Interessenausgleichsverfahren und der Steuerung von Partizipationsprozessen sowie Kenntnisse von Mediationstechniken.
Sehr wichtig sind Kenntnisse der einschlägigen Vorschriften in Energierecht und Energieeinsparrecht (EEG, EEWärmeG, EnEV) sowie des Klimaschutzmanagements.
Sehr wichtig ist ebenfalls die Anwendung der einschlägigen Software (Microsoft Office).
Wichtig sind Kenntnisse im Haushaltsrecht (LHO) und der Förderrichtlinien sowie Kenntnisse über die Aufbau- und Ablauforganisation der Berliner Verwaltung.
Außerfachliche Kompetenzen:
Selbständigkeit und Engagement sind unabdingbar.
Sehr wichtig sind eine hohe Belastbarkeit, Lernbereitschaft, kooperatives Verhalten sowie sicheres Auftreten in Konfliktsituationen.
Sehr wichtig sind ebenfalls ein gutes Kommunikationsverhalten, Verhandlungsgeschick und Durchsetzungsvermögen, ein gutes Informationsverhalten sowie eine überzeugende Moderationskompetenz und Präsentationsfähigkeit.
Wichtig ist die Zweckmäßigkeit des Handelns, ein gutes Teamverhalten, eine ausgeprägte Kundenorientierung, Entscheidungsverhalten und Innovationsbereitschaft.
[...]
Bewerbungsschluss: 29.11.2013
[...]
(Ursprünglich) veröffentlicht am: 25.10.2013
[...]
MichaelR - Gastautoren, Politik - 09. Dezember 2013 - 20:27
Tags: bezirksamt/gentrifizierung/gewobag/modernisierung/sanierungsvorhaben/ökokiez
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