Straßen und Plätze: Barstraße und Barbrücke
1. Die Straße
Die Barstraße wurde um 1885 als direkte Verbindung zwischen Fehrbelliner Platz und Heidelberger Platz angelegt und trug zunächst im Bebauungsplan die Bezeichnung Straße 34a. 1892 erhielt sie ihren jetzigen Namen.
2. Der Name der Straße
Diese Namensgebung im Jahr 1892 fiel in die Zeit, als das Dorf Deutsch-Wilmersdorf auf dem Weg zur Großstadt Berlin-Wilmersdorf war (vgl. „Vom Dorf zur Großstadt“). Offenbar sah man es als für diese Entwicklung förderlich an, sich im Ortsbild patriotisch zu geben, wozu der „Heldenkaiser“ Wilhelm I. hervorragend geeignet war: 1888 hatte man die bereits nach ihm benannte Dorfstraße poetisch überhöht in Wilhelmsaue umbenannt, und 1895 stellte man auf ihr zusätzlich seine Büste auf.
Auch die Barstraße hat einen persönlichen Bezug auf den „Heldenkaiser“, was für uns Heutige nicht mehr ohne weiteres erkennbar ist, aber für die Zeitgenossen war der Bezug sogar doppelt gegeben: Der Name ist abgeleitet von der Gemeinde Bar-sur-Aube, etwa 200 km östlich von Paris. Dort nahm Wilhelm 17jährig als Kronprinz und Hauptmann im Februar 1814 im Rahmen der Befreiungskriege gegen das napoleonische Frankreich an einer Schlacht teil und erhielt dafür von Vater Friedrich-Wilhelm III. das Eiserne Kreuz („Look Inside“). Das war seine erste Heldentat. 56 Jahre später, im November 1870, fand im Verlauf des deutsch-französischen Krieges dort erneut eine Schlacht statt, die wieder die Preußen – diesmal aber unter Wilhelm als König und Oberbefehlshaber der gesamten Armee – gewannen.
3. Der See
Die Barstraße überquert eine in West-Ost-Richtung verlaufende eiszeitliche Schmelzwasserrinne, die ein Nebenarm der Grunewaldrinne ist. Dieser Nebenarm erstreckt sich vom Herthasee über den Volkspark Wilmersdorf bis zum Rathaus Schöneberg und wurde im östlichen Teil bis in die 1880er Jahre über den Schwarzen Graben entwässert. In dem tiefen Einschnitt an der Barstraße befand sich ursprünglich kein See – der lag weiter östlich auf Höhe der Auenkirche (Bild 2) –, sondern ein Fenn, also ein Sumpf. Erst 1903 wurde der heutige Fennsee als naturnahes Regenrückhaltebecken künstlich angelegt.
4. Die Brücke
Wichtig für die Umwandlung der Landgemeinde Wilmersdorf in eine Großstadt war auch die Schaffung von Neubaugebieten für wohlhabende Berliner samt schnellen Verbindungen mit Berlin. Dafür bot sich die U-Bahn an, seitdem 1902 ihre ersten Abschnitte, bekannt als „Stammlinie“, eröffnet worden waren. Daher schloß die Gemeinde mit der Hochbahngesellschaft einen Vertrag, um mit einem guten Verkehrsanschluß die Realisierung der „Gartenterrassenstadt Rheinisches Viertel“ rund um den Rüdesheimer Platz anzufeuern (siehe dazu auch „Ausdehnung Wilmersdorfs nach Südwesten“). Dafür mußte das Fenn überquert werden, und zwar unter der Barbrücke.
Da die selbständige Gemeinde Wilmersdorf damals mit Schöneberg in Konkurrenz um Zuzügler aus Berlin lag, mußte diese Brücke mindestens genauso prunkvoll ausfallen wie das 1910 fertiggestellte Gegenstück am Rathaus Schöneberg. Der Architekt Wilhelm Leitgebel – von dem auch die U-Bahnhöfe Heidelberger Platz, Rüdesheimer Platz und Breitenbachplatz stammen – entwarf eine kombinierte Straßen-U-Bahn-Brücke (1), ebenfalls im neoromanischen Stil, mit kreuzgratüberwölbten Wandelhallen beiderseits der Bahngleise
sowie kolonnaden- und laternengeschmückten Torbauten als Verbindung zu den Wegen entlang dem See. In dieser Gestalt wurde die Brücke 1911/12 unter Verwendung von rheinischer Basaltlava und schlesischem Granit erbaut.
1935 mußte sie durch einen Neubau ersetzt werden. Es hatte nämlich erhebliche Setzungen gegeben, weil die rund 1200 Pfähle der Gründung nicht lang genug waren, um ein so großes Brückengewicht an einer Stelle zu tragen, wo es bis zum festen Grund 15 bis 20 m sind. Daher wurde 1934/35 von dem Architekten Friedrich Tamms (2) auf den ursprünglichen Unterbau mit seinem grob behauenen Natursteinmauerwerk (Rustika) ein Überbau in leichterer Stahlbetonkonstruktion gesetzt. Dabei fielen, neben den vielen aufwendigen Details, auch die Wandelgänge weg; auf den nunmehr freien Flächen zwischen Außenwänden und mittig verlaufenden Gleisen sind zum Teil Rohre verlegt, die im Brückenbereich keinen Platz zwischen Fahrbahn und Tunneldecke haben.
5. Der Name der Brücke
Ursprünglich hatte man sie 1912 Seeparkbrücke (3) genannt und gleichzeitig die Straßen, die beiderseits des Fenns verlaufen, in Am Seepark umbenannt (4). Diese Namensgebungen hingen mit den Plänen zusammen, längs des Fenns von der Rudolstädter bis zur Kufsteiner Straße (und weiter auf Schöneberger Grund bis zum Rathaus) einen Park anzulegen – mit dem Wilmersdorfer See als Kernstück.
Der Wilmersdorfer See wurde (bis 1920) zugeschüttet, die beiden Straßen 1922 auch im Bereich der Brücke zur Hindenburgstraße, der Seepark zum Hindenburgpark, und die Brücke selbst erhielt bei ihrer zweiten Fertigstellung 1935 den Namen der Straße. Nur die vielen Pläne blieben meist Pläne (5).
6. Die Zukunft der Brücke
Material ermüdet. Mit einem Alter von 105 Jahren für den Unterbau und 82 Jahren für den Oberbau scheint sich die Nutzungszeit der Brücke allmählich ihrem Ende zuzuneigen – denn offenbar sieht die zuständige Senatsverwaltung bei der Barbrücke nicht mehr die statischen Voraussetzungen für eine uneingeschränkte Nutzung voll erfüllt: Zwar wurden noch keine Parkverbote oder Gewichtsbeschränkungen für den Verkehr erlassen, aber man ließ auf die beiden Straßenränder durchgehende Hindernisse bauen, um ein Parken auf dem Bürgersteig zu verunmöglichen.
MichaelR
Herzlichen Dank für ihre Unterstützung an die Sammlung Mauruszat, die Berliner Verkehrsblätter, das Archiv des Museums Charlottenburg-Wilmersdorf und das Tiefbauamt.
Materialien
BahnInfo-Forum, Eintrag vom 12.3.2008, 11.23
Bezirksamtslexikon: Der Fennsee
Gympel, Jan, Die „Seeparkbrücke“ der Wilmersdorfer U-Bahn, in: Berliner Verkehrsblätter Jg. 49 (2002), H. 9, S. 179-180
Thiemann, Eckhard/Dieter Desczyk, Berliner Brücken. Gestaltung und Schmuck, Berlin (Lukas V.) 2012
U-Bahn-Archiv, Abschnitt „Sonstige bemerkenswerte Bauten“
Wikipedia: Bar-sur-Aube
Wikipedia: Friedrich Tamms
Bildnachweis
1, 5, 8, 9, 10 – MichaelR
2, 4, 7 – Sammlung Mauruszat
3 – Berliner Verkehrsblätter
6 – Archiv des Museums Charlottenburg-Wilmersdorf
(1) Die Darstellung folgt Eckhard Thiemann/Dieter Desczyk, S. 43.
(2) Friedrich Tamms war bis 1934 Mitarbeiter im Brückenbauamt Berlin und anschließend beratender Architekt der Reichsautobahn (besonders für Brückenbauten)
(3) gelegentlich auch Fennbrücke
(4) Diese beiden Straßen wechselten seit 1890 mehrfach – in Abhängigkeit von den kommerziellen, politischen oder baulichen Gegebenheiten – ihre Namen (oder verschwanden in Teilen); siehe diese Auflistung (die nicht einmal vollständig ist).
(5) zum Beispiel: Hindenburgpark, Bereich an der Barbrücke, um 1925 – erkennbar sind u.a. die zu den Wandelhallen führenden Parkwege
MichaelR - Gastautoren, Geschichte - 30. Januar 2017 - 19:58
Tags: brücken/plätze/stadtgeschichte/straßen
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