Frau Stadträtin: Wie lange soll das bloß noch weitergehen?
„Ökokiez 2020“: Geldausgaben, vom BA favorisierter freier Träger
Sehr geehrte Frau Umweltstadträtin,
es ist erneut nötig, auf zwei von Ihnen unterschriebene Äußerungen zu sprechen zu kommen, da Sie selbst die Zweifel an deren Richtigkeit jüngst weiter vergrößert haben.
a) „Weitere Aufwendungen sind dem Bezirksamt nicht bekannt.“
Im September (3. Einwohnerfrage/zu 4.) teilten Sie mit, „die Gesamtsumme für das Klimaschutzkonzept beträgt 82.824 €“, nannten noch eine „Vorstudie Integriertes Kommunales Klimaschutzkonzept Klausenerplatz 2020“ für „2.965,48 € Brutto“ und schlossen mit den Worten „Weitere Aufwendungen sind dem Bezirksamt nicht bekannt.“ Die von Ihnen eingeräumten Aufwendungen bezifferten sich somit auf 85.789,48 €.
Unsere Recherchen, bei denen wir auch auf den Seiten des BA fündig wurden, führten jedoch zu folgendem Ergebnis, das hier noch einmal wiederholt sei:
7.270,76 für „Prima Klima am Klausenerplatz“ (15.11.2008-14.11.2009; „Handlungsfeld: Umwelt und Verkehr; Aktion: Erhöhung der Energieeffizienz; Projektkurzbeschreibung: Institutionalisierung Runder Tisch ‚Klimaschutz im Kiez‘ …; Ergebnisse: ‚Arbeitsgruppe Ökokiez‘ wurde gegründe, der auch nach Projektabschluss weiter arbeiten wird. …“ [unkorrigiert nach Original])
2.965,48 für die oben erwähnte Vorstudie (12.11.-18.12.2009)
102.082,-- für das Klimaschutzkonzept
613,45 für ein Faltblatt zum 29.2.2012
112.931,69 € öffentliche Gelder.
Das sind schon einmal 27.1422,21 € mehr, als von Ihnen im September zugegeben. Als Sie im Oktober (8. Einwohnerfrage/zu 3.) – ziemlich von oben herab und mit einer erstaunlichen Nonchalance gegenüber unseren Steuergeldern – mitteilten, „Die von Ihnen vorgenommene Berechnung wurde seitens des Bezirksamtes nicht nachgeprüft“, gestanden Sie ein, daß an dieser Berechnung also etwas dran ist.
Aber das ist immer noch nicht alles: Nur bei eingehendem Studium des Klimaschutzkonzepts konnte man dort auf Seite 22 noch auf eine weitere Vorstudie stoßen, eine „Vorstudie zu Begegnungszonen in Charlottenburg-Wilmersdorf“, Durchführungszeitraum 3.2.-31.3.2011 und für 4498 €, wie Sie jetzt im November (8. Einwohnerfrage/zu 3.) einräumen. Damit sind die öffentlichen Gelder für „Ökokiez 2020“ bereits auf 117.429,69 angewachsen, also 31.640,21 € bzw. 36,8 % mehr, als von Ihnen im September (3. Einwohnerfrage/zu 4.) zugegeben.
Und es fehlen immer noch die Personalkosten für im Umweltamt oder an anderer Stelle des Bezirksamts seit 2009 aufgewandte Arbeitsstunden! Auch wenn darüber keine Statistik geführt wird (falls das zutrifft, wo doch heutzutage alles möglich fortwährend „dokumentiert“ wird) und sich lt. Ihrer Aussage „keine seriöse Schätzung ableiten“ läßt ( September/zu 2.), würde die Öffentlichkeit doch gerne wenigstens ein ungefähres Bild haben, um einen noch besseren Eindruck zu erhalten, in welchem Umfang die hiesigen grünen Umweltstadträtinnen mit öffentlichen Geldern für ihr ½ km² großes Steckenpferd herumzuaasen willens sind.
Es bleibt also festzuhalten, Frau Stadträtin: Ihre Septemberaussage mußte nunmehr bereits um zwei weitere Vorstudien und 31.640,21 € zusätzliche Ausgaben nach oben korrigiert werden. Warum haben Sie das erst nach wiederholten Befragungen und nicht gleich gesagt? Was ist noch im Busch?
Gibt es immer noch keine Parteien in dieser BVV, denen das gegen den Strich geht und die das auch laut sagen mögen?
b) „Die Unterstellung, das Bezirksamt hätte einen favorisierten freien Träger gehabt, ist nicht zutreffend.“
Diese Aussage haben Sie im August (5. Einwohnerfrage/zu 4.) unterschrieben. Sie wurde gleich in dem konkreten Zusammenhang widerlegt, was hier nachgelesen werden kann. Daher soll an dieser Stelle eine kurze Gesamtschau über die zielstrebigen langjährigen Beziehungen von Bezirksamt und seinem favorisierten Träger gegeben werden:
Am Anfang standen etwa zehn Jahre (von 2001 bis 2010) Tätigkeit der Fa. argus als Gebietskoordinator im Klausenerplatz-Kiez
im Auftrag des Bezirks (Kosten: zuletzt angeblich 30.000 € im Jahr,
vorher weit mehr vom Senat). Noch vor dem endgültigen Ende dieser
Tätigkeit wurde zwar nicht für die Fa. argus, aber für die Fa. diges,
die durch denselben Geschäftsführer miteinander verbunden sind, ein
neues Betätigungsfeld gefunden, so daß die Angelegenheit in der
„Familie“ blieb: der „Ökokiez“. Es ging los mit einem Auftrag, wiederum
des Bezirksamtes, für „Prima Klima am Klausenerplatz“ (siehe oben: 15.11.2008-14.11.2009; 7270 € ). Wesentliches Ergebnis von Prima Klima war die Gründung der Arbeitsgruppe „Ökokiez“,
und zwar – was nicht im Bericht steht – bei einem ortsansässigen
Bürgerverein, mit dem der Geschäftsführer von diges/argus so eng
verbunden ist, daß er offiziell für diesen auftritt (S. 176: Steuerungsgruppe).
Außerdem wurden von der Fa. diges die vom Bezirksamt zur Verfügung
gestellten öffentlichen Gelder dazu genutzt, um sich umzusehen, wo es
weitere Fördermittel gibt („Nachhaltigkeit“), die allerdings nur
zugänglich waren, wenn das Bezirksamt offiziell die Projektträgerschaft
übernehmen würde. Das tat dieses dann auch im September 2009 und stellte
im Monat darauf einen
Förderantrag für ein „integriertes kommunales Klimaschutzkonzept“
an das Bundesministerium für Umwelt (BMU). Dieses Konzept liegt seit
Dezember 2011 vor. Der erwähnte doppelte Geschäftsführer ist dort
Mitglied im „Steuerungsausschuß“, dessen Mitglieder sich
verstehen als „Einbezogene Akteure bei der Erstellung des integrierten
Klimaschutzkonzeptes für den Klausenerplatz-Kiez“ (ebd., S. 176 –
natürlich ist auch das Bezirksamt darin vertreten).
Der nächste Schritt war der „Vorschlag“ dieses Gremiums, den nun zu beantragenden Klimaschutzmanager bei der Fa. argus anzusiedeln, weil das Umweltamt damit völlig überfordert sei – vermutlich wohl gegen ein Entgelt. An diesem Vorschlag zugunsten der Fa. argus war auch deren Geschäftsführer als Steuerungsausschußmitglied persönlich beteiligt, woran das Bezirksamt nicht nur keinen Anstoß nahm, sondern Kritik daran empört zurückwies (Näheres dazu hier). Erst durch das Einschreiten des Projektträgers Jülich (im Auftrag des BMU) (siehe 5. Einwohnerfrage/zu 2. und 3.) wurde dieser fröhlichen Fördergeldbedienung ein Zwischenstop gesetzt. Aber es steht ja noch die Frage aus: Falls der Projektträger Jülich tatsächlich Fördergelder für eineN halbeN KlimaschutzmanagerIN genehmigt, wer wird sich bewerben, wer kriegt den Posten?
Bisher sah es so aus, als ob dies die nahtlose Kette der Zusammenarbeit zwischen Bezirksamt und dem Geschäftsführer der Firmen argus/diges von 2008 bis 2012 in Sachen „Ökokiez“ war – bis Sie im September (3. Einwohnerfrage/zu 4.) die „Vorstudie Integriertes Klimaschutzkonzept Klausenerplatz 2020“ erwähnten, aber sich im Oktober (8. Einwohnerfrage/zu 2.) weigerten, den Namen der beauftragten Firma zu nennen, und stattdessen auf eine kostenpflichtige Akteneinsicht verwiesen. Erst im November (8. Einwohnerfrage/zu 1.) kam es endlich an den Tag: Die beauftragte Firma war – die Firma argus.
Es bleibt also festzuhalten, Frau Stadträtin: Ihre Augustaussage wurde erneut widerlegt; es gibt seit 2008 einen favorisierten freien Träger des Bezirksamts in Sachen „Ökokiez“,
und es sieht geradezu so aus, als ob das Bezirksamt diesem freien Träger im besten
Einverständnis und unter Verwendung von
öffentlichen Geldern von Fördermaßnahme zu Fördermaßnahme weiterhilft.
Gibt es immer noch keine Parteien in dieser BVV, denen das gegen den Strich geht und die das auch laut sagen mögen?
Frau Stadträtin, zwei zentralen Behauptungen von Ihnen wurden erneut widerlegt. Es ist höchste Zeit, alles auf den Tisch zu legen, den Antrag auf einen Klimaschutzmanager umgehend zurückzuziehen und zusammen mit der Öffentlichkeit zu überlegen, wo die öffentlichen Gelder besser für den Umweltschutz angelegt werden, ohne daß der Eindruck von Klientelwirtschaft und Verschwendung entsteht.
MichaelR
MichaelR - Gastautoren, Politik - 20. November 2012 - 23:25
Tags: bezirksamt/charlottenburg/gentrifizierung/klimaschutz/sanierungsvorhaben/ökokiez
sechs Kommentare
Nr. 2, ulli, 21.11.2012 - 18:11 Das grundsätzliche Problem ist die weitestgehende Privatisierung und Ökonomisierung von früher staatlichen Aufgaben. So gibt es nun eine gigantische Hilfe-Industrie, von der Stadtteilarbeit über die Pflege von Alten und Kranken bis zu "Förderung" von Arbeitslosen. Milliarden fließen auf die Konten hunderttausender Sozialunternehmer, eine Evaluation scheint es nur selten zu geben, nicht selten dafür aber ein Filz aus Unternehmen und Lokalpolitik. Während eine Stadträtin immerhin der Öffentlichkeit eine gewisse Rechenschaft schuldig ist, sind die Sozialunternehmer dies in keiner Weise. Die abstruseste Blüte dieser Entwicklung war wohl dieser Obdachlosenbetreuer mit Maserati und Seegrundstück, der ja erst auffiel, als er bei Rot über eine Ampel fuhr und geblitzt wurde. Dieses ganze System von ökonomisierter Sozialarbeit müsste grundsätzlich verändert werden. |
Nr. 3, maho, 21.11.2012 - 20:48 Das ist vollkommen richtig. Fördersysteme sind absurd geworden und dienen zum immer größer werdenden Teil nicht mehr direkt denen, die sie dringend gebrauchen könnten – dort kommt immer weniger an. Diese Fördersysteme sind in Verbindung mit ( Lokal- ) Politik zu einem korrupten System geworden. Bewilliger und Begünstigte sitzen zum Teil in den gleichen beteiligten Parteien und/oder in den Sozialunternehmen, in den Entscheidungs-, bzw Verteilungs-Gremien (Bewilligung von Fördergeldern – Beispiel hier in der sog. “Steuerungsgruppe” – welch passende Bezeichnung!) und Vereinen. Ein Beispiel liefert einer der Vereine bei uns: http://blog.klausenerplatz-kiez.de/archi.. Ein weiteres Beispiel aus unserem Kiez: es gab mal ein bewilligtes LSK-Projekt (also EU-Gelder) für ein hiesiges Sozialunternehmen, das nannte sich: “Fahrradfahren für Frauen”. Ob nun Fahrradfahren für Frauen, Männer, Große, Kleine, Dicke, Dünne … spielt dabei keine Rolle – solche absurden Blüten jedenfalls treibt das Spiel um die Fördertöpfe und zur “Selbstversorgung”. PS Hier ist mal ein Glosse erschienen: http://blog.klausenerplatz-kiez.de/archi.. http://blog.klausenerplatz-kiez.de/archi.. |
Nr. 4, NEU, 21.11.2012 - 22:00 was bleibt dem bürger ? was folgt aus der gut beschriebenen malaise ? - einwohnerversammlung ? – ausschuß für eingaben und beschwerden ? – strafanzeige ? – ? |
Nr. 6, Basti, 23.11.2012 - 18:02 Sollte die Argus dringend Geld brauchen: http://www.quartiersmanagement-berlin.de.. Es gibt genügend zu tun. Vielleicht verschwindet die Argus dann auch aus unserem Kiez. |
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Immerhin hat sie diesmal alle gestellten Fragen beantwortet und den Auftragnehmer der bisher geheim gehaltenen Vorstudie benannt. (Kleine persönliche Anmerkung: ich habe damit eine Wette gewonnen ;)
Sie hätte ja auch stur weitermachen können.
In einem Artikel des Tagesspiegel hat Bezirksstadträtin Jantzen in einem anderen Zusammenhang (Fahrdienst für behinderte Kinder) davon gesprochen, daß Bezirksämter mit der genauen Einschätzung von Bewerbern überfordert wären und daß Ausschreibungen von anderer Seite „professionell begleitet“ werden müßten.
http://www.tagesspiegel.de/berlin/schule..
Ein überfordertes Bezirksamt …. Hmmmmh ??