„Ökokiez 2020“ zwischen Trug und Tatsachen
Zuerst eine Bemerkung am Rande: Wie kommt es eigentlich, daß die Bezirksverordneten noch am Abend der BVV-Sitzung die Antworten der Stadträte auf die Bürgerfragen erhalten, die fragenden Bürger selbst aber tagelang immer wieder im Internet nachschauen müssen, ob die Antworten endlich eingetroffen sind? Sagt diese Reihenfolge der Antwortenübermittlung etwas aus über das Verhältnis der Bezirkspolitiker zu den „Menschen draußen im Lande“?
Aber jetzt zu den Antworten der Umweltstadträtin auf die Septemberfragen zu „Ö 20“ (3.Einwohnerfrage):
Antwort zu 1: Also stimmt das Gerücht, daß der Projektträger Jülich (PtJ) maximal eine halbe Stelle für den Klimaschutzmanager genehmigen will. Und man versteht jetzt auch, daß der Job begehrt ist: Wenn 12.852 bzw. 13.480 € der bezirkliche Eigenanteil in Höhe von 35% für dessen Gehalt ist, bedeutet das immerhin ein Einkommen von 3.060 bzw. 3.209 € im Monat – für eine Halbtagsstelle. Wohl dem, der den Posten erhält! Und dafür sind wirklich rasch noch vor der selbstverordneten Haushaltssperre Steuergelder reserviert worden, statt sie für tatsächlich „umweltschutzfördernde Maßnahmen“ zu nutzen?
Antwort zu 4: Interessant, daß es neben dem Klimaschutzkonzept (KSK) – und nicht zu vergessen der Studie „Prima Klima“ von diges/argus – noch eine (weitere) Vorstudie gab, also noch mehr öffentliche Gelder verausgabt wurden. Nur schade, daß die Umweltstadträtin wieder so vage in ihrer Antwort bleibt (übrigens ebenso das KSK). Zu gern hätte man gewußt, wer sie machen durfte und wo sie nachzulesen ist. Der kleine Hinweis auf S. 22f. im KSK deutet immerhin darauf hin, daß unsere frühere Vermutung zutraf, daß nämlich die versuchte Durchsetzung einer dauerhaften Schließung der Knobelsdorffstraße für die Akquirierung der bisherigen Fördergelder (und damit als Voraussetzung für den Posten des Klimaschutzmanagers) von grundlegender Bedeutung war (siehe hierzu unter „Verkehrsberuhigung“).
Wenn auch angeblich nicht dem Bezirksamt, so sind jetzt den Bürgern also folgende Mindestkosten in Verbindung mit „Ö 20“ bekannt:
7.270 für „Prima Klima“
2.965 für eine Vorstudie im Vorfeld des KSK
102.082 für das KSK
613 für ein Faltblatt zum 29.2.2012
112.930 € öffentlicher Gelder
Das ist eine nicht unbeträchtliche Summe für nichts als Papier; und dabei fehlen noch die Aufwendungen in Form von Arbeitsstunden der Umweltstadträtin, des Leiters des Umweltamts und gewiß noch einiger Mitarbeiter.
Hier ist wieder der Betrag von 102.082 € für das KSK eingesetzt, auch
wenn es der Umweltstadträtin mißfällt. Ihr Hinweis auf „höchstens
zuwendungsfähige Ausgaben lt. Zuwendungsbescheid“ in Höhe von 82.824 €
besagt nämlich nur, daß das Bezirksamt den ihm zur Verfügung gestellten
Förderbetrag voll ausgeschöpft hat, aber nicht, wie teuer das Gutachten
am Ende war (vergleichbare Gutachten der B.&S.U. kosten in der Regel
100.000 €). Wie teuer es tatsächlich war, kann man aber beim Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf (Berliner
Zeitung vom 28.12.2010) nachlesen:
„Das Bundesumweltministerium fördert das [Klimaschutzkonzept] aus einem Programm für Gemeinden mit schwierigen Sozialstrukturen. Zu den 82000 Euro Fördermitteln gaben die Gewobag und die Stadtentwicklungsverwaltung je 10000 Euro dazu.“Macht also jene 102.000 €.
Antwort zu 5: Ein kleines Meisterstück des verbalen Taschenspielertricks ist in der letzten Antwort nachzulesen: Natürlich steht es nicht ausdrücklich da, aber dafür wird hier der Eindruck erweckt, das KSK habe schon jetzt mindestens erste fünf kleine Wunder bewirkt, und das, bevor es überhaupt einen Klimaschutzmanager gibt – was da wohl noch alles kommen mag?!
- Anschluß der Grundschule an die Fernwärme: Dazu sagt das KSK im Kapitel „Bisherige Klimaschutzaktivitäten“ auf S. 21: „Seit 2010 werden in der Schule Energiesparmaßnahmen umgesetzt. Dazu gehören Maßnahmen wie ... die in 2012 geplante Energieträgerumstellung von Erdgas auf Fernwärme ...“
- „Berliner Klima Schule 2011“: Dazu an selber Stelle, also ebenfalls unter „Bisherige Klimaschutzaktivitäten“: „Es gibt bereits Projekte der Schule, um die Schüler/innen an das Thema Klimaschutz und Energiesparen heranzuführen.“ (siehe auch Pressemitteilung vom 8.6.2012, 1. Abs.) - das KSK lag übrigens erst Mitte Dezember 2011 vor).
- „Energie Nachbarschaft“: Dabei handelt es sich allerdings um das europäische Projekt „Energie Nachbarschaften“, dessen Durchführung in 16 Ländern von der Europäischen Kommission im Rahmen des Programms „Intelligent Energy Europe“ gefördert wird, und nicht um eine kiezgeborene Klimaschutzmaßnahme.
- „Verkehrliche Maßnahmen des Kollegen Schulte“: Seit Jahrzehnten besteht ein Langsamfahrgebot in der verkehrsberuhigten Zone, und das soll endlich (gerade auch gegen einzelne Bewohner eben dieser Zone) durchgesetzt werden. Das ist doch eine selbstverständliche Pflicht von Bezirkspolitikern und völlig unabhängig von irgendwelchem KSK und Klimaschutzmanager - und hat im übrigen nicht so arg viel mit Klimaschutz zu tun, da es dadurch kein Auto weniger geben wird.
- Zusätzlicher Ausgang am Bf. Westend: Dazu genüge dieser Hinweis auf einen Blogtext vom 19. Juni 2009: „Für den Bahnhof Westend ist seit zwanzig Jahren die Wiederherstellung eines direkten Zugangs vom Wohnviertel Klausenerplatz zum Südende des Bahnsteigs zugesagt.“
Man sieht also: Keine dieser Maßnahmen hat irgendetwas mit dem Klimaschutzkonzept oder gar einem Klimaschutzmanager zu tun. Diese Antwort ist eine Irreführung der Bürger, die sich nicht die Mühe machen können, die von der Umweltstadträtin unterschriebenen Ausführungen genauer nachzuprüfen. Man sieht weiter: Für keine dieser Maßnahmen war es nötig, sich mit öffentlichen Geldern ein Klimaschutzkonzept oder einen Klimaschutzmanager zu kaufen. Und man sieht folglich drittens: Mit „Ökokiez 2020“ werden öffentliche Gelder verschwendet für etwas, was jede Bezirksamtsabteilung und ihre einschlägigen Unterabteilungen (z.B das Umweltamt) leicht selbst auf die Füße stellen können – und das dann aber möglichst für den ganzen Bezirk und nicht nur für die eigene Klientel! Und schließlich sieht man noch: Es lohnt sich, Bürgerfragen zu stellen, um den Tatsachen Schritt für Schritt näher zu kommen.
Sollte aber all das, was hier eben zu der Antwort der Umweltstadträtin zu 5 gesagt wurde, ganz falsch sein und die fünf Maßnahmen tatsächlich doch „erste Maßnahmen … vor Bewilligung des Klimaschutzmanagements“ gewesen sein – ja, hat die Umweltstadträtin dann vielleicht gegen folgenden Passus der Richtlinie zur Förderung von Klimaschutzprojekten vom 22.11.2011 verstoßen, wo es nämlich im Abschnitt „V. Das Auswahlverfahren“ heißt: „Vorhaben dürfen vor Erhalt des Zuwendungsbescheids … nicht begonnen worden sein“ ?
MichaelR
Michael R. - Gastautoren, Politik - 01. Oktober 2012 - 00:02
Tags: bezirksamt/charlottenburg/klimaschutz/sanierungsvorhaben/ökokiez
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da schlage ich doch vor den Bund der Steuerzahler und den Rechnungshof einzuschalten !