Neue Vorstellungen im bezirklichen Provinztheater
Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf will bekanntlich das Rathaus Wilmersdorf aufgeben. Also braucht man neue Räume, die angemietet werden müssen. Das alles kostet neues Geld. Wieviel genau ist noch unklar, da hier strikt nach dem Verfahren "Umzug in der Berliner Verwaltung" (siehe Anhang Punkt 4) vorgegangen wird. Ein weiteres wichtiges Merkmal bei neuen Projekten der derzeit üblichen "Stadtpolitik" ist ‚big is beautiful‘ - Motto: koste es was es wolle und der Normalbürger an sich ist eh ziemlich wertlos. So hat der alte Traum von einer Zentralbibliothek, und sei es auch nur eine „kleine“, die Fachbereichsleitung und ihren Stadtrat weiterhin fest im Griff. Die groß gepriesenen Vorhaben zählen halt ganz besonders wenn man sonst schon nichts auf die Reihe kriegt. Die Eigentümer der Wilmersdorfer Arcarden witterten wohl ein gutes Geschäft, verbunden mit der Hoffnung auf einen Vertrag mit langer Laufzeit.
Eine Zentralbibliothek muß zwar noch etwas warten, doch das Bürgeramt im Charlottenburger Rathaus soll schon mal am 2. Januar 2014 in die Wilmersdorfer Arcarden umziehen. Nur die Senatsverwaltung für Finanzen muß dem Plan noch zustimmen. Aus dem Bezirksamt heißt es verheißungsvoll dazu: "Das Bürgeramt wird dann auch samstags geöffnet sein, und die Kunden müssen nicht auf den Gängen warten, sondern können ihren Besuch beim Amt mit einen Einkaufsbummel verbinden." Wenn die „kleine“ Zentralbibliothek erst dort noch eröffnet und das Wunschbuch nicht vorrätig sein sollte, dann könnte es ja schließlich gleich um die Ecke in der Einkaufsmeile erworben werden oder es winken gar noch verlockend ganz andere "Bildungsangebote" recht bunt entgegen.
Weitere Möglichkeiten von Umzügen und der Nutzung von externen Orten - ganz im Sinne einer weiteren Kommerzialisierung und Fortentwicklung des gesamten Politgeschehens zum Unterhaltungsbetrieb "Brot & Spiele" - sollen sich noch in der Diskussion befinden.
So soll u.a. geprüft werden, ob Baustadtrat Marc Schulte (SPD) nicht sein Büro gleich in der neuen Garten-Residenz Charlottenburg bei seinen genehmen "Partnern" aufschlagen kann. Ein Security-Service sorgt dort auch rund um die Uhr dafür, daß er nicht unnötig vom gemeinen Volk belästigt wird, denn Bürgersprechstunden hält er sowieso nie ab. Herr Bezirksbürgermeister Naumann (SPD) könnte seine Residenz im Haus Cumberland einrichten - dort wo er sich wirklich wohl fühlt: bei den Superreichen und Superschönen. Bei einem Besuch seiner Bürgersprechstunden könnte der Normalbürger immerhin mal "angemessenes" Wohnen erleben, hätte also zusätzlich ein einmaliges Event-Erlebnis direkt am Kudamm, wo er anschließend, all seiner Probleme beim Bezirksbürgermeister höchstpersönlich entledigt, gleich weiter flanieren und shoppen kann.
Weiterhin könnte zum Beispiel der BVV-Saal freigemacht werden, indem die monatlichen BVV-Sitzungen abwechselnd im Zirkus, auf Jahrmärkten, Volksfesten, als kleine Aufführung für zwischendurch im Schillertheater, oder auch gesungen in der Deutschen Oper an der Bismarckstraße stattfinden. Der Erlös daraus könnte dann wieder in neue Pläne für weitere Einsparungen bei den "kleinen Leuten" fließen. Falls jemand Interesse an derartigen "Kultur- und Bildungsveranstaltungen" haben sollte und auch noch bereit wäre, dafür zu bezahlen.
- Politik, Satire - 30. Juli 2013 - 00:02
Tags: bezirksamt/bibliothek/bürgeramt/stadtentwicklung
Kein Kommentar
Kein Trackback
Trackback link: