Rückt das Bezirksamt jetzt heimlich von „Ökokiez 2020“ ab?
Offener Brief an die Stadträtin für Umwelt (Grüne Partei)
Sehr geehrte Frau Stadträtin,
rückt das Bezirksamt jetzt also heimlich von „Ökokiez 2020“ ab, oder wie sonst läßt sich erklären, daß erst jetzt ein Schreiben in die Öffentlichkeit drang, das Sie schon am 14. Dezember 2011 – nur einen Tag nach der Abschlußpräsentation von „Ökokiez 2020“ – an die Bezirksverordnetenversammlung schickten? Dort heißt es nämlich auszugsweise:
„Die Prüfung durch das Bezirksamt hat ergeben, dass die vermuteten klimaschutzwirksamen Programm- bzw. Maßnahmenpotentiale [des Bezirksamtes]
- in dem Umfang nicht bestehen, z. B. weil die Instrumente fehlen (Wirtschaft), bezirkliche Zuständigkeiten schwach ausgeprägt sind (z. B. Verkehr, Bauen bei privaten Vorhabensträgern) oder gänzlich fehlen (Lehrinhalte in Schulen),
- bereits bisher und auf anderen Ebenen bearbeitet werden (z. B. im bezirklichen Gebäudebestand) und [„Ökokiez 2020“] hier keine neue inhaltliche Qualität eröffnet.“
Das stimmt ja alles, das „Integrierte Kommunale Klimaschutzkonzept für den Klausenerplatz-Kiez“ (IKSK) ist voll von derartigen Maßnahmevorschlägen, die die Kompetenz des Bezirks überschreiten oder schon längst in Arbeit sind, wie ein Blick auf die Auflistung ab S. 92 zeigt (bitte lesen Sie dazu auch den Abschnitt „Wie sinnvoll ist …?“ in meinem Artikel „Anmerkungen zu ‚Ökokiez 2020‘“). Und es ist erfreulich, daß solche Einsichten jetzt auch an anderer Stelle in Ihrem Kollegium Früchte tragen (denken Sie nur an das Kiezdrama um die fortdauernde Schließung der Knobelsdorffstraße, das jetzt auf seinen Höhepunkt zusteuert!)
Aber es ist natürlich auch ein bißchen schade, daß in Zeiten der sog. „Haushaltsdisziplin“ nun schon über 100.000 € von unseren Steuergeldern und zudem viel Arbeitskraft des Umweltamts an „Ökokiez 2020“ vertan wurden – Ihr Umweltamt hätte doch weiß Gott! schon längst kostenlos und sehr arbeitssparend den einen oder anderen Tip für Umweltschutz aus den vielen 100.000-€-Studien, die in Sekundenschnelle im Internet zu finden sind, selbst heraussuchen und dann auch noch umsetzen können! Ist das eigentlich nicht seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit im Jahre 300 n.Fr.d.Gr.?
Auch der Projektträger Jülich, der im Auftrag des Bundesumweltministeriums für dieses IKSK so viel Geld lockergemacht hat, ließ bereits verlauten – wie Sie am 25. Januar ja selbst gehört haben – daß dies das letzte Mal war für ein derart kleines Viertel. Das läßt doch hoffen und erwarten, daß die ursprünglich von Ihnen geplante Einstellung eines Klimaschutzmanagers, der uns Steuerzahler mindestens weitere 155.000 € gekostet hätte, unterbleibt und stattdessen unsere Steuergelder für tatsächlichen Umweltschutz ausgegeben werden, statt sie in Papier und Posten zu verpulvern.
Leider hat mein Brief aber einen Haken, wie Sie sicher schon gemerkt haben: Er stimmt nämlich an einer Stelle nicht. Denn mit den oben zitierten Gründen haben Sie nicht das Klimaschutzprogramm „Ökokiez 2020“ für das kleine Viertel am Klausenerplatz abgelehnt, sondern
„ein bezirkliches Klimaschutzprogramm (im Sinne einer Konzeptentwicklung, die inhaltlich und flächenhaft den gesamten Bezirk abdeckt)“. (siehe „Ergänzend zum 3. Zwischenbericht ...“ zu Drucksache 0551/3)
Warum aber gilt für diesen ½ km² nicht, was Ihrer Meinung nach für 64 ¾ km² gilt?
Sie beantworten meine Frage dort gleich selbst: Es gebe auf dem ½ km²
„eine relativ breit getragene Unterstützung in Zivilgesellschaft und Wohnungswirtschaft sowie eine für die Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen günstige konkrete (Kiez) Ebene“.
Nur daß das so nicht ganz zutrifft und tatsächlich wohl eher das Gegenteil der Fall ist. Falls Ihnen das bisher nicht bekannt war, bitte ich Sie, das im Detail hier nachzulesen: „‚Ökokiez 2020‘ – eine Aktion des Kiezes?“ und „‚Ökokiez 2020‘ tatsächlich eine Aktion ‚des Kiezes‘?“. Worum handelt es sich also bei dieser ominösen „Zivilgesellschaft“ und der „günstige[n] konkrete[n] (Kiez) Ebene“? Doch nicht etwa um die bekannten „Akteure“ (IKSK S. 176)?
Über eine Antwort von Ihnen an dieser Stelle würde ich mich freuen!
Mit freundlichen Grüßen
MichaelR
Michael R. - Gastautoren, Politik - 03. Februar 2012 - 20:52
Tags: bezirksamt/klimaschutz/sanierungsvorhaben/ökokiez
zwei Kommentare
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Sehr geehrter Herr Röder,
da Sie mich freundlicherweise mit einer direkten email auf Ihren Blogbeitrag aufmerksam gemacht haben, will ich wenigstens kurz darauf reagieren. Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit Ihren Darlegungen und Interpretation an diesem Ort fehlt mir die Zeit. Ich bedaure sehr, dass Sie zur Beantwortung Ihrer BürgerInnenanfrage in der BVV am 16.2. nicht anwesend waren. Da wäre die Gelegenheit gewesen, sich öffentlich damit auseinander zu setzen. Zur Information anderer NutzerInnen des Kiezer weblogs folgen Ihre Fragen und die Antworten weiter unten.
Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihre Kompetenzen und Verbesserungsvorschläge zukünftig konstruktiv bei den weiteren Diskussionen und Initiativen zum Ökokiez z.B. der Informationsveranstaltung am 29.2., 19.30 h in der Nehring-Grundschule einbringen.
Mit freundlichen Grüßen
Elfi Jantzen
Schriftliche Beantwortung der
6. Bürgeranfrage von Herrn Michael Roeder
(BVV am 16.02.2012)
Ökokiez 2020
Sehr geehrter Herr Roeder,
Ihre Anfrage beantworte ich wie folgt:
1. Warum hat das Bezirksamt über 100.000 € Steuergelder für das Klimaschutzkonzept zum „Ökokiez 2020“ ausgegeben, wo doch das Umweltamt kostenlos jederzeit entsprechende Handlungsvorschläge in den vielen Konzepten derselben Firma im Internet hätte finden können?
Zu 1.:
Das Bezirksamt hat für das Vorhaben keine eigenen Mittel bereitgestellt. Die Finanzierung erfolgte über Mittel der Kommunalen Klimaschutzinitiative des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) in Kofinanzierung mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (Sen Stadt) und der Wohnungsbaugesellschaft GEWOBAG. Die Projektsumme für das Klima-schutzkonzept zum „Ökokiez 2020“ betrug insgesamt 82.824 €. Die Mittel der Kommunalen Klimaschutzinitiative des BMU speisen sich nach unserer Erkenntnis aus zweckgebundenen Mitteln des Emissionszertifikatehandels.
Die Annahme, das Umweltamt könne ohne Bestandsaufnahme und Ableitung von Maßnahmen aus der örtlichen Situation „baukastenartig“ Handlungsvorschläge zusammenstellen, entspricht nicht den fachlich-wissenschaftlichen Mindeststandards. Wesen eines Klimaschutzkonzeptes ist, dass es aus Analysen des betroffenen Gebietes gespeist und die Sachkunde der örtlichen Experten/Expertinnen einbezogen wird.
2. Wie erklärt das Bezirksamt in diesen Zeiten der Haushaltsdisziplin, dass es bisher im Zusammenhang mit „Ökokiez 2020“ schon über 100.000 € Steuergelder ausgegeben und viele Arbeitsstunden im Umweltamt aufgewendet hat, ohne dass dafür irgendetwas Praktisches für die Umwelt geschaffen wurde und wegen fehlender Gelder vermutlich auch nicht geschaffen wird?
Zu 2.:
Auf die Frage der Finanzierung wurde bereits eingegangen.
Die Erstellung eines Konzeptes ist ein notwendiger erster Schritt, um Maßnahmen zu definieren, die als nächstes umgesetzt werden sollen. Das nun folgende Klimaschutzmanagement ist beantragt und ich bin zuversichtlich, dass eine Bewilligung erfolgen wird und wir mit der Umsetzung bald beginnen können.
3. Will das Bezirksamt zusätzlich die Förderung eines Klimaschutzmanagers für das ½ km² große Viertel am Klausenerplatz bei weiteren Kosten von etwa 155.000 € Steuergeldern beantragen, obwohl es im Dezember 2011 endgültig die vier Jahre alte Forderung der BVV nach einem Klimaschutzkonzept für den Gesamtbezirk mit seinen 64 ¾ km² wegen mangelnder rechtlicher Eingriffsmöglichkeiten abgelehnt hat?
Zu 3.:
Die Beantragung der Förderung eines Klimaschutzmanagers wurde im Be-zirksamt einstimmig beschlossen und im Umweltausschuss fraktionsübergreifend befürwortet. Die von Ihnen genannte Summe kann ich nicht bestätigen; die Summe wird erst im Zusammenhang mit der Antragstellung ermittelt. Die Finanzierung erfolgt aus zweckgebundenen Mitteln und nicht aus Haushaltsmitteln des Bezirks.
Zu dem Klimaschutzkonzept für den Bezirk: Das Bezirksamt hat die Forderung der BVV nach einem Klimaschutzkonzept für den Gesamtbezirk nicht abgelehnt. Es sieht lediglich vorerst davon ab, „ein bezirkliches Klimaschutzprogramm (im Sinne einer Konzeptentwicklung, die inhaltlich und flächenhaft den gesamten Bezirk abdeckt) zu entwickeln“ (Vorlage zur Kenntnisnahme Drs. 1182/3). Das Bezirksamt hat sich entschieden, die für ein solches Konzept erforderlichen personellen Ressourcen zunächst in das Öko-Kiez-Vorhaben zu lenken mit dem Ziel, erfolgreiche Maßnahmen zur CO²-Minderung auch auf weitere Teile des Bezirks übertragen zu können.
4. Wie kommt es, dass zwei – vom selben Geschäftsführer geleitete und im Klau-senerplatzkiez ansässige – Firmen vom Bezirksamt/Umweltamt immer wieder im Zu-sammenhang mit „Ökokiez 2020“ bevorzugt beteiligt werden?
Zu 4.:
Es wurden keine Firmen vom Bezirksamt bevorzugt beteiligt.
5. Hat das Bezirksamt bereits – wie die Kollegen in Pankow – mit der Gewobag Verhandlungen aufgenommen, um die Mietpreissteigerungen, die durch das Klima-schutzkonzept (Stichwort: energetische Sanierung) nachdrücklich gefördert werden, zu dämpfen und sozialverträglich zu gestalten?
Zu 5.:
Das Bezirksamt hat bisher keine Verhandlungen mit der GEWOBAG aufgenommen. In den Steuerungsrunden wurde diese – nicht nur auf Maßnahmen der GEWOBAG zutreffende – Problematik aber thematisiert.
Jantzen