„Ökokiez“: 0 bis 26 Stimmen Zustimmung auf ½ km²!
Gelöste Stimmung herrschte auf dem sichtlich erleichterten Podium, als der Diskussionsleiter, Herr Dr. Reusswig vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, mit den Worten, die Diskussion sei zum Ende hin „sehr zivil geworden“, die offizielle „Informationsveranstaltung zum Ökokiez 2020“ beendete. Die letzten 23 Minuten zuvor waren dem offensichtlichen Hauptzweck der Veranstaltung gewidmet gewesen: Man wollte von den Teilnehmern eine Art demokratischer Zustimmung für „Ökokiez 2020“ haben, um Dritten gegenüber sagen zu können: „Schaut her, sie wollen es doch!“
So wurde Maßnahme für Maßnahme (alle 42 schaffte man nicht) gefragt: „Was finden Sie sinnvoll?“
Die erste Maßnahme - „AG 1 Integriertes Klimaschutzmanagement“ – auf deutsch: der Posten eines Klimaschutzmanagers für drei Jahre à etwa 50.000 € öffentliche Gelder – erhielt 19 Stimmen von anfangs 70 Anwesenden, also 27,1%. Bei der ganzen Abfrage kam ein einziger Punkt - „VK 1 Attraktivität des Rad- und Fußgängerverkehrs erhöhen“ - mit 26 Stimmen (von noch 55 Anwesenden) und somit 47% in die Nähe einer ansehnlichen Unterstützung, alle anderen Maßnahmen wurden noch viel deutlicher nur von einer Minderheit als sinnvoll angesehen.
Über die lokale Zustimmung zu „Ökokiez 2020“ läßt sich nach dieser offiziellen Auszählung nur sagen: Es gibt sie nicht einmal hier in nennenswertem Umfang.
Was besonders hängenblieb, waren drei Aussagen:
- a) „Der Bezirk hat zu wenig Geld.“
- b) „Nichts, was hier steht, ist irgendwie beschlossen.“
- c) Das Viertel um den Klausenerplatz hat eine bessere CO2-Bilanz als die anderen Teile des Bezirks, weil hier von 1970 bis 1995 saniert wurde.
Zu a): Ja, er ist sogar der am stärksten verschuldete der ganzen Stadt. Daher ist es um so notwendiger, daß mit jeglichen öffentlichen Mitteln, selbst wenn sie von dritter Seite kommen, sparsam und effizient umgegangen wird. Davon wollte jedoch die Stadträtin (Grüne Partei) offensichtlich nichts wissen: Den mehrfachen Hinweis auf die ihr längst bekannte Entscheidung des Geldgebers „Projektträger Jülich“, nicht mehr öffentliche Gelder an halbe Quadratkilometer zu vergeben, weil es für den Umweltschutz wirkungslos ist, überging sie beharrlich mit Schweigen. Die Frage, ob es denn nirgendwo im Restbezirk (64 ¼ km²) dringenderen Handlungsbedarf für die Umwelt gäbe, lies sie unbeantwortet.
Braucht die Bevölkerung des Bezirks eine Umweltstadträtin, die so parteiisch mit öffentlichen Mitteln umgeht zuungunsten des Umweltschutzes im Gesamtbezirk?
Zu b): Die Stadträtin widerlegte sich in Ihren Begrüßungsworten gleich selbst, indem sie mitteilte, daß der Antrag auf Förderung eines Klimaschutzbeauftragten bereits an den Projektträger Jülich abgeschickt sei – oder wird der Antrag jetzt etwa zurückgenommen, nachdem sogar hier nur 27,1% ihn für sinnvoll hielten? Außerdem gibt es im Bezirksfaltblatt für den Abend einen ganzen Abschnitt mit dem Titel „Wie geht es weiter?“, der deutlich macht, daß alles mögliche schon längst beschlossen ist.
Brauchen die Bürger des Bezirks ein Stadträtin, die ihnen auf solche Weise etwas vormacht?
Zu c): Mehrere Teilnehmer berichteten begeistert über ihre persönlichen Beiträge zum Schutze der Umwelt und wie das das Gemeinschaftsgefühl im Hause fördere und unterstützen deshalb „Ökokiez 2020“ für den ½ km². Das ist völlig in Ordnung, wenn man etwas für die Umwelt tut, und heutzutage völlig normal, als Privatperson dabei nur auf seinen eigenen Kiez zu schauen.
Aber, Frau Jantzen, Sie sind Bezirksstadträtin für Umwelt. Sie haben die Verantwortung für den ganzen Bezirk und nicht nur für ein Viertel, das eh schon einen Vorsprung hat. Wo man hinkommt, wenn man parteilich die einen Bürger den anderen vorzieht, sieht man doch gerade an der Auseinandersetzung Horstweg vs. Knobelsdorffstraße, auch eine Folge von „Ökokiez 2020“. Klientelpolitik ist zwar üblich, aber das brauchen wir nicht wirklich. Diesen Eindruck der Klientelpolitik bestätigte auch noch Ihr Parteikollege vom Kreisverband im Überschwang des Moments unter dem Beifall seiner Anhänger, als er am Ende der Veranstaltung sagte: „Wir können richtig stolz auf diesen Beispielkiez sein.“
- Das Faltblatt des Bezirks mit 2.500 Exemplaren und in Farbdruck: Frau Stadträtin, Sie haben noch nicht gesagt, wieviel es gekostet und wer das bezahlt hat (vermutlich das Bezirksamt, also der Steuerzahler?). Bitte geben Sie wenigstens nachträglich Auskunft. Und wieviel dienstliche Arbeitsstunden zu welchem Preis wurden bisher für „Ökokiez 2020“ von unseren Steuergeldern in Ihrem Amt (besonders dem Umweltamt) aufgewendet? Gab es dafür keine praktische Verwendung im Umweltschutz?
- Gänzlich fehlte an diesem Abend die Diskussion über die Folgen der energetischen Sanierung für die Mieten und die Mieter. Insofern hatte der Diskussionsleiter ganze Arbeit geleistet im Sinne der Stadträtin, die, wie zu hören gewesen war, dieses Thema „Bloß nicht!“ in ihrer Veranstaltung haben wollte. Hier kann im Abschnitt „Kosten“ dazu nachgelesen werden und über den neuesten Stand hier.
Man versteht dann schon, warum die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewobag mitmacht, ohne sich reinreden zu lassen.
- Zum Schluß sei noch auf den Bericht im Tagesspiegel vom 2. März 2012 verwiesen, ganz besonders auf die schon über 40 Kommentare.
MichaelR
MichaelR - Gastautoren, Politik - 03. März 2012 - 22:44
Tags: bezirksamt/charlottenburg/gentrifizierung/gewobag/klausenerplatz/michaelr/modernisierung/sanierungsvorhaben/ökokiez
Kein Kommentar
Kein Trackback
Trackback link: