Asbest in Wohnungen (III)
Wir hatten im November letzten Jahres zum Thema Asbest in Wohnungen berichtet. Dann gab es eine weitere Entwicklung: die Anwaltskanzlei Sven Leistikow & Roland Schreyeck erwirkte für Mieter vom Klausenerplatz in zweiter Instanz vor dem Landgericht zuerst ein sogenanntes Feststellungsurteil.
Nun ist ein weiteres Urteil ergangen, welches den betroffenen Mietern ein Recht auf Mietminderung zugesprochen hat. Die Berliner Zeitung hat dazu einen Artikel gebracht:
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Die Richter entschieden jetzt, dass bereits eine gerissene asbesthaltige Fußbodenfliese zu einer Mietminderung in Höhe von zehn Prozent berechtigt.
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Im vorliegenden Fall wurde die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobag dazu verpflichtet, einem Mieter für die Zeit von Januar 2006 bis Juli 2008 eine Mietminderung von monatlich 77,23 Euro zu gewähren – insgesamt also 2394,13 Euro.
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Das Landgericht ließ eine Revision gegen seine Entscheidung, die am 16. Januar erging, nicht zu. Die Wohnungsbaugesellschaft Gewobag erklärte am Dienstag, sie prüfe, ob sie Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einlege.
Der Berliner Mieterverein (BMV) begrüßte das Urteil des Landgerichts und forderte einen Sanierungsfahrplan für die landeseigenen Wohnungsunternehmen. Die Mieter müssten zudem über die Risiken der asbesthaltigen Baustoffe informiert werden, sagte BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. Ähnlich äußerte sich der Bauexperte der Grünen im Abgeordnetenhaus, Andreas Otto. Er sagte, es müsse eine Bestandsaufnahme über die betroffenen Asbest-Wohnungen geben.
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Quelle: Berliner Zeitung vom 30.01.2013
Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf und auch andere hiesige Politikerinnen und Politiker zeigten bisher keinerlei Interesse an diesem Thema und lassen bis heute jeglichen diesbezüglichen Einsatz für die Menschen vermissen.
Anders handelten dagegen Schöneberger Bezirkspolitiker. Einen beispielhaften Einsatz zeigt auch Herr Andreas Otto (MdA), der sofort aktiv geworden ist und zum politischen Geschehen informierte. Seine Mitteilungen geben wir im Anhang wieder.
Sehr geehrte Damen und Herren,
die jüngsten zwei Urteile gegen die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft GEWOBAG machen vor allem deutlich, dass Asbest nach wie vor ein Problem in Berliner Wohngebäuden ist.
Das Landgericht Berlin hat in einem Fall eine Schadenersatzpflicht für Spätfolgen bei Kindern festgestellt. Asbest-Erkrankungen treten oft 20 oder mehr Jahre nach Einatmen von Fasern auf. Weil es in zwanzig Jahren vielleicht keinen Berliner Senat oder keine GEWOBAG mehr gibt, muss ein grundsätzlicher Anspruch bereits heute festgestellt werden und das Wohnungsunternehmen muss entsprechende finanzielle Vorsorge treffen.
Heute war Presseberichten zu entnehmen, dass in einem weiteren Urteil eine Mietminderung bei gebrochenen Asbestplatten in der Wohnung berechtigt ist. Auch dieses Urteil richtet sich gegen die GEWOBAG.
Offenbar hat dieses Unternehmen viele Häuser, in denen Asbestfasern austreten könnten. Die GEWOBAG sieht im Augenblick leider ihre Hauptaufgabe darin, Ansprüche der Mieterschaft gerichtlich abzuwehren. Dazu findet sich in der Anlage die Antwort des Senates auf eine mündliche Anfrage von mir. Besser wäre es, sich um Bestandsaufnahme und Sanierung zu kümmern.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat bereits im April 2012 einen Antrag zum Thema in das Parlament eingebracht. Wir wollen eine Bestandsaufnahme, eine Kennzeichnung der belasteten Gebäude und einen Fahrplan zur Sanierung. Neben den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften muss es auch um Bestände anderer Eigentümer gehen.
Der Antrag liegt seit einem Dreivierteljahr im Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr und wurde zuletzt im November 2012 durch die Koalitionsmehrheit von der Tagesordnung abgesetzt. Offenbar wollen CDU und SPD eine Beschlussfassung zu dem gefährlichen Thema verhindern.
Siehe auch: Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen "Asbestgefahr in Wohngebäuden aktuell bewerten und transparent machen" (Drucksache 17/0293).
Weiterhin:
Drucksache 17 / 20 247
Nicht behandelte Mündliche Anfrage Nr. 19
des Abgeordneten Andreas Otto (GRÜNE)
aus der 25. Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 17. Januar 2013 und Antwort
"Welche Verantwortung haben Wohnungsbaugesellschaften für Asbestfolgeschäden?"
Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre nicht erledigte Mündliche Anfrage gemäß § 51 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses wie folgt:
Frage 1: Sieht der Senat die Wohnungsunternehmen in der Pflicht, für gesundheitliche Folgeschäden durch Asbeststaub in Wohngebäuden aufzukommen, insbesondere, wenn die vorhergehende Sanierung unzureichend war?
Antwort zu 1: Wohnungsunternehmen haften nach unserer Rechtsordnung wie andere Rechtspersonen auch für die durch ihr Handeln oder Unterlassen nachweislich verursachten Schäden. Dazu zählen natürlich gerade auch Schäden an der Gesundheit oder dem Leben von Menschen. Ein Schadenersatzanspruch wird dann in Betracht kommen, wenn Bauarbeiten am Gebäude oder in den Innenräumen von Mietwohngebäuden unsachgemäß bzw. entgegen den anerkannten Regeln der Baukunst ausgeübt werden. Bei Arbeiten an oder mit asbesthaltigem Baumaterial ist bekanntlich besondere Vorsorge vor Gesund-heitsbeeinträchtigungen erforderlich. Wo diese Vorsorge unterbleibt, können Schadenersatzansprüche gegenüber den Baufirmen oder den Bauherren nicht ausgeschlossen werden.
Frage 2: Trifft es zu, dass die landeseigene GEWOBAG durch mehrere gerichtliche Instanzen versucht, eine Verantwortung für mögliche gesundheitliche Folgeschäden aufgrund von Asbestbelastungen abzuwehren und wie beurteilt der Senat dieses Vorgehen?
Antwort zu 2: Ihre Frage bezieht sich augenscheinlich auf das jüngst in der Presse bekanntgewordene Urteil des Landgerichts Berlin vom 21.12.2012 in einem Einzelfall einer gerichtlichen Auseinandersetzung zur Beseitigung von Fußbodenlatten aus Vinylasbest in einer bewohnten Wohnung der städtischen GEWOBAG. Hier wird über die fachgerechte Bearbeitung und sich daraus möglicherweise ergebende Gesundheitsgefahren gestritten. Nachdem in der ersten Instanz die GEWOBAG obsiegte, haben in der Berufung vor dem Landgericht Berlin die Kläger obsiegt. Das Landgericht Berlin hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits ausdrücklich die Revision zugelassen. Die GEWOBAG sieht sich mit ihren Argumenten nicht ausreichend gewürdigt und wird deshalb Revision erheben. In vorliegendem Fall geht es um die „Feststellung“ einer potentiellen Gefährdung und damit Haftungsverpflichtung, ohne dass bereits heute ein konkreter Gesundheitsschaden eingetreten wäre.
Berlin, den 21. Januar 2013
M i c h a e l M ü l l e r
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Senator für Stadtentwicklung und Umwelt
(Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Jan. 2013)
Andreas Otto, MdA
Bau- und Wohnungspolitischer Sprecher
Vorsitzender des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr
Abgeordnetenhaus von Berlin
- Menschen im Kiez, Politik - 31. Januar 2013 - 00:02
Tags: asbest/gewobag/klausenerplatz/mietminderung/mietrecht/ökokiez
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Heute berichtete der rbb erneut in der Sendung “Klartext” zum Thema Asbest in Wohnungen
GEWOBAG und Senatsverwaltung für Stadtentwicklung haben dazu Interviews verweigert.
Zitat aus der Sendung:
“....
Die GEWOBAG war nicht zu einem Interview zur Asbestproblematik bereit: schriftlich teilt man uns mit, Zitat:
„In unserem Mieterinformationsschreiben werden die Mieter ausdrücklich darauf hingewiesen, Asbest-Arbeiten NICHT selbst auszuführen.“
Aber als Zuzanna P. ihre Wohnung bezog, gab es weder ein Informationsschreiben noch irgendeinen anderen Hinweis auf Asbest im Fußbodenbelag.
.....
Andreas Otto
Bündnis 90/Die Grünen, baupolitischer Sprecher
„Die Kollegen der Koalition haben das dreist abgesetzt von der Tagesordnung, in einer Ausschusssitzung im November, und das war schon sehr bitter, weil es natürlich von einer gewissen Ignoranz zeugt.“
Wir wollen vom Senat für Stadtentwicklung erfahren, wann es diesen Asbestbericht und einen Fahrplan für die Sanierung gibt. Doch dort fühlt man sich nicht zuständig und schickt uns zur Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen. Dort aber die gleiche Antwort und man schickt man uns wieder zurück zum Senat für Stadtentwicklung.
Aber die behaupten wieder: sie sind nicht zuständig.
......”
Quelle: rbb “Klartext” – Sendung vom 13.02.13 22:15
http://www.rbb-online.de/klartext/archiv..