Ökokiez 2020 – Was ist dran?
Die Einladungen zum 09.03.2011 um 19.00 Uhr in der Mensa der Nehringschule waren zahlreich im Klausenerplatzkiez plakatiert. Das Thema des Abends: der Ökokiez 2020.
Gastgeber war das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf vertreten durch Stadträtin für Soziales, Gesundheit und Umwelt Martina Schmiedhofer.
Mitgebracht hatte sie den Leiter des bezirklichen Umweltamtes Graf zu Lynar und die Vertreter Der Firma B&SU Frau Dr. Ricarda Rieck und Herrn André Butz.
B&SU soll ein integriertes kommunales Klimaschutzkonzept für den Klausenerplatzkiez entwickeln, das eine nachhaltige Strategie für Klimaschutz und Energiesparen bis 2020 ermöglicht. Auftraggeber ist das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, da dieses Konzept ausschließlich von Kommunen und Kirchen beantragt werden kann. Die Kosten für dieses Konzept liegen bei 102.000 Euro und wurden vom Bund, Land und der GEWOBAG finanziert.
Der Beginn
Die Präsentation per Laptop und Beamer dauert rund 20 Minuten und wird von Frau Dr. Rieck ausgeführt. Dazu gehören neben verschiedenen Aufschlüsselungen (private Haushalte, Energieversorgung, Verkehr...) auch ein Maßnahmenkatalog und ein Controlling. Die Studie ist in erster Linie eine Verarbeitung von statistischen Daten, die aus verschiedenen Quellen (Strom- Gas- Energieverbrauch ...) zusammengetragen werden. Ein ergänzender Fragebogen für Gewerbe und Haushalte soll mithilfe einer Software den CO2-Verbrauch errechnen. Zudem sollen die eingeladenen Bewohner Vorschläge machen, welche Maßnahmen sie bevorzugen würden.
Und daher gleich das Wichtigste an dieser Stelle (Auszug aus dem "Merkblatt Erstellung von Klimaschutzkonzepten" als PDF):
Ein Klimaschutzkonzept dient als strategische Entscheidungsgrundlage und Planungshilfe für zukünftige Klimaschutzanstrengungen und evtl. Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel. Es zeigt kommunalen und anderen Entscheidungsträgern, welche technischen und wirtschaftlichen CO2-Minderungspotenziale bestehen und welche Maßnahmen zur Verfügung stehen, um kurz-, mittel- und langfristig CO2-Emissionen einzusparen und Energieverbräuche zu senken.
Klimaschutzkonzepte umfassen alle klimarelevanten Bereiche. Bei Kommunen sind das in der Regel mindestens die eigenen Liegenschaften, die Straßenbeleuchtung, die privaten Haushalte und die Bereiche Gewerbe, Handel und Dienstleistungen, Industrie, Verkehr, Abwasser und Abfall.
Dieses Konzept ist ein erster Schritt, um mögliche Bundesmittel zu beantragen.
Sie betrifft nicht direkt energetische Gebäudesanierung Kiez, die für viele Gebäude ansteht.
Nach der Erstellung muss die BVV Charlottenburg-Wilmersdorf vorgeschlagene Maßnahmen beschließen, um Fördermittel zu beantragen.
Es werden Fragen gestellt, auch von mir, welchen Nutzen dieses Gutachten nun für den Kiez hat?
Die Antworten von der B&SU sind eher allgemein, sie verweisen auf die vorgeschlagenen Maßnahmen, die, falls finanziert (öffentlich oder privat) und umgesetzt, durch ein Controlling begleitet werden. Elmshorn ist ein Beispiel, hier wurde ein Energiesparmanager beschäftigt. Es können also auch Private und Unternehmer auf das Konzept zurückgreifen, eine Finanzierung ist allerdings eine andere Sache.
Die Enttäuschung
Es waren einige Anwesende im Publikum, die eine direkte Verbesserung in ihrer Wohnung oder Haus erwartet hatten. (Hausdämmung, Dachisolierungen, bessere Fenster und Heizsysteme ...)
Sie wurden enttäuscht.
Denn diese 102.000 Euro teure Studie nimmt diese Probleme gerne mit auf, aber sie hat mit der energetischen Gebäudesanierung keine wirkliche Verbindung.
Dazu heißt es im Merkblatt:
Für eine erfolgreiche Umsetzung des Klimaschutzkonzepts ist es notwendig, die betroffenen Verwaltungseinheiten, Investoren, Energieversorger oder Interessenverbände wie Handwerkskammern und Umweltverbände einzubinden. Schon bei der Erstellung des Klimaschutzkonzepts sollten gemeinsam die umzusetzenden Maßnahmen ausgewählt werden. So können frühzeitig Hemmnisse identifiziert, Lösungen zu ihrer Überwindung entwickelt und Kooperationen gebildet werden. Förderfähig sind in diesem Zusammenhang unter anderem Interviews oder Workshops.
Wenn also die verschiedenen Vertreter schon Maßnahmen auswählen, hat dies wesentlichen Einfluss auf die Studie. Daher also der Wunsch Private und Gewerbe mit einzubinden. Die GEWOBAG und auch die erwähnten angeschriebenen Hausbesitzer (deren Interesse von Herrn Lynar als gering bezeichnet wurde) zeigen zumindest kaum Interesse. Die GEWOBAG als Mitfinanzierer will das Konzept ergebnisoffen beraten. Als Aktiengesellschaft in öffentlicher Hand stellt sich sicherlich die Frage, warum sie hier Geld für ein Konzept ausgibt, dass der Bund ausschließlich für Kommunen und Kirchen fördert?
Über 50 mögliche Maßnahmen will die B&SU ausarbeiten, eine davon ist die Energieberatung in den Haushalten. Somit soll das Energiesparen ins Bewußtsein rücken, eine äußerst effektive Waffe gegen den CO2 Ausstoß. Nicht nur teure Ökotechnik, sondern einfach Energiekosten reduzieren (Strom, Gas, Wärme, Benzin).
Die Entlarvung
Ein Besucher machte uns übrigens nach einer guten Stunde darauf aufmerksam , dass zwei Klappfenster in der Mensa offen stehen und die Heizung hochgedreht war. Niemand hatte es bemerkt, ich nicht, die Grüne Schmiedhofer nicht, Graf zu Lynar vom Umweltamt nicht, Frau Dr. Rieck nicht und vor allem die nicht, die an der Fensterfront mit ihren Tischen standen.
Dort wurden die Fragebögen platziert, die – genau – den CO2 Ausstoß erfassen sollen.
Da sind wir dann beim Datenschutz. Die Bögen enthalten relevante persönliche Daten allererster Kajüte. Wer sie mitnahm und ausfüllte, konnte sie „auch“ bei Kiezbündnis (so Herr Butz) abgeben. Doch wer stellt sicher, dass dort korrekt damit umgegangen wird. Wer soviel Geld für eine Studie bekommt, sollte Datenschutzrichtlinien besser beachten und erklären.
Wer Daten anderer zur Verfügung stellt, und dies wird möglicherweise auch die GEWOBAG sein, muss darauf achten, ob es persönliche sind, und wie damit umgegangen wird. Das Kiezbündnis erfüllt wohl kaum die Standards für eine solche Zwischenlagerung.
Es wird lauter
So plätschert die Veranstaltung zwischen Sinn und Sinnsuche dahin, der Ton wird deutlicher und rauher, auch ich lasse mich hinreissen. Eine Anwohnerin bemerkt, dass die Sperrung der Knobelsdorffstraße Autofahrer zu Umwegen zwingt, und so unnötig CO2 ausgestoßen wird. Der Graf antwortet stehend, die Vollsperrung sei doch mehrheitlich hier beschlossen worden. Mir reicht´s, ich blaffe ihn an:“ Das ist Quatsch!“
Hintergrund meines Unmutes ist das Verfahren, das der Graf anspricht. Bei der Abstimmung waren die meisten Befürworter Anwohner, die direkt an der Kreuzung wohnen.
Eine solche Abstimmung als Grundlage eines administrativen Aktes mit dem daraus resultierenden Beschluss der BVV zu rechtfertigen, ist an sich ein Skandal. Nicht die Sperrung ist das Problem, sondern wie sie zustande gekommen ist. Die Gegner der Sperrung wurden bei der spärlich und kurzfristig plakatierten Veranstaltung schlecht informiert, das ganze Abstimmungsverfahren ist schlicht unfachlich und somit wenig demokratisch.
Ich halte die Vollsperrung daher für falsch, solange die Folgen für alle Anwohner und Gewerbe nicht gelöst sind.
Um ausreichend Zeit zur Diskussion zu haben, bietet Frau Schmiedhofer an, die geplanten Anregungen der Anwohner auf den 30.03. am selben Ort nachzuholen. Der Vorschlag wird abgestimmt und angenommen.
Die Hanselgruppe
Der anwesende Mieterbeirat Klausenerplatz, ein gewähltes Gremium der GEWOBAG-Mieter, bringt einige Unruhe mit ihren kritischen Fragen und Erklärungen in die Veranstaltung.
Als letzter Redner spricht Bernd Maier von der ehemaligen Gebietskoordination, der auch im Kiezbündnis Klausernerplatz aktiv ist.
Er sieht diese Studie als großes Glück für den Kiez, um Fördergelder zu akquirieren, er schwört und verspricht, dass es wichtig ist für uns den Ökokiez 2020 zu unterstützen und rückt damit das kritische Hinterfragen in das Licht seiner eigenen Wahrheit.
Den Mieterbeirat beschimpft er mehrmals als „Hansel“, die dem Kiez schaden, wenn sie sich gegen Ökokiez und das Konzept stellen.
Ich reihe mich gerne in diese Hanselgruppe mit ein - nicht nur weil ich mitten drin sitze – sondern weil ich im Moment noch zu dumm bin den Nutzen dieser Studie zu erkennen.
Wer wird mit diesem teuren Prunkstück arbeiten, auf welchen Schreibtisch wird es liegen und in welcher Schublade wird das Klimakonzept für 102.000 Euro aufbewahrt ???
Zum Abschluss
Die Überzeugungsarbeit von B&SU lässt manch wichtige Fragen offen, nur weil Öko drauf steht, ist das noch kein Beweis, ob es dem Bezirk weiterhilft.
Denn eine weitere Konzeptförderung ist für die nächsten acht Jahre nicht möglich (siehe Merkblatt).
Wenn der Bezirk diese Gutachten benötigt, dann sollte nicht vergessen werden: Es gilt nur für den Kiez! Normalerweise werden solche Konzepte für Stadtteile oder Städte gemacht.
Und noch etwas sei bemerkt, wenn "Ökokiez 2020" nur für den Klausenerplatzkiez erstellt wird, welche Fördermittel müssten dann hierher fließen, um die Kosten dieser Studie zu rechtfertigen.
Und wird diese Studie veröffentlicht?
C. Reuß - Gastautoren, Kiez - 13. März 2011 - 22:24
Tags: förderprogramm/klausenerplatz/klimaschutz/ökokiez/ökokiez2020
sechs Kommentare
Nr. 6, maho, 20.03.2011 - 00:44 “ Für die kommende Bürgerrunde würde ich mir insofern wünschen, wenn vorab im Mieterrat (?) die groben Bedenken und Wünsche der Anwohner gesammelt und zusammengefasst werden, sodass es eine konstruktive Auseinandersetzung an konkreten Punkten geben kann.” Damit wird sich der Mieterbeirat für alle Aspekte befassen, welche die Mieter betreffen. Gut wäre es sicher, wenn sich auch jemand mit den Bedenken und Wünschen der Anwohner zu anderen Punkten beschäftigt. PS Der Mieterbeirat ist eine Mietervertretung bestehend aus Mietern und keine Partei – die andere Seite schon. (ich weiß schon, was Du meinst – nur als kleine “erklärende Spitze” dazu) Was Dein Bemühen zu Betrachtungen von Vertrauen und einer besseren Welt betrifft, dann ist das schon für den Umgang “normaler” Menschen miteinander ganz in Ordnung. Wir haben es hier (leider) mit Politik und entsprechendem (Hintergrund-) Wirken zu tun. Diese Politiker sind (leider) besonders weit von einer anständigen Welt entfernt. Siehe: http://blog.klausenerplatz-kiez.de/archi.. Auch noch: Hintergründe aus anderen Blogs zur Vorgeschichte, falls von Interesse: http://klausenerplatz.twoday.net/stories.. [Anmerkung: da ich gerade erst den Kommentar von Betz entdeckt habe und dort ohne Registrierung nicht mehr kommentieren kann: “ ...die behauptung von martin hoffmann, es gebe eine abmahnung mit der androhung des ausschlusses aus dem kiezbündnis ist ebenso frei erfunden …. “ Diese Abmahnung liegt schriftlich vor, unterschrieben vom damaligen Vorstand des Kiezbündnisses, darunter Nicole Ludwig, Fraktionsvorsitzende der Grünen in der BVV. Ich kann sie Interessierten jederzeit zeigen. Wie auch noch vieles mehr] http://www.schockwellenreiter.de/2007/02.. |
Kein Trackback
Trackback link:
Es scheint mir derzeit, als wär bisher (nur) eines bei all den ganzen geförderten Papierentwürfen herausgekommen: Keinerlei Umsetzung jedenfalls. Dafür Geld und Stellen für ein Klimabüro ( gibt es schon im Bezirk und ist ja bereits dabei / http://blog.klausenerplatz-kiez.de/archi.. ), ein sog. Klimamanager – ausgestattet mit Mitteln für Öffentlichkeitsarbeit und Klimaschutz-Workshops.
Stellen für Bimmelbahn-Lokführer, -Schaffner, -Weichensteller habe ich bisher nicht finden können – wäre also was Neues.
Um was geht es also…... oder: wem geht es um was?
Nachtigall, ick hör dir trapsen
PS
Ob man sich schon für die Stellen bewerben kann?
Ach, kommt bestimmt noch eine öffentliche Ausschreibung!!
Werden ganz sicher nicht schon intern vergeben sein.
Ginge ja gar nicht!