Wohnen und die große Öko-Bio-Abzocke
Ulli hatte gerade auf den wirklich immer lesenswerten Gentrification Blog hingewiesen. Vom Titel her irgendwie zu einem im Kiezer Weblog passend, gibt es dort einen Beitrag "Alles Bio – oder was? Ökologie der Aufwertung". Das paßt zum "Öko-Kiez 2020" und der Artikel im Blog von Andrej Holm geht noch wesentlich weiter in die Tiefe.
Die Rede ist darin von einer ökologischen Ertragslückenschließung, die insbesondere auch in Altbauvierteln als neu eröffnete Modernisierungsspielräume zu massiven Mietsteigerungen führen werden. Die Orientierung an der ökologischen Nachhaltigkeit im Kontext städtischer Umbaumaßnahmen ist eben nicht neutral, sondern wird soziale Ungleichheiten eher noch verstärken.
>> Ob Konsumorientierungen, Freiflächenplanung oder Bauprojekte: Die zukunftsorientierte Erneuerung der Stadt und ihrer Lebensweisen wirft vor allem soziale Fragen auf. <<
So sieht es aus und man sollte den Artikel im Gentrification Blog komplett lesen. Wir wollen mal andere Aspekte (z.B. Anfänge, Prozesse und Eigendynamik von Aufwertung und Vertreibung) weglassen und nur das Thema Mieten betrachten. Welche Probleme stellen sich den an Mietsteigerungen Interessierten in einem Quartier - speziell unter den jetzt für sie günstigen Bedingungen eines angespannten Wohnungsmarktes? Da gibt es erstmal die Anwohner, die derzeit darin wohnen. Ob sie vielleicht schon lange in ihrem Kiez wohnen, ob es mit ihren Angehörigen und Nachbarn ihr Zuhause ist, ob es ältere Menschen sind, die man nicht einfach verschieben kann? Solche Werte spielen keine Rolle und sind ja für konsequente Renditenmaximierung geradezu absurd. Diese Bestandsmieter sind das Problem schlechthin. Nicht umsonst wurde aus Sicht der Mieter der Satz geprägt: "Wer sich bewegt, verliert". So überholt das geltende Mietrecht mit der Kappungsgrenze nach § 558 BGB von derzeit 20 Prozent Mieterhöhung in 3 Jahren auch sein mag, so ist es doch immer noch eine Begrenzung. Auch wenn das schon so etliche Mieter mit geringeren Einkommen trifft und zum Verlassen ihrer Wohnungen zwingt, so langt das den Interessierten keinesfalls. Erst bei Neuvermietung ebnen sich die Wege, die Mieten massiv in die Höhe treiben zu können. Die alten Bestandsmieter auf die Schnelle loszuwerden, ist durch bestehenden Kündigungsschutz nicht so einfach und läßt sich in größerer Zahl, wie schon gesagt, nur nach und nach durchsetzen.
Doch es gibt eine Möglichkeit den Bestandsmietern mit Steigerungen,
unabhängig und zusätzlich zu den Grundmietenerhöhungen nach § 558 BGB,
ans Fell zu gehen. Das sind eingeschobene Modernisierungsmaßnahmen, die
auf die Miete umgelegt werden dürfen. Was soll man aber modernisieren,
wenn das Haus schon mal saniert wurde - wenn jedenfalls der Zustand
nicht gerade uralt ist? Luxusmodernisierungen mit Marmorbädern und ähnliches? -
das wird schon gern gelegentlich von den sog. "Heuschrecken"
praktiziert. Das allgemein umzusetzen, ist etwas schwieriger. Es könnte
Unruhe in den Quartieren bereiten und macht sich für landeseigene
Wohnungsbaugesellschaften ausgesprochen schlecht - selbst wenn das von
der Politik so gern dargestellte "soziale" Wohnungsangebot für Menschen
mit weniger Geld schon lange reine Heuchelei ist (Stichwort: Sozialer
Wohnungsbau).
Wie könnte es nun besser kommen, endlich einen plausiblen Grund
gefunden: Klimaschutz kommt auf den Tisch. Die Gelegenheit überhaupt!
Wer kann schon etwas gegen Klimaschutz haben? Das muß man doch einsehen
und die dringende Notwendigkeit verstehen. Nun wird ja auch kaum jemand
etwas dagegen haben. Es ist halt nur das Geld und ein Problem für alle,
die nach energetischer Sanierung ihre Mieten nicht mehr bezahlen können.
Welche Erhöhungen dabei rauskommen können, haben wir ja gerade erlebt (4 Euro möglich - 2,27 Euro pro
Quadratmeter umgelegt). Die Interessierten interessiert das
natürlich nicht. Ganz im Gegenteil. Es ist die Chance überhaupt, nicht
nur den Bestandsmietern richtig ans Geld zu gehen, sondern sie in
effizienten Größenordnungen zu vertreiben. Denn das werden viele nicht
bezahlen können. Umso besser für die Interessierten. So haben sie gleich
zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: entweder bezahlen die
Bestandsmieter künftig mehr, oder die Wohnung wird endlich leer und kann noch zusätzlich mit einem freien Aufschlag auf den Markt geworfen
werden. Etwas Besseres konnte ihnen also wirklich nicht passieren.
Dazu wollen uns altbekannte Akteure zum Projekt "Ökokiez 2020" erzählen, das alles würde hier bei uns im Kiez niemand mehr Miete kosten. Nur bei uns nicht!
Weil es da nämlich Fördertöpfe beim Bund geben soll, auf die spekuliert
wird. Ja, und wenn nicht? Wenn gar noch andere eifrig mit spekulieren?
Egal - das Terrain ist auf jeden Fall schon mal vorbereitet und es wird
ja vielleicht auf dem Weg schon was für die eigene Tasche abfallen. Der
Weg kann ja schon das Ziel sein - nicht wahr?
Da lachen ja die Hühner: Den Glauben an selbstlos Dukaten scheißende Esel haben wir schon seit der Kindheit verloren. Engel haben sich auch schon als scheinheilig erwiesen. Was wir allerdings tatsächlich bei entsprechend günstiger Witterung in unserem Kiez oft direkt vor Augen haben sind eklige Fliegen, die um einen Haufen Hundekacke schwirren - voll drauf auf Öko-Bio.
- Gesellschaft, Kiez, Politik - 13. März 2011 - 22:00
Tags: berlin/gentrification/gentrifizierung/klausenerplatz/klimaschutz/modernisierung/sanierung/ökokiez2020
ein Kommentar
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Ökokiez 2020 ein Konzept als MarketingGag von der Agentur Unbekannt&Friends?
Kaum fassbar, welche Verwirrung hier geschaffen wurde. Ein Verein "erstellt" ein Projekt Ökokiez 2020, braucht dafür ein williges Bezirksamt, um ein Klimakonzept zu erstellen, um dann daraus vielleicht einen Ökokiez zu machen.
Was also steht in diesem Projekt???
Bimmelbahn, Autofreie Zone, Bepflanzung der Strassen, Windräder und Geothermie???
Will das wirklich ernsthaft jemand im Kiez durchsetzen?
Wie soll das finanziert werden?
Mit öffentlichen Geldern und ein bisschen (schwanger) Mieterhöhung?
Hier füttert ein politischer Wolf seine bürgerlichen Schafe …