Der Skandal: Hausverkauf Danckelmannstraße 14
Die Mieter in der Danckelmannstraße 14 haben immer noch keine Ruhe. Der Kampf vor den Gerichten geht weiter - Räumungsklagen wurden schon beschlossen. So soll ein Mieter seine Räume übergeben, wurde aber vorher noch mit einem Hausverbot belegt - nur ein Gipfel des Geschehens. Wir hatten hier im Kiezer Weblog mehrfach dazu berichtet: 12.01.2008 / 08.04.2008 / 14.04.2008 / 21.04.2008 / 03.05.2008.
Jetzt wurden wir auf einen Artikel der "jungen Welt" aufmerksam gemacht, den wir folgend wiedergeben.
Zur Vorabinformation:
* Wem der Name Wir nichts (mehr) sagt: früher Neue Heimat, dann WIR
Wohnungsbaugesellschaft und seit Mai 2008 GEWOBAG WB - entsprechend ist
auch die Rechtsnachfolge.
* Wem der Name diges nichts sagt: dem sagt vielleicht die Firma argus
"arbeitsgruppe gemeinwesenarbeit und stadtteilplanung argus gGmbH"
etwas. Weitere Informationen zu argus und der "diges Gesellschaft für
Stadtforschung und Wohnungswirtschaft mbH" sind in der kürzlich an alle
Haushalte verteilten Broschüre zur Kiezkonferenz - Bürgerhaushalt (Seiten 23, 30, 35), auf dieser Webseite (Zeitschrift "Inländer") und auch auf dieser Webseite (BerlinOnline) zu finden.
* Wem der Name SPD nichts (mehr) sagt: Das sind jene Reste einer
politischen Partei, die unserem Kiez schon Unheil genug gebracht haben
und sogar aktuell immer noch tun. Neben der Hauptverantwortlichkeit
(Senatsverwaltung für Stadtentwicklung - SPD-Senat) für den Ablauf des
Hausverkaufs in der Danckel 14, haben sie z.B. auch die frühere und
jetzige Lage zu den sog. §17-Wohnungen
zu verantworten. So scheint die angeführte Einstellung - ... zu lange
her und viel zu umständlich im Archiv zu suchen ... nur ein kleiner Teil
ihrer Einstellung die Bürger betreffend zu sein. Genau das kennt auch die Mieterini aus unserem Kiez, als sie dieser SPD alte (möglicherweise "unstimmige?"!) Bauabrechnungen zu den §17-Häusern präsentierte. Weitere Informationen speziell zur SPD unseres Bezirks sind übrigens auch unter den Links (siehe einen Punkt zuvor Broschüre zur Kiezkonferenz ff) und auch hier zu finden.
Dank geht an C. und U. für die Infos.
Die Wiedergabe des kompletten Artikels erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Redaktion junge Welt.
Mieter wollten kaufen, durften aber nicht
Einst besetztes Haus in Berlin-Charlottenburg ging aus städtischem in privaten Besitz
Von Conny Liedtke
Die Hochzeit der Berliner Hausbesetzerszene ist lange vorbei. Doch in einigen der Gebäude leben die einstigen Besetzer immer noch – ganz legal, mit Mietvertrag. Aber nicht überall ist Harmonie eingekehrt. Ein Beispiel dafür ist die Danckelmannstraße 14 in Berlin-Charlottenburg: Dort sorgt die Privatisierungspolitik und das Vorgehen der städtischen Wohnungsbaugesellschaft WIR – heute GEWOBAG – für Unmut.
Die Geschichte beginnt in den 1960er Jahren mit einem städtischen Sanierungsprogramm für das Viertel rund um den Klausener Platz, einem Arbeiterviertel mit Altbauten in sehr schlechtem Zustand. Abrißpläne und beabsichtigte Luxusmodernisierungen rufen den Widerstand der Anwohner hervor, in den 80ern kommt es zu Hausbesetzungen. Die Gegenwehr hat Erfolg: Die Mieten bleiben nach den Sanierungen relativ niedrig. Eigentlich ist es also eine gute Geschichte, die da erzählt wird. Sie handelt auch von der Solidarität zwischen Anwohnern und Hausbesetzern, von konstruktiver Zusammenarbeit zwischen Politik und Bürgern, von engagierter Kiezarbeit. Umso unverständlicher ist das Ende der Geschichte.
Dieses beginnt mit dem Abschluß des Sanierungsprogramms im Jahr 1995. Häuser, die nicht umfassend erneuert wurden, sollen veräußert werden. Die Reprivatisierung soll nach dem Willen von Senat, Bezirk und dem Sanierungsträger, der städtischen Wohnungsbaugesellschaft WIR, »sozialverträglich« sein. Deshalb werden die Häuser vorrangig den Mietern offeriert, die dieses Angebot zum großen Teil annehmen.
Auch in der Danckelmannstraße 14 sind die Bewohner an einem Kauf interessiert. Als Preis für das zweite Hinterhaus werden 725000 Euro genannt, die Mieter bekommen 600000 Euro zusammen. 2002 wird das Angebot der WIR vorgelegt sowie dem Senat, der den Verkauf genehmigen muß. Dann passiert lange nichts. Erst zwei Jahre später, im November 2004, bewegt sich etwas – aber anders als erwartet. Die kaufinteressierten Mieter erfahren durch Zufall, daß der Verkehrswert des Hauses neu fest gesetzt worden ist. Das Haus soll jetzt nur noch 425000 Euro kosten. Es sei allerdings bereits ein Interessent gefunden, der schon eine Woche später den Kaufvertrag unterschreiben werde. Tatsächlich dauert es noch über ein Jahr bis zum Verkauf, den Mietern wird dennoch kein Angebot unterbreitet. Im Jahr 2006 geht das Haus für 425000 Euro an die private »Gesellschaft für Bodenverkehr (GfB)« mit Sitz im gutsituierten Zehlendorf.
Wenig später spricht die Gesellschaft die ersten Kündigungen und Mieterhöhungen aus. Zwar sind Kündigungen durch eine Sozialklausel im Kaufvertrag für die Dauer von zehn Jahren augeschlossen – die GfB aber findet juristische Schlupflöcher. Der Trick: Viele der Bewohner haben nur Untermietverträge, für diese gilt die Klausel nicht. Gegen einen Bewohner gibt es bereits ein rechtskräftiges Räumungsurteil, drei Prozesse befinden sich in der Berufungsinstanz und einer wird noch am Amtsgericht verhandelt. Die Hoffnung, diese Prozesse zu gewinnen, ist gering.
Bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat man zu den Vorgängen wenig zu sagen. Sprecherin Manuela Damianakis erklärte gegenüber jW schlicht, es sei versucht worden, an die Mieter zu verkaufen, dies aber sei gescheitert. Der Kollege, der damals zuständig gewesen sei, arbeite nicht mehr in der Senatsverwaltung, den Schriftwechsel aus dem Archiv zu holen, sei zu umständlich und sowieso alles viel zu lange her. Im übrigen habe man sich in der Sache voll auf die WIR verlassen. Die Wohnungsbaugesellschaft verweist wiederum auf die Beratungsgesellschaft diges, die 2002 im Auftrag von Senat und WIR das Angebot der Mieter eingeholt hatte. Trotz »intensiver Mieterberatung durch diese erfahrene und unabhängige Gesellschaft«, so GEWOBAG-Sprecher Volker Hartig, sei es schließlich nicht zur Veräußerung an die Mieter gekommen. Die Bewohner der Danckelmannstraße 14 können über solche Erklärungen nur lachen – ändern können sie nichts mehr.
Quelle: Tageszeitung junge Welt vom 15.05.2008
- Gesellschaft, Kiez, Menschen im Kiez, Politik - 21. Juli 2008 - 00:09
Tags: danckelmannstrasse/gewobag/klausenerplatz/mieterrechte/spd/wohnungsverkauf
sieben Kommentare
Nr. 3, maho, 22.07.2008 - 02:09 Linda hat im Hauptstadtblog über das “Das bessere Angebot” geschrieben: http://www.hauptstadtblog.de/article/477.. |
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Hallo,
ich frage mich ja, wo denn die Unabhängigkeit beim diges ist? Sitzen mit bei der argus im Raum und die argus bekommt Kohle von der
WIRvon der Gewobag zwecks Gebietskoordination? Ein Schelm der Böses dabei denkt.Und dann
grinstlächelt der Geschäftsführer der argus, der ja wohl als Gebietskoordination im Kiez tätig ist, beim Divan aus dem Bild und seine Frau (die ja wohl die Gebietskoordinatorin ist)grinstlächelt beim Kiezbündnis den Betrachter an.Ja, soviel zur Neutralität und zur Unabhängigkeit..
Vielen Dank an Herrn U.W. und Frau C.J. für die Tipps..
[marcel]