„Ökokiez 2020“: Eine kurzgefaßte Geschichte seiner bisherigen Merkwürdigkeiten
Was ist da bloß los? Da beschwert sich ein Bürger über eine völlig ungenügende Antwort der Umweltstadträtin (Grüne Partei) auf seine Bürgerfrage (Kommentar 3), und die erste Bürgerin von Charlottenburg-Wilmersdorf , die Vorsteherin der BVV (CDU), gerät darüber so aus der Fassung, daß sie postwendend ihren Mitbürger persönlich angreift und herabsetzt (und dies obendrein für eine wirksame Rechtfertigung der mangelhaften Antwort hält). Ihre Anwürfe verbreitet sie zwar selbst in ihrem bezirklichen Winkel der politischen Klasse, verbietet dem Empfänger aber, sie auch der allgemeinen Öffentlichkeit bekanntzumachen. Sehr auffällig ist dabei die Parallele zur Umweltstadträtin, die in dem gerügten Antwortschreiben (2. Anwohnerfrage, Antwort 1) den Fragesteller pikiert darauf hinweist, daß es sie ist, die allein weiß, was die Öffentlichkeit interessiert. Wie kommt es, daß die Vertreterinnen von zwei anscheinend so unterschiedlichen Parteien – die Reaktion der dritten Partei in Gestalt des Bezirksbürgermeisters (SPD) steht noch aus – so unisono darum bemüht sind, eine anständige Informierung der Öffentlichkeit in der Angelegenheit „Ökokiez 2020“ zu behindern?
Um das zu verstehen, wird ein kurze Rekapitulation der bisherigen Ereignisse nützlich sein:
Schon hier gibt es die ersten Merkwürdigkeiten:
Zunächst (Drucksache 0551/3 vom 13.12.2007) fordert die BVV das Bezirksamt nämlich auf, „2008 ein bezirkliches Klimaschutzprogramm zu erarbeiten und der BVV vorzustellen“. Davon rückt das rot-grün dominierte Bezirksamt jedoch Mitte Dezember 2011 endgültig ab und beschränkt sich auf den ½ km² (siehe unter „Ergänzend zum 3. Zwischenbericht ...“). Daß die Begründung dafür äußerst windig, weil unlogisch ist, kann hier nachgelesen werden. Da war der Leiter des Umweltamts wohl ehrlicher, als er am 10.1.2012 in der Sitzung des Umweltausschusses sagte, dies sei „eine Anerkennung des Engagements der Bürgerschaft", was heißt, es gab keine sachbezogenen Gründe dafür. Die Berliner Zeitung vom 25.2.2012 nannte dann allgemeinverständlich den tatsächlichen Beweggrund für die bezirkliche Umweltpolitik im Viertel um den Klausenerplatz: „ein [rot-grünes] Geschenk an die eigene Klientel“.
Als im Mai der „Ökokiez 2020“ auf der Webseite des Bezirksamts zum „Thema des Monats“ gemacht wird, verzichtet die CDU als Oppositionspartei in der BVV auf eine deutliche Kritik an dem Zustandekommen und beschränkt sich auf die recht müde Bemerkung: „Mit dem Beschluss der BVV, ein Klimaschutzprogramm für den Bezirk zu initiieren, sollte ein Programm erarbeitet werden, das alle Abteilungen erfasst und von Klimaschutzmaßnahmen für den gesamten Bezirk ausgeht. Daraus ist nun ein Klimaschutzprogramm für den Klausenerplatz geworden.“ Wieso hält sich die CDU in der Öffentlichkeit so zurück, während sie hinter vorgehaltener Hand Kritik äußert? Geht es hier nach dem Motto „Haust du meine Klientel nicht, ...“?
Üblicherweise ist diese „Beschäftigungsposition“ beim Umweltamt angesiedelt. Aber der Amtsleiter erklärt, daß sein Amt dazu nicht in der Lage sei. Man hat auch gleich einen Ersatz: einen langjährigen Geschäftspartner des Bezirksamts.
Kleiner Exkurs zum langjährigen Geschäftspartner des Bezirksamts: von 2001 bis 2010 in dessen Auftrag als Gebietskoordinator im Klausenerplatz-Kiez tätig (Kosten: zuletzt angeblich 30.000 € im Jahr, vorher weit mehr vom Senat - es ist bislang in der Öffentlichkeit völlig unbekannt, ob es je eine Ausschreibung o.ä. dafür gab); 2008/9 Empfänger von 7.200 € für das Pilotprojekt „Prima Klima“ (siehe unter „Was geschah bisher?“); jetzt (gleichzeitig in Personalunion auch als Vertreter eines Bürgervereins) in der Steuerungsgruppe von „Ökokiez 2020“ u.a. zusammen mit dem Bezirksamt aktiv.
Der Geschäftsführer des langjährigen Geschäftspartners war nicht nur bei der Sitzung der Steuerungsgruppe am 25.1.12 anwesend, sondern wirkte auch an deren Vorschlag zugunsten seiner eigenen Firma mit. Auf die schriftliche Anfrage, wie das Bezirksamt zu dieser Selbstbegünstigung stehe, gab die Umweltstadträtin folgende Antwort: „Das Bezirksamt sieht in der Diskussion und Empfehlung der Steuerungsgruppe zur Ansiedlung der Stelle kein Problem.“ (3. Einwohnerfrage, Antwort 3) Auf Nachfrage versicherte die Stadträtin am 14. Mai per Email an den Autor, daß sie ihrer Antwort nichts hinzuzufügen und daß es keinerlei Begünstigung gegeben habe.
Höchst merkwürdig ist auch, daß das Bezirksamt diesen Weg einer Public Private Partnership mit einem freien Träger einzuschlagen fest entschlossen ist, ohne zu wissen, welche zusätzliche Kosten der Öffentlichkeit dadurch entstehen werden: „Zu prinzipiell möglichen Kosten durch die Einschaltung eines freien Trägers gibt es derzeit keine Berechnung.“ (April 2012: 3. Einwohnerfrage, 2. Antwort). Und im Mai auf die erneute Frage, ob man jetzt die möglichen Kosten kenne, ein schlichtes „Nein“ (2.Einwohnerfrage, 3. Antwort). Es sieht geradezu so aus, als ob der Bezirksamtsmehrheit eine mögliche weitere Belastung des Bezirkshaushaltes oder anderer öffentlicher Geldgeber egal ist, wenn sie die PPP mit ihrem langjährigen Geschäftspartner in die Wege leiten kann.
Zum Schluß noch ein weiteres Detail zur Abrundung der vielen Merkwürdigkeiten: Die Suche nach dem Klimaschutzmanager selbst soll dann dem privaten Träger überlassen werden (Mai-Anfrage, 5. Antwort): Wird dann aus der „Public Private Partnership“ endlich die „Publicly Paid Private Partnership“?
Die bisher offiziell bekanntgewordenen Ausgaben öffentlicher Gelder im Zusammenhang mit „Ökokiez 2020“ belaufen sich auf 109.200 € für das Pilotprojekt „Prima Klima“ und das Klimaschutzkonzept, von den vielen Arbeitsstunden im Umweltamt einmal ganz abgesehen. Sollte die Bezuschussung eines Klimaschutzmanagers genehmigt werden, kämen vermutlich mindestens 150.000 € in drei Jahren dazu, außerdem die noch unbekannten Kosten für den freien Träger, was zusammen dann mindestens 259.200 € ausmacht – vor gut zehn Jahren wären das noch über ½ Million DM für ½ km² gewesen. Zur Sinnhaftigkeit dieser Geldausgaben siehe unter „Wie sinnvoll ist ...“ .
MichaelR
Kopien dieses Textes gehen an die Vorsteherin und die Fraktionen der BVV sowie an das Bezirksamt, an den Projektträger Jülich, den Landesrechnungshof und den Bund der Steuerzahler und außerdem an die zuständigen Redakteure von Berliner Zeitung, Tagesspiegel, taz, Berliner Morgenpost, Berliner Woche und Spiegel.
Falls irgendwelche Merkwürdigkeiten hier unerwähnt bleiben, werden die Leser gebeten, sie in Form von Kommentaren nachzutragen.
Weitere Informationen unter:
* Tag Ökokiez
Michael R. - Gastautoren, Politik - 18. Juni 2012 - 23:14
Tags: bezirksamt/charlottenburg/klimawandel/michaelr/sanierungsvorhaben/umweltschutz/ökokiez/ökokiez2020
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Argus aktiv : In der Wilhelmstr. 56-59 soll ein Wohnblock von der Firma B.Ä.R. abgerissen werden, die Mieter wehren sich: „Die Bürgerinitiative Wilhelmstraße protestiert in einer Erklärung „gegen die beabsichtigte Vernichtung von Wohnraum und die damit einhergehende Vertreibung der Mieter aus dem Innenstadtbereich“ ( http://www.tagesspiegel.de/berlin/wohnbl.. ). Statt die Mieter zu unterstützen „teilte das „Hauptstadtreferat“ der Senatsverwaltung den Mietern nur mit, dass die Firma Argus mit einem so genannten Sozialplanverfahren beauftragt worden sei (Schreiben vom 8. Juni, das der taz vorliegt). Normalerweise hilft ein Sozialplanverfahren den Mietern bei Modernisierung, eine Umsetzwohnung zu finden. Mehr noch. Die Kosten des Verfahrens trägt der Eigentümer, also die B.Ä.R. GmbH. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing – so sieht auch die Beratung aus: Auch im Schreiben von Argus an die Mieter ist von ihren Rechten keine Rede.“ ( http://taz.de/Steit-um-die-Wilhelmstrass.. )
Und wer ist Argus? „argus GmbH – Mieterberatung für Abriss Wilhelmstraße 56-59, arbeitsgruppe gemeinwesenarbeit und stadtteilplanung argus gmbh“ ( http://wilhelmstrasse.org/archives/2561 ) Also niemand anders als der obengenannte langjährige Geschäftspartner des BA, der nach dessen Willen für den Ökokiez tätig werden soll oder vielmehr schon ist. Wollen wir das wirklich?