26.11.2013: fünf Monate nach der Pressemitteilung „Zeitzeugen gesucht“
Ende Juni dieses Jahres rief Bezirksbürgermeister Naumann in einer Pressemitteilung (1) Zeitzeugen des Mordes an einem 17jährigen Deserteur auf, sich zu melden, um so zur Errichtung einer Gedenktafel beizutragen. Was ist seitdem passiert?
Zeitzeugen
Eine Reihe von Menschen, die meisten zwischen Ende 70 und Anfang 90, haben sich gemeldet; neun von ihnen berichteten für diesen Blog, wie sie das Kriegsende erlebt haben. Ihre Erzählungen machen deutlich, was Krieg eigentlich bedeutet, und wir erleben auch, wie schwer es manchen von ihnen fiel, selbst fast 70 Jahren später darüber zu sprechen, so schrecklich waren die Erlebnisse für sie, darunter auch der Anblick von auf offener Straße erhängten Deserteuren. Aber auch Erleichterung ist zu spüren, daß wir uns heute mit den damaligen Verbrechen beschäftigen: „Froh bin ich darüber, dass dies endlich an die Öffentlichkeit kommt.“
Wir haben allen Grund, diesen Menschen dankbar zu sein, die uns – trotz aller Schmerzen, die ihnen das verursachte – aus ihrem Leben erzählen, denn ihre damaligen Erfahrungen sind für uns wichtig: sowohl was das blindwütige Ende betrifft als auch seine Vorbereitung durch eine militaristische Erziehung. (2)
Was also die Zeitzeugen betrifft, ist in diesen fünf Monaten die Zeit gut genutzt worden. Und wie steht es mit der Gedenktafel selbst?
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MichaelR - Gastautoren, Geschichte -
Im April angekündigt, im Oktober noch nicht vollzogen: Der Verkauf der Maison de France am Kurfürstendamm. Die Eigentümerin des Gebäudes ist die französische Republik, aus Kostengründen will sie zahlreiche Immobilien weltweit veräußern und das kulturelle Angebot in den Botschaften zentralisieren. Würde diese Drohung Realität, verlöre Berlin einen weiteren kulturellen Ort der Sonderklasse.
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Andrea Bronstering - Gastautoren, Kunst und Kultur -
Schon der Titel „Der Geschmack von Chlor“ und die nahezu ausschließlich in grünlichem und bläulichem Türkis gehaltenen Seiten machen deutlich: dies ist ein Comic aus der Welt der Hallenbäder. 2009 erhielt Bastien Vivès dafür auf dem renommierten Comic-Festival von Angoulême den Preis als bester Nachwuchskünstler. Was läßt jemanden an gechlortem Hallenbadwasser Gefallen finden?
Niemals wäre der junge Mann ins Hallenbad gegangen, wenn ihm sein Krankengymnast nicht dringend dazu geraten hätte; dafür ist sein Abscheu gegen Wasser zu groß. Vivès beobachtet ihn dabei genau: wie er vor dem Strahl der Dusche zurückweicht, seine vom Chlor brennenden Augen reibt, immer wieder am Beckenrand hängt und tolpatschige Schwimmbewegungen macht. Die Farbgebung beschränkt sich neben Türkis auf Beige für die Körper und Schwarz für die Badesachen, die Bilder haben klare Linien und sind aufs Wesentliche reduziert, um sich so auf die Hauptsache zu konzentrieren: die Gefühle des jungen Mannes, die sich in seiner Körperhaltung und seinem Gesichtsausdruck widerspiegeln. Gesprochen wird wenig, und wenn er und die junge Frau, die er dort kennenlernt, sich unterhalten, dann geht es dabei fast nur um Schwimmtechniken und -erfolge.
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MichaelR - Gastautoren, Kunst und Kultur -
Ein hartnäckiger Berliner Mythos besagt, die Stadt sei dazu verdammt, immerfort zu werden und niemals zu sein. Diese Ode auf den Wandel verschweigt, dass Veränderung auch Verlust bedeuten kann. Der Drang aus aller Welt auf diese Stadt treibt Mieten und Grundstückspreise in die Höhe, Opfer dieser Entwicklung sind etwa die typischen Pensionen in Charlottenburg. Das legendäre Bogota in der Schlüterstraße ist akut von der Räumung bedroht, die nicht minder legendäre Belle Etage am Lietzensee hat dieses Schicksal bereits im Februar ereilt. Abgesang auf eine Berliner Institution.
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Andrea Bronstering - Gastautoren, Gesellschaft -
Der erste Teil ist hier nachzulesen.
Joachimstaler Platz
Der vierte Platz ist der Joachimstaler Platz. Er wurde 1936 (5) nach dem Joachimsthalschen Gymnasium benannt, das von 1880 bis 1912 nahebei in der Bundesallee 1-12 untergebracht war. Seit den 1990er Jahren sollte der Platz umgestaltet werden, aber es fehlte am Geld. Das kam dann 2002 in Höhe von 512.000 € von der Grothe Immobilien Projektierungs KG, die just dabei war, das gegenüberliegende Neue Ku‘damm-Eck zu bauen. Der Wettbewerb zur Neugestaltung des Platzes führte allerdings, da kein Vorschlag die Jury wirklich überzeugte, nur zu einem Entwurf mit einem 2. Preis der dann doch zur Ausführung gelangte.
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MichaelR - Gastautoren, Politik -
Von den sieben Plätzen des Kurfürstendamms liegen fünf auf Charlottenburger Gebiet (die restlichen zwei – Rathenau- und Henriettenplatz – in Wilmersdorf). In der folgenden 2 ½ km langen Wanderung von West nach Ost wird ein Blick auf sie geworfen.
Lehniner Platz
Die Wanderung beginnt an dem vor 1893 nach einem brandenburgischen Ort benannten Lehniner Platz. Er wurde ursprünglich durch Kurfürstendamm, Roscher- und Damaschkestraße begrenzt, jedoch ist letztere Straße an dieser Stelle aufgehoben und ihre Fläche dem Platz zugeschlagen worden. Seit Mai 2007 gibt es einen Bauernmarkt (sonnabends 9 bis 15 Uhr) auf einem Stück der ehemaligen Straße; ein weiteres Stück ist als Bouleplatz hergerichtet. Im Juni 2012 wurde der neugestaltete Platz eingeweiht unter Beteiligung von Senatsbaudirektorin, Bezirksbürgermeister und Baustadtrat (SPD), der bei dieser Gelegenheit feststellte: „Der Platz hat durch die zweite Baumreihe mit integrierten Bänken und der Boulebahn entscheidend an Aufenthaltsqualität gewonnen." (Berliner Morgenpost, 12.6.2012)
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MichaelR - Gastautoren, Politik -
Was kann man von einem Autor erwarten, der damit protzt, „elffacher Teilnehmer an der Pilgerreise zum Horstweg" zu sein (wohin genau pilgerte er denn da?) sowie „Absolvent der Fahrradprüfung und Träger des Ehrenwimpels" (immerhin macht er sich damit bestimmt manch einen Ökokiezler gewogen) - was kann man also von solch einem Autor erwarten?
Z.B. dies: Statt knuspriger Frühstücksbrötchen im Sonnenschein auf dem Balkon das übliche Müsli, nur weil „Beim Bäcker" sich eine ältere Kundin im großkarierten Mantel vordrängelt und mit ihren Fragen nach gluten- und laktosefreiem Gebäck ein hitziges Wortgefecht zwischen mehreren studierten Kunden, einer Mutter mit Kinderwagen und einem Muskelmann heraufbeschwört, das damit endete, daß jene besagte Kundin mit den letzten beiden Brötchen von dannen zieht (mit denen sie allerdings nicht selig wird, denn es gibt da noch diesen Hund von nebenan). Dann ist da noch eine Familie, die ihr Leben zum größten Teil „In den Arcarden" verbringt, wobei sie quer durch das Europa der EU manch Überraschung erlebt und schließlich in Vilnius ihre Tochter aus den Augen verliert, was die Eltern aber nicht weiter beunruhigt, denn die Tochter „ist doch eine von uns. So was weiß sie einfach": daß es nämlich nächste Woche bei der Wiedereröffnung von Apollo Optik 500 Payback Extrapunkte gibt. Also auf ein frohes Wiedersehen in Herne!
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MichaelR - Gastautoren, Kunst und Kultur -
Der Name ist geblieben, der Ort hat gewechselt. Vor einigen Jahren verlegte die „Galerie am Savignyplatz“ ihre Räume in den Kiez am Klausenerplatz. Hervorgegangen aus der Studentenbewegung 1967ff, zeigt die Galerie zeitgenössische gegenständliche Kunst. Am Freitag, den 18. Oktober fand die Vernissage statt zur Ausstellung „Lars GUSTAFSSON – Nina WEITZNER // Holz und Papier // Skulptur und Radierung“. Die beiden Kunstschaffenden waren anwesend.
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Andrea Bronstering - Gastautoren, Kunst und Kultur -
Die Verfasserin der folgenden Erinnerungen war zu Kriegsende 18 Jahre alt.
Aufmerksam geworden bin ich auf Grund einer Notiz im „Tagesspiegel“ über einen durch die SS erhängten Jungen kurz vor Kriegsende.
Ich melde mich, weil ich dasselbe in den letzten Kriegstagen Ende April 1945 vor der Ruhrstraße 14 in Wilmersdorf erlebt habe. Auch dort wurde ein 16-jähriger Junge aufgehängt, den man noch zum Volkssturm eingezogen hatte. Er wollte nur weg, weg zu seiner Mutter. Ich weiß nicht, ob seine Mutter je erfahren hat, was mit ihrem Kind geschehen ist, denn der Name war unbekannt.
Jahrzehntelang habe ich das verdrängt, plötzlich ist es wieder gegenwärtig. Jahrzehntelang habe ich geglaubt, diese Wahnsinnstat war eine Einzeltat, nun muss ich erkennen, es war System.
Ich war damals 18 Jahre alt und brauchte Jahre, aber verarbeitet habe ich das nie. Aber das kann man wohl auch nicht. Froh bin ich darüber, dass dies endlich an die Öffentlichkeit kommt. Wieviel Leid, das nicht hätte sein müssen.
Ich selbst bin dann mit meiner Mutter am 9. Mai 1945 nach Charlottenburg zu meiner Großmutter gezogen, die kurz darauf starb. Berlin war damals ein einziger Trümmerhaufen. Überall lagen tote Menschen und tote Pferde auf der Straße, viele Menschen schlachteten die Tiere aus, um sie zu essen, denn der Hunger war groß. Ich selbst setzte meine Ausbildung in Dahlem fort, während meine Mutter als Trümmerfrau in der Wilmersdorfer Ecke Krumme Straße mit aufräumte, was der Krieg hinterlassen hatte. Von meinem Vater und meinem Bruder wussten wir nichts, das machte das Leben nicht leichter. Ende des Jahres kamen beide aus amerikanischer Gefangenschaft nach Hause. Ein großes Glück in dieser Zeit.
Es ist mir nicht leichtgefallen, all dies zu Papier zu bringen. Musste ich doch feststellen, wie tief all das noch in mir ruht, mich bewegt, mich berührt und vielleicht meine Haltung als Mensch bis heute beeinflusst hat.
I. D. – Oktober 2013
I.D. - Gastautoren, Geschichte -
Vom Bezirksamt 9 Monate lang verzögert durch dessen beharrliches Ansinnen, die von ihm behaupteten möglichen „Entschädigungszahlungen bis zu einer Höhe von 25 Millionen Euro“ zwecks Abschreckung ins Unterschriftenformular zu setzen, begann am 10. September doch endlich die Unterschriftensammlung für ein Bürgerbegehren, mit dem die Kleingärtner von Oeynhausen und ihrer Unterstützer nach mindestens 7257 Unterstützern suchen für die
Aufforderung an das Bezirksamt, „das Gebiet des Kleingärtnervereins Oeynhausen e.V. durch zügige
Fortsetzung des Bebauungsplanverfahrens bis zur Planfestsetzung des bereits aufgestellten
Bebauungsplans IX-205a dauerhaft zu sichern“,
was auf deutsch heißt: Der Bebauungsplan soll nun endlich der BVV vorgelegt und von ihr beschlossen werden! (Nebenbei bemerkt: Die vom Volk von Charlottenburg-Wilmersdorf gewählten Verordneten hätten schlappe 28 Hände in die Höhe strecken müssen für eine gleichlautende Aufforderung. Allerdings ist - trotz aller Beteuerungen ebendieser Volksvertreter von wegen dringendem Wunsch nach Bürgerbeteiligung etcetera – weder für die SPD noch für die übergroße Mehrheit der Grünen Partei der Wille des Volkes von Wilmersdorf-Charlottenburg relevant genug, um ihn auch noch umzusetzen; dafür setzen sie sich aber freundlicherweise dafür ein, daß ihr Volk Bürgerbegehren und -entscheide veranstalten darf, um an diesen Verordneten vorbei seinen Willen durchzusetzen.)
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MichaelR - Gastautoren, Politik -
Klar, das Land Berlin muß „angesichts von 63 Milliarden Euro Schulden“ (1) sparen. Da dies bei so staatstragenden Unternehmungen wie z.B. Stadtschloß, U5-Verlängerung, Staatsoper, A-100-Verlängerung oder „Europas modernstem Flughafen“ und neuerdings einer Eingangshalle auf der Museumsinsel (2), deren Kosten noch vor der Grundsteinlegung unerwartet von 73 Mio. auf angebliche 98,8 Mio. bzw. realistische 110 Mio. (und am Schluß wohl auf noch viel mehr) gestiegen sind - da das natürlich nicht geht, spart man eben u.a. bei der Gasbeleuchtung. Sogar eine zwischen Gas und Elektrizität vergleichende Berechnung von Kosten und Umweltverträglichkeit hat man sich gespart (3). Und ebenso spart sich der SPD-CDU-Senat eine Beachtung des Bürgerwillens, wie er sich im Herbst 2012 in 20.759 Unterschriften zugunsten der Gasbeleuchtung ausdrückte.
Nun haben sich zwei weitere Stimmen zur Erhaltung der Gasbeleuchtung gemeldet: der World Monuments Fund und der Historiker Peter Burman:
Der World Monuments Fund, eine weltweit aktive, angesehene Denkmalpflege-Institution, begründet seine Entscheidung, die Gasbeleuchtung auf seine Rote Liste der bedrohten Kulturgüter zu setzen, folgendermaßen:
“The lamps themselves … are both an important element of industrial
heritage and a character-defining feature of the urban landscape. But it
is also the gaslight, the aura it casts across the darkness of the
Berlin’s avenues and neighborhoods, that uniquely defines the experience
of nighttime Berlin and is a treasured aspect of life in the city.“ (4)
Der britische Historiker Peter Burman (Edinburgh und Cottbus) hebt in seinem Gutachten hervor, daß in über 150 Jahren eine Vielzahl von ästhetisch ansprechenden Laternenformen geschaffen worden sei, die ein wichtiges Zeugnis der Technikgeschichte darstellten; nirgendwo auf der Welt gäbe es noch Gasbeleuchtung in diesem Umfang ; außerdem weist er auf ihre besondere Lichtqualität hin. (5)
Laut Berliner Woche vom 9. Oktober (Seite 3) sind hier im Bezirk seit 2012 bereits 37% der Reihenleuchten beseitigt und auf diese Weise Schneisen in die gasbeleuchteten Viertel geschlagen worden, von denen aus der Senat ab 2016 dann mit den Modell- und Aufsatzleuchten in den kleineren Straßen aufräumen will. Wenn offenbar 20.759 Bürger nicht für die mit „150 Jahren älteste Partei mit der längsten demokratischen Tradition“ zählen, vielleicht tut es dann das tourismusabträgliche Gerede, in das die Landesregierung im Ausland gerät?
MichaelR
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MichaelR - Gastautoren, Geschichte -
Am 27. April stand mein Vater plötzlich vor der Tür unseres Hauses in Blankenfelde und rief: „Die Russen sind da!“ Ich weiß nicht, warum ich aufs Fahrrad sprang, um nach Berlin zu meiner Schwester zu fahren, denn ich kannte mich dort ja gar nicht aus. Den ersten Halt machte ich in Lichtenrade. Dann radelte ich weiter. Es regnete in Strömen. In Tempelhof gab es einen Tieffliegerangriff, Maschinen mit rotem Stern. Eine Frau nahm mich mit in einen Keller. Überall verbreitete ich Angst und Schrecken, wenn ich berichtete, daß die Russen mit Panzern vor der Stadt stehen.
Ich irrte weiter herum, kam zur Straße Unter den Eichen und schließlich nach Lichterfelde Süd. Auf der Suche nach einer Unterkunft klingelte ich da und dort an Haustüren und bat, zackig mit Heil Hitler! grüßend, um eine Übernachtung für eine Nacht. Frau Linse, Ehefrau eines hohen Nazis, nahm mich auf. „Sie müssen alle Bilder an der Wand verbrennen, wir haben es schon getan, die Russen sind da!“, sagte ich ihr. Sie wollte es nicht glauben, sondern rief einen Bekannten in der nahegelegenen SS-Kaserne (1) an und gab mir den Hörer. Er sagte: „Diese Person sofort auf die nächste SS-Wache bringen und erschießen!“ Mein Todesurteil! Aber Frau Linse hat dann doch nicht bei der Wache angerufen. In der Nacht waren wir im Keller. Draußen war es unheimlich ruhig, nur ab und zu zischte eine Leuchtrakete in den Himmel.
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Bernd Lamprecht - Gastautoren, Geschichte -
Zum Thema des Monats Oktober 2013: „Belebung der BVV durch mehr Bürgerbeteiligung“
Die Parteien möchten also die BVV durch mehr Beteiligung von Bürgern beleben? Wenn man die Texte der fünf Parteien durchliest, wird deutlich, daß dieser Wunsch sogar weit über die BVV hinausgeht und zum Ziel hat, die Einwohnerschaft als Souverän unmittelbar in kommunalpolitische Entscheidungen einzubeziehen (1). Dabei geht es den fünf Parteien nicht nur um die höchsten Ebenen wie BVV, Bürgerbegehren, -entscheide, -haushalte und -anträge, sondern um ganz alltägliche Bereiche, wo man außerhalb der BVV ins Gespräch zu kommen versucht, auch wenn sich das (Bürger)Engagement manchmal gegen die eigenen Standpunkte (der Parteien) richtet, denn gerade dies ist ein Ausdruck einer lebendigen Demokratie. Es wird ausdrücklich bedauert, daß das öffentliche Interesse oft noch gering ist, obwohl Bürgerbeteiligung doch heißt, sich einzumischen und seine Interessen aktiv zu vertreten.
Liebe fünf Parteien, das klingt ja sehr schön. Übrigens ließe sich eine allererste und ganz unproblematische Belebung der BVV schon auf der nächsten Sitzung am 24. Oktober dadurch schaffen, daß die Verordneten einfach mal selbst über die Bürgerfragen diskutieren, statt die halbe Stunde möglichst rasch verstreichen zu lassen. Zumindest war von einem solchen Verlauf der Bürgerfragestunde noch nie zu hören.
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MichaelR - Gastautoren, Politik -
Die Erzählerin der folgenden Erinnerungen war zu Kriegsende neun Jahre alt.
Es muß im April [1945] gewesen sein. Ich wurde 1936 geboren, mein Vater Erich Lange war Beamter (Regierungsinspektor) bei der Reichsversicherungsanstalt (später BfA). Wir wohnten in der Ruhrstraße 18a, direkt gegenüber dem alten Gebäude. Es steht heute noch (der Altbau).
Mein Vater war außerdem schon seit Anfang der 30er Jahre in der NS-Bewegung aktiv, als Pg. (1) und SA-Mann. Wenn der „Führer“ nach Berlin kam, gehörte mein Vater zum Begleitkommando – vor allem bei den Reden im Sportpalast. Meine Eltern hatten 1933 geheiratet; meine Mutter ging mit zwei Pistolen, im Regenschirm versteckt, als Zuhörerin dorthin – um ihm bei Bedarf die Waffen zukommen zu lassen (2).
Im Krieg – er war nicht kv (3), weil er beim Straßenkampf mit Kommunisten einen Stich in die Lunge bekommen hatte; er trug einen Pneu, um die Lunge ständig zu lüften – war er durchgehend bei der Reichsversicherungsanstalt und für die Partei tätig. Er sagte jeden Abend zu meiner Mutter, er müsse nun „zum Kreis“, also offenbar zur Kreisleitung der NSDAP.
Auf dem Nachttisch und in der Garderobe lag ständig eine Pistole, die er beim Nachhause-kommen immer ablegte. Wenn er zum Kreis ging, trug er Stiefel und die SA-Uniform – oder seinen grünen Ledermantel.
Wenn ich krank war, kam der SA-Arzt. An Besuche in Arztpraxen kann ich mich nicht erinnern.
Von den politischen Vorgängen bekam ich nichts mit. Meine Mutter war nicht in der Frauenschaft. Ich ging mit meinem Vater in die Häuser, um für die NSV (4) zu sammeln. Wir verkauften deren Abzeichen. Etwa mit sieben oder acht Jahren ging ich auf eigene Rechnung sammeln mit einer Käseschachtel. Es kam heraus und mein Vater schimpfte heftig; ich musste zu allen Spendern gehen, mich entschuldigen und das Geld zurück geben.
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Ilse V. - Gastautoren, Geschichte -
Guten Willen konnte man Michael Müller anfangs jedenfalls nicht absprechen. Bei seiner Vereidigung bemühte er sogar höheren Beistand und schwor als einziger SPD-Senator: „So wahr mir Gott helfe!“ Das war im Dezember 2011. Inzwischen sieht es aber so aus, als würde der Senator für Stadtentwicklung lieber auf andere, viel weltlichere Einflüsterer hören – Herrn Klaus Groth zum Beispiel.
Es scheint so, als würde überall in der Stadt dem Projektentwickler von Müller der Rote Teppich ausgerollt werden. Und für die Wünsche vom Bau-Klaus ist wohl immer ein Senatoren-Ohr zur Stelle. So soll Groth sich selber damit brüsten, sich natürlich im Vorfeld politisch bei Michael Müller abgesichert zu haben, um im Falle der Vernichtung der Kleingartenkolonie Oeynhausen nicht politisch ins Feuer zu geraten. Und Müller war dann auch der erste Großkopferte, der Groths Bebauungspläne für das Schmargendorfer Gelände hinausposaunte.
Kuschel-Kurs mit Groth, an der Forckenbeckstraße gegen den Willen von Anwohnern und Bevölkerung, gegen den Willen der BVV-Mehrheit, gegen Expertenmeinung im eigenen Haus des Stadtentwicklungssenators.
Das alles ficht Michael Müller aber nicht an: Schließlich braucht Berlin ja dringend neue Wohnungen!
In dieses Bild passt aber überhaupt nicht, dass genau dieser Senator mit anderen Bauwilligen ganz anders umgeht. Wie In Pankow. Dort besitzt Möbel-Gigant Kurt Krieger das Gelände des ehemaligen Rangierbahnhofs, will es seit Jahren bebauen. Mit mehreren Hundert Wohnungen, einer Schule sogar, mit Einkaufszentrum und Möbelhaus. Anders als in der causa Oeynhausen soll diesmal praktisch der ganze Bezirk dafür sein: BVV, Anwohner, Einzelhandelsverband und auch zwei Gutachten, von denen eines der Herr Müller sogar selber in Auftrag gab.
Und für Krieger scheint’s auch kein offenes Müller-Ohr zu geben, der Möbel-Kurt beschwert sich nämlich öffentlich, dass der Senator noch nicht einmal seinen Brief beantworten würde.
Was hat Groth, was Krieger nicht hat?
Oeynhausen und Rangierbahnhof, in beiden Fällen geht’s um etwa gleich viel Wohnungsneubau, den so dringend benötigten. Warum aber misst Michael Müller scheinbar mit zweierlei Maß? Sollte Kurt Krieger etwa zu den Investoren gehören, die ihren Wünschen keine edlen Weinflaschen folgen lassen?
Holger J.
Holger J. - Gastautoren, Politik -