Es gibt einige gesicherte Informationen über den 17jährigen Jugendlichen: Er versteckte sich in den letzten Apriltagen 1945 in einem Keller in der Berliner Straße zwischen Uhland- und Fechnerstraße. Er wurde von der SS dort herausgeholt und an einer Laterne vor dem Haus Uhlandstraße 103 aufgehängt. (Die Straße war damals viel schmäler als heute, so daß die Stelle etwa auf dem Mittelstreifen gelegen hat.) Die Wäscheleine dazu hatte man sich im Haus Berliner Straße 33 beschafft. Um den Hals trug der Jugendliche ein Schild mit dem Text „Ich war zu feige, für Deutschland zu kämpfen.“ Zur Abschreckung ließ man ihn dort mehrere Tage hängen. Bis in die 1950er Jahre legten Anwohner am Todestag an dieser Stelle Blumen nieder und erinnerten mit einem beschrifteten Pappkarton an den Mord.
Gleiches hatte sich auch an anderen Orten in Groß-Berlin ereignet. Bekannt ist der Fall des Obergefreiten Höhne, über dessen Ermordung „Der Panzerbär – Kampfblatt für die Verteidiger Gross-Berlins“ am 25.4.1945 berichtete: „An der Kreuzung der Hauptstraße und des Tempelhofer Weges fand die Berliner Bevölkerung einen am Laternenpfahl mit einer Wäscheleine aufgehängten Soldaten. Den Waffenrock trug er nicht mehr. Am Hosenträger befestigte die Bevölkerung als seine Richter ein weißes Pappenschild mit der Aufschrift: ‚Ich, Obergefreiter Höhne aus Berlin, war zu feige, meine Frau und meine Kinder zu verteidigen‘. Dieses ungewohnte Bild in den Straßen der Reichshauptstadt hat in diesen Tagen seine tiefe Berechtigung. Da hängt ein Deserteur. […] Vorbei ist es mit seinem Traum, sich seiner soldatischen Pflicht zu entziehen, sein Volk im Stich zu lassen und unseren Truppen in den Rücken zu fallen. Wer den Tod in Ehre fürchtet, stirbt ihn in Schande." Eine 91jährige Zeitzeugin erinnert sich 68 Jahre später daran, wie sie damals als 23jährige den toten Soldaten dort hat hängen sehen, und sagt: „Der Schock sitzt noch heute in mir.“ Am 8.5.1985 wurde eine Tafel an der Kreuzung von Dominicus- und Hauptstraße (auf dem Mittelstreifen in Richtung Süden) aufgestellt „zum Gedenken an ihn und an die weiteren vielen unbekannten Opfer, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft noch in den letzten Kriegstagen ihr Leben lassen mußten“.
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MichaelR - Gastautoren, Geschichte -
Zum 100. Geburtstag des Kinos in der Blissestraße am 15. Juni 2013
Der Name der Straße, die vom Ortskern des alten Wilmersdorf Richtung Süden nach Steglitz führt, ist in den letzten 150 Jahren mehr als ein halbes Dutzend geändert worden: Im 19. Jahrhundert hieß sie Steglitzer Weg. Seit etwa 1880 nannte man sie im nördlichsten Abschnitt Steglitzer Straße und im weiteren Verlauf Grüner Weg (gelegentlich wegen ihrer Lage an der Grenze zwischen Wilmersdorf und Friedenau auch Grenzstraße). 1888 erhielt der Wilmersdorfer Abschnitt zwischen Berliner Straße und Ringbahn den Namen Augustastraße nach Prinzessin Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach (1811-1890), der Frau
von Kaiser Wilhelm I. (der Steglitzer Teil heißt seitdem Laubacher Straße). Im Mai 1937 benannten die Nationalsozialisten die Straße um in
Stenzelstraße nach einem SA-Mann, der am 5. Januar 1933 Ecke Detmolder Straße bei Auseinandersetzungen mit Antifaschisten getötet worden war. Seit Juli 1947 heißt sie nun
nach den Stiftern des Blissestifts in der
Wilhelmsaue Blissestraße.
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MichaelR - Gastautoren, Geschichte -
In Erinnerung an Frau V.
Diese Privatstraße ist selbst in der näheren Umgebung manchem nicht bekannt; kein Wunder, ist sie an ihren Enden doch nur durch Toreinfahrten betretbar, und ein Straßenschild hat sie auch nicht wirklich. Eigentlich ist es auch nur ein Weg über einen langgestreckten Gartenhof, der Horstweg und Wundtstraße miteinander verbindet: der Vereinsweg.
Seinen Namen erhielt der Vereinsweg zwischen 1910 und 1912 nach dem Beamten-Wohnungs-Verein zu Berlin, der diese Wohnanlage zwischen 1907 und 1909 von Paul Mebes für seine Genossenschaftsmitglieder bauen ließ – zusammen mit weiteren Häusern längs des Horstwegs einschließlich der Kopfbauten an Sophie-Charlotten-, Danckelmann- und Wundtstaße (damals: Königsweg). Diese beiden Wohnanlagen westlich und östlich der Danckelmannstraße stehen als „Charlottenburg IIa und b“ unter Denkmalschutz.
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MichaelR - Gastautoren, Geschichte -
Eine Kindheit in der Nachkriegszeit
Vereinzelt standen noch Wohnblocks in der Spessartstrasse, jedes zweite Haus war zerbombt oder dem Erdboden gleichgemacht. Überall wurden die Brachflächen zum Anpflanzen von Obst und Gemüse verwendet, zusätzlich wuchsen viele Blumen wild.
Dem Eckhaus Spessartstrasse 13 zur Gabelung an der Assmannshauserstrasse fehlten der Dachstock und das Obergeschoss. Immer wieder regnete es durch die verbliebenen Holzlatten und Dielen, der Treppenaufgang war feucht und muffig und der Zutritt ab der dritten Etage war versperrt. Im Treppenaufgang waren früher beidseits grosse Spiegelflächen, jetzt waren sie zersplittert. Immer wieder übernachteten in der Eingangshalle Obdachlose, Heimkehrer oder anderweitig Heimatlose. Wir Kinder hatten immer ein wenig Angst vor diesen Männern, vollkommen grundlos, waren sie doch in einer schlechteren Lage als wir, die in den Wohnungen von den ehemaligen Besitzern aufgenommen wurden.
Zwischen den verschiedenen Hausflügeln war ein winziger geschlossener
feuchter Innenhof, der niemals von der Sonne beschienen wurde, er roch
stets moderig. Dort waren wiederholt Bettler mit Drehorgeln, denen wir
Kinder gerne Groschen zuwarfen. Meistens verfehlten diese ihr Ziel, die
Filzmütze. Wir gingen dann, obwohl verboten, in den Innenhof und
sammelten die Groschen für die Strassenmusikanten ein und übergaben
diese mit Stolz. Auf der offenen Hinterhaus-Fläche nach Norden stand die
eiserne Teppichklopfstange, rhythmisches Schlagen war täglich zu hören,
sie war unser erstes Klettergerüst. Auf den Nordbalkonen lagerten Holz,
Äpfel und Kartoffeln, die wichtigsten Reserven für die Winterzeit, die
Vorratskammern bei den Küchen waren für Einlagerungen der Marmeladen-
und Einmachgläser aus den Gartenfrüchten vom Sommer. Milchprodukte - so
erhältlich - verdarben im Sommer rasch, sie waren nur in den kühlen
Monaten geniessbar. Die Wäsche wurde in riesigen Zinnzubern auf dem
offenen Herdfeuer gekocht unter ständigem Rühren mit der Holzkelle und
unter Zugabe der Schmierseife, die nicht gut roch.
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Harriet Keller-Wossidlo - Gastautoren, Geschichte -
Zum Bibliotheksentwicklungsplan (DS 0160/4) von Mai 2013
Eigentlich sollte dieser Bericht anfangen mit den Worten „Die gute Nachricht zuerst – mit einer bezirklichen Zentralbibliothek wird es vorerst nichts“. Aber der letzte Satz des Bibliotheksentwicklungsplan (III.8.) ließ schon Ungutes vermuten: Der alte Traum von einer Zentralbibliothek, und sei es auch nur eine „kleine“, hat die Fachbereichsleitung und ihren Stadtrat weiterhin fest im Griff.
Aber es kommt noch schlimmer und läßt den Bibliotheksstadtrat wieder Morgenluft wittern: Die Eigentümer von Bismarckstraße 105 (III.2.B.) und Wilmersdorfer Arcarden haben sich wieder gemeldet; hinzu kommt ein dritter Interessent am Ende des Kurfürstendamms in Halensee. Alle drei Betreiber lockt die Hoffnung auf einen Vertrag mit langer Laufzeit (10-15 Jahre plus Verlängerung). Alle drei Orte haben außerdem gemeinsam, daß sie außerhalb (bzw. im dritten Fall: am äußersten Rand) von Wilmersdorf liegen. Es stört aber keinen der Funktionsträger, daß Wilmersdorf dadurch – nach dem Verlust des Heimatmuseums und des Archivs sowie jetzt des Rathauses – noch weiter „ausgetrocknet“ würde, indem es nun auch noch seine Hauptbibliothek verlieren würde und diese höchstens als ein Standort zur „Grundversorgung“ erhalten bliebe. (Was das konkret heißt, läßt der Bibliotheksstadtrat offen.)
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MichaelR - Gastautoren, Politik -
Bei dem Kampf Mann gegen Frau um das Bundestagsmandat im Wahlkreis 80 geht es jetzt also darum, daß „nur Taten (zählen) für die Bürgerinnen und Bürger, die auch bis zum 22. September 2013 umgesetzt werden“ – wie es so treffend im zweiten Teil von „Mission: Bundestagsmandat – SPD“ heißt. Neben den schon dort genannten Bewährungsproben bietet sich – unter vielen weiteren – auch diese an: die Unterlaufung der Informations- und Kontrollmöglichkeiten der Bürger umgehend und nachprüfbar zu beenden.
Die SPD bekam ja bereits in einem offenen Brief die Gelegenheit zur Stellungnahme – und vielleicht antwortet statt Bürgermeister Naumann ja Bundestagskandidatin Radziwill. Aus Gründen der Parität ist zum selben Thema heute der Bundestagskandidat der CDU, Herr Gröhler, dran.
Bundestagskandidat Gröhler und die Beseitigung der Einwohnerfragen
Gegen Herrn Gröhler wurden in letzter Zeit mehrere Beschwerden gerichtet, weil er Einwohnerfragen unvollständig und/oder erst nach vielen Wochen beantwortete. Liegt es ihm nicht, daß seine Bürger ihn nach seinem Handeln befragen? Diesen aus demokratischer Sicht unschönen Eindruck verschärfte er noch selbst mit seiner schriftlichen Stellungnahme zu einer der Beschwerden, als er am 17.12.2012 Frau Stückler, BVV-Vorsteherin und Parteikollegin, darauf hinwies, daß nach seiner Rechtsauffassung
der Bürger keinen Anspruch auf detaillierte Antworten und schon gar nicht in Schriftform habe.
Er leitete seine Rechtsauffassung aus § 43 Satz 2 des Bezirksverwaltungsgesetz vom 10.11.2011 ab, in dem es zum Thema „Einwohnerfragestunde“ heißt:
„Das Bezirksamt ist verpflichtet, in der Einwohnerfragestunde Stellung zu nehmen.“
Aus diesem Satz abzuleiten, das Bezirksamt sei nicht verpflichtet, detailliert und schriftlich zu antworten (weil es ja nicht ausdrücklich gesagt werde), stellt eine kleine Delikatesse für Liebhaber juristischer Rabulistik da, allein schon wegen der Schlichtheit der Argumentation. Es wird aber auch deutlich, welch haarspalterisches Argumentieren man bei diesem Kandidaten erwarten muß, wenn er partout etwas (nicht) will.
Kurze Zeit später (am Abend des 29. Januar vor Beginn der ersten Einwohnerversammlung zur Kolonie Oeynhausen) wies der Kandidat, zur Unterstützung seiner Rechtsauffassung, im Gespräch noch auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz hin, daß – egal, was in einer Geschäftsordnung stehe (*) – ein Gesetz immer einen höheren Rechtsrang und damit Vorrang habe.
Wenn man bedenkt, daß Herr Bundestagskandidat Gröhler Volljurist ist und nebenberuflich im Justizprüfungsamt Berlin-Brandenburg tätig, kann man jetzt schon feststellen: durchgefallen. Denn ihm sollte doch eine Grundregel bekannt sein, die jeder Jurastudent im 1. Semester lernt: Nie mit dem Lesen bei einer (anscheinend) passenden Rechtsvorschrift aufhören, sondern auch in den nächsten Paragraphen schauen, ob es da nicht eine Sonderregelung gibt. Und hier konnte Herr Gröhler sogar im selben Paragraphen bleiben, denn nur zwei Sätze weiter heißt es:
„Das Nähere regelt die Geschäftsordnung.“ (§ 43 Satz 4 BezVwG),
die damit also selbst Bestandteil des Gesetzes ist. Es ist erstaunlich, auf welch unverfrorene Art Herr Gröhler die Bürger, seine Kollegen im Bezirksamt und die Vorsteherin der BVV düpiert. Qualifiziert das zum „Volksvertreter“?
Besserungschance
Aber noch ist nicht aller Tage Abend und eine Chance, diesen Eingriff in
die demokratischen Rechte der Bürger selbstkritisch und ausdrücklich im
BA-Kollegium und im GO-Ausschuß zurückzunehmen und ab sofort
Einwohnerfragen ausführlich und nach spätestens zwei Wochen schriftlich
zu beantworten – denn, wie gesagt: „nur Taten (zählen) für die
Bürgerinnen und Bürger, die auch bis zum 22. September 2013 umgesetzt
werden“.
MichaelR
(*) Zur Erinnerung: In der GO heißt es in § 47 (Einwohnerfragestunde):
Absatz 4: „Im Rahmen der Einwohnerfragestunde besteht Anspruch auf eine zusätzliche schriftliche Stellungnahme.“
Absatz 5: „Bei Abwesenheit des/der Fragestellers/in während der Einwohnerfragestunde erfolgt eine schriftliche Beantwortung.“
MichaelR - Gastautoren, Politik -
Der Tunnel am Adenauerplatz ist Ergebnis jener Stadtplanung nach 1945, die sich in erster Linie als Verkehrsplanung verstand und die die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs zu nutzen versuchte, um nun die „autogerechte Stadt“ zu bauen – und die dabei den Kriegsschäden noch erhebliche weitere Zerstörungen von Wohn- und Lebensraum hinzufügte.
Stadtplanung als Verkehrsplanung
Für Westberlin bestimmend waren dabei Kollektivplan (Hans Scharoun), Zehlendorf-Plan und Bonatzplan (1946-1948), die – in abnehmendem Umfang – wesentliche Eingriffe in die gewachsene Stadtstruktur durch ein Netz von Schnellstraßen vorsahen, um dem privaten Kfz-Verkehr Vorrang zu schaffen. Ihr geistiger Vater war der Speer-Plan (1936-1942).
Die Umsetzung begann in den frühen 1950er Jahren, also in einer Zeit, als der öffentliche Verkehr weit wichtiger war als der Individualverkehr (1960 gab es in Westberlin erst 160.000 Pkws, also einen auf 11 Einwohner) (1). Trotzdem wurde ab 1953 systematisch die Straßenbahn beseitigt (2) (1967 fuhr die letzte in Westberlin) und gleichzeitig der Ausbau von U-Bahn und „Stadtautobahn“ forciert: Zu nennen wären die Verlängerung der U 6 von der Seestraße zum Kurt-Schumacher-Platz (1956 eröffnet; 1958 bis Alt-Tegel) und der Baubeginn des „Stadtrings“ zwischen Halensee und Hohenzollerndamm (1956). Der damalige Bausenator Rolf Schwedler (SPD) sah darin die Verwirklichung seiner „Vision einer autogerechten Stadt wie Los Angeles“ (S. 13). Zur selben Zeit war der Westberliner Senat allerdings nicht in der Lage, „selbst die dringendsten Bedürfnisse wie die Beseitigung der Wohnungsnot befriedigend anzugehen“ (3).
Um also die „Straße frei“ zu machen für den Individualverkehr und diesem gleichzeitig dort „freie Fahrt“ zu verschaffen, wurde 1. der auf der Straße beseitigte Schienenverkehr in Form des teuersten Verkehrsmittels unter der Straße ausgebaut und 2. durch den Bau von breiten Durchgangsstraßen und Tunnels für „flüssigen“ Straßenverkehr gesorgt. Beides kann im Bereich des Tunnels am Adenauerplatz besichtigt werden und auch, daß der Westberliner Senat keineswegs zimperlich bei der Umsetzung war.
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MichaelR - Gastautoren, Geschichte -
Offener Brief an Bürgermeister R. Naumann (SPD)
Sehr geehrter Herr Bezirksbürgermeister Naumann,
eine jüngst von Ihnen gemachte Äußerung läßt die Sorge aufkommen, daß Sie drauf und dran sind, das Recht der Bürger auf Einwohnerfragen zu beschneiden. Denn Sie schreiben in einem Bescheid vom 15. Mai 2013 (in dem Sie eine Beschwerde gegen Herrn Stadtrat Gröhler wegen übermäßig verspäteter Beantwortung einer Einwohnerfrage zurückweisen) folgendes:
„Ich bedauere an dieser Stelle ausdrücklich, dass es offenbar Usus
geworden ist, bei eigentlich mündlich zu beantwortenden
Einwohneranfragen von vornherein auf einer schriftlichen Antwort zu
bestehen oder zu diesem Tagesordnungspunkt nicht in der Sitzung der BVV
anwesend zu sein. Denn dadurch wird regelmäßig eine schriftliche
Beantwortung der Fragen erforderlich, die zu einem eigentlich unnötigen
erheblichen Arbeitsmehraufwand führt.“
Aber ist Ihnen denn nicht die Geschäftsordnung der BVV in der Fassung vom 16. Mai 2013 bekannt, wo es in § 47 heißt:
Absatz 4: „Im Rahmen der Einwohnerfragestunde besteht
Anspruch auf eine zusätzliche schriftliche Stellungnahme.“
Absatz
5: „Bei Abwesenheit des/der Fragestellers/in während der
Einwohnerfragestunde erfolgt eine schriftliche Beantwortung.“
Frau Bezirksverordnetenvorsteherin Stückler (CDU) bestätigte erst kürzlich die in der 11. Einwohnerfrage vom April 2013 angesprochene Rechtslage – daß nämlich „auf Antrag der Linken, der Piraten, der Grünen und der SPD am 19.01.2012 von der BVV beschlossen [wurde], dass im Rahmen der Einwohnerfragestunde ein Anspruch auf eine zusätzliche schriftliche Stellungnahme besteht (Drucksache 0027/4)“ –, indem sie ausdrücklich feststellte:
„Die Regelungen zur Einwohnerfragestunde wurden
anlässlich der Neufassung der Geschäftsordnung der Bezirksverordnetenversammlung am 14. Juni 2012 geändert. Eine Anpassung
des Textes im Internet unterblieb irrtümlich. Das Büro der
Bezirksverordnetenversammlung bittet um Nachsicht.“
Aber nicht nur, daß jeder Bürger somit selbst bei Anwesenheit einen Anspruch auf die schriftliche Beantwortung seiner Fragen hat – die Schriftform hat gegenüber der nur mündlichen Antwort auch eine wichtige demokratische Funktion: Denn nur dann können alle Bürger schwarz auf weiß und auch noch nach Jahren nachlesen, welche Antwort gegeben wurde. Die schriftliche Antwort ist also ein Mittel der Transparenz und verhallt nicht einfach im BVV-Saal.
Tatsächlich hat seit Anfang 2012 die Anzahl der monatlichen Einwohnerfragen erheblich zugenommen, denn offenbar hat die Unzufriedenheit der Bürger mit dem Bezirksamt ebenfalls erheblich zugenommen und sich eben in diesen Fragen artikuliert: Denken Sie nur an solche Themen wie Schließung der Knobelsdorffstraße, „Ökokiez“, Umgestaltung des Olivaer Platzes, Umwandlung der „Kurbel“ in einen Biomarkt, Kolonie Oeynhausen, Elterngeld …! In allen Fällen gibt es eine weit über die Kapazität der Zuhörertribüne der BVV hinausreichende Einwohnerschaft, die davon betroffen ist!
So gesehen, ist Ihr oben zitierter Einwand gegen die schriftliche Beantwortung von Einwohnerfragen nicht nur ein Verstoß gegen die eigene Geschäftsordnung, sondern würde bei einer Umsetzung die demokratische Kontrolle der Tätigkeit Ihres Bezirksamtes durch die Öffentlichkeit ganz erheblich beeinträchtigen.
Ich bitte Sie, uns Bürgern darüber aufzuklären, ob Sie wirklich vorhaben, die Rechtslage zu mißachten und das demokratische Informations- und Kontrollrecht der Bürger dadurch zu beeinträchtigen, daß Sie das uneingeschränkte Recht auf eine schriftliche Beantwortung von Einwohnerfragen in Frage stellen.
Und falls Sie beides doch nicht vorhaben sollten, bitte ich Sie, uns Bürger des weiteren darüber aufzuklären, wie Sie in Zukunft sicherstellen werden, daß alle Mitglieder des Bezirksamtes die an sie gestellten Einwohnerfragen innerhalb von zwei Wochen und gewissenhaft beantworten.
Vielleicht folgen Sie dem Vorbild von Frau Paus, MdB (Grüne Partei) und beantworten diesen Brief ebenfalls in öffentlicher Form.
Mit freundlichen Grüßen
MichaelR
MichaelR - Gastautoren, Politik -
Auf der Liste der trostlosen Ecken im bausündenversehrten Berlin landet das Quartier rund um den Heckerdamm im nördlichen Zipfel Charlottenburgs ganz weit oben. Eingeklemmt zwischen Autobahn und Kurt-Schumacher-Damm, erheben sich die Wohnwürfel der Paul-Hertz-Siedlung. Eine Kleingartenkolonie suggeriert eine bürgerliche Idylle, die aber umgehend von einem Logistikzentrum, einem Discounter und der Strafanstalt Plötzensee gebrochen wird. Über dem Areal lastet der Dauerkrach vom Stadtring, der durch Starts und Landungen vom nahen Flughafen Tegel rhythmisiert wird. In diesem Freiluftmuseum der Nachkriegszeit lässt sich penibel das Gesicht einer Stadt studieren, die nicht menschen-, sondern autogerecht gebaut wurde. Bei sommerlichen Temperaturen schwitzen die Steine Staub und das Atmen fällt schwer.
Aber gerade in der Dunkelheit ist die Kerze vonnöten. Inmitten der Brache liegt Maria Regina Martyrum, die Gedenkkirche der deutschen Katholiken für die Opfer des Nationalsozialismus, entworfen vom Architekten Hans Schädel. Die Kirche, eine Mischung aus Zweckraum, Denkmal und begehbarer Skulptur wurde im Mai 1963 geweiht, der 50. Jahrestag der Konsekration im Gedenkjahr 2013 wurde mit einer Messe unter Leitung des Berliner Erzbischofs Rainer Maria Kardinal Woelki feierlich begangen. An diesem sakralen Ort wird sowohl der zahllosen Opfer des Nazi-Regimes als auch der Blutzeugen (= Märtyrer) aus dem christlichen Glauben gedacht.
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Andrea Bronstering - Gastautoren, Gesellschaft -
Ein Wandervorschlag des „Spaziergangforschers“ Bertram Weisshaar - noch bis zum 30. Juni Teil der Ausstellung „Kunstraum AVUS“ in der Kommunalen Galerie - gab den Anstoß dazu, diesen gut zweistündigen Spaziergang selbst einmal zu machen: einen Spaziergang rund um die Avus-Nordkurve (*) in einem Grenzbereich zwischen Charlottenburg und Wilmersdorf, den man normalerweise lieber unbesehen und schnellstmöglich durchquert.
Route
Ausgangspunkt: S-Bahnhof Westkreuz > Richtung Halenseestraße > kurz vor der Straße rechts Richtung ICC-Parkhaus > auf dem Weg dorthin Abstecher rechts auf ein stillgelegtes Stück Autobahn (direkte Auffahrt Richtung Hamburg) > Einfahrt zum ICC-Parkhaus > auf der Spirale zum 6. Geschoß hinauf > auf der Gegenspirale zur Ausfahrt hinunter > beide Fahrtrichtungen der Halenseestraße überqueren > Halenseestraße nach links > am ersten Tor im Zaun rechts auf den Parkplatzes der Raststätte > zur Raststätte mit Mercedesturm (*) > durch eine Lücke im Zaun und über die Nordkurve auf den danebenliegenden weiteren Parkplatz im Inneren der Nordkurve > rechts durch Avus-Unterführung zum Messedamm > Treppe hoch, nach links, entlang der Tribüne (*) zur Jafféstraße > nach rechts und quer durch den S-Bahnhof Eichkamp > nach dem Ausgang gleich links und Treppe runter zur Cordesstraße > Avus-Unterführung > Cordesstraße folgen > rechts Abstecher zum Golfplatz > kurz vor Ende der Cordesstraße rechts Abgang des Fußgängertunnels zum Werkstättenweg > Werkstättenweg nach links bis Halenseestraße > rechts bis Trabener Steg > Autobahn überqueren > Bornstedter Straße geradeaus weiter > Friedhof Grunewald > längs der Mauer umrunden > zurück zum S-Bahnhof Westkreuz (zurück zum Trabener Steg, Treppe runter zur Halenseestraße, nach rechts) oder weiter zum S-Bahnhof Halensee (weiter auf Bornstedter Straße bis Kurfürstendamm, dort links).
Sehenswürdigkeiten
Das kommt auf den Spaziergänger an. Das Rohmaterial sind: Straßen- und Schienenfahrzeuge aller Art, stehend und in Bewegung; Bauwerke für unterschiedlichste Zwecke von Lebenden und Toten; verschiedene Abstufungen Natur zwischen kahler Brache und dichtem Urwald; Geräusche vom Verkehrslärm bis zum Vogelgezwitscher; Rund- und Fernblicke; ununterbrochene Bewegung und ewige Ruhe; Geruch von Auspuffen und blühendem Flieder.
Und man kann außerdem sehen: Es gibt hier viel Platz für Neubauten; da muß man keine Kleingärten beseitigen.
MichaelR
(*) Die Avus wurde 1913 zu bauen begonnen, jedoch wegen Erstem Weltkrieg und Nachkriegszeit erst 1921 fertiggestellt und mit einem Automobilrennen eröffnet (Sieger: Fritz v. Opel auf einem Opel). Im Rahmen des weiteren Ausbaus zu einer Höchstgeschwindigkeitsrennstrecke kamen 1937 die Steilkurve (43,6° überhöht, 1967 im Zusammenhang mit dem Bau des Autobahndreiecks Funkturm abgerissen und wieder als flache Kurve hergestellt), der Zielrichterturm (seit 1958 zusammen mit dem anschließenden Verwaltungsgebäude eine Raststätte) und die Tribüne (unter Denkmalschutz) hinzu. 1999 war das letzte Rennen auf der Avus, die seit 1940, mit dem Anschluß an den Berliner Ring, öffentliche Straße ist.
MichaelR - Gastautoren, Gesellschaft -
Den Büchnerpreis hat er 2011 bekommen, im laufenden Jahr ist er 70 Jahre alt geworden, da darf einer der wirkmächtigsten Autoren der Gegenwart ruhig Rückschau auf sein literarisches Leben halten. Friedrich Christian Delius, der kieznah am Lietzensee wohnt, hat seine biografischen Skizzen, unterlegt mit nostalgischen Fotos, unter dem trügerischen Titel „Als die Bücher noch geholfen haben“ vorgelegt – trügerisch deshalb, weil (nicht nur) seine Bücher auch heute helfen, Kindle Fire und Konsorten zum Trotz. Sie helfen gegen die Floskeln, Phrasen und Textbausteine aller Zeiten, in Delius’ Fall gegen jene der ausklingenden Adenauerära wie gegen jene der totalitären Wortführer von 68; heute helfen gute belletristische Bücher gegen den Imperativ der permanenten Selbstvermarktung und die Gefällt-mir-Einfalt von Facebook. In der vorliegenden Chronik präsentiert sich der selbst ernannte Literaturidealist F. C. Delius von allen Seiten, als junger Debütant, sorgfältiger Lektor, mutiger Verleger, Stipendiat mit der Chuzpe zum Hausfriedensbruch und en passant als virtuoser Autor.
Es passt ganz schön viel hinein in ein modernes Dichterleben. Als er 1964, noch als Student, im Kreis der „Gruppe 47“ die Bühne betritt, akquiriert er mit seiner Lesung gleich den umtriebigen Impressario des Literaturbetriebes Walter Höllerer als Doktorvater. Im selben Jahr gründet Klaus Wagenbach in Berlin seinen Verlag, publiziert erste Gedichte des Unbekannten und nimmt ihn 1970 nach seiner Promotion mit dem hinreißenden Titel „Der Held und sein Wetter“ als Lektor ins Kollektiv. Die aufkommende Diskussion um die Strategie der Roten Armee Fraktion setzt die linke Szene unter Dauerspannung. Entnervt von den endlosen Debatten um Solidarität mit der inhaftierten Ulrike Meinhof verlässt F. C. Delius 1973 den Wagenbach-Verlag und wird Gründungsmitglied bei Rotbuch. Zu allem Überfluss hat er in diesen turbulenten Jahren einen Prozess gegen den Weltkonzern Siemens am Hals, nachdem er als Stipendiat der römischen Villa Massimo eine satirische „Festschrift“ zum 125jährigen Firmenjubiläum verfasst und das Wirken Siemens’ während des III. Reiches pointiert und kritisch belegt hat – mit Zitaten aus Firmenbroschüren. F. C. Delius kommt finanziell glimpflich davon, der Autor und sein neuer Verlag können sich keine bessere Glaubwürdigkeit im antiautoritären Milieu wünschen. Literarisch leistet Rotbuch Pionierdienste Richtung Osten: in Westberlin erscheinen ab Mitte der 1970er Jahre die Texte von Günter Kunert, Thomas Brasch und Heiner Müller, alle Berlin(Ost) sowie dann in den 1980ern von Herta Müller, seinerzeit noch in Rumänien lebend. Diese Brotarbeit an den Büchern anderer hat F. C. Delius nicht davon abgehalten, das eigene Schreiben fortzusetzen; 1978 verlässt er Rotbuch und wird freier Autor in reger Produktion, präzise und federleicht schreibend und zu Recht hoch dekoriert.
Wer nun meint, eine solche Vita offenbare notwendig ein politisches Selbstverständnis, erfährt postwendend Widerspruch: „Theorie war meine Sache nie, Aktionismus noch weniger“, ein „guter Linker“ sei er nicht gewesen, Jean Paul und Theodor Fontane habe er um Längen lieber gelesen als Karl Marx. Schon der Junge kannte „die Wohltat, mich am Schopf der eigenen Texte aus dem Sumpf der Sprachlosigkeit ziehen zu können“, der Mann wird diese Empfindung und diese Fähigkeit kultivieren. F. C. Delius geht ein Dogmatismus des Schreibens völlig ab, ästhetische wie literarische Argumente zielen für ihn nicht aufs Rechthaben, sondern auf das Fortlaufenlassen der Kommunikation. Ein solch romantischer Respekt vor der Sprache ist kostbar, er ist Voraussetzung für Genuss ohne Ideologie, dabei durchaus politische, soziale und wirtschaftliche Missstände beim Namen nennend. Aber eben nicht vereinnahmend zu Lasten der Kunst. Allerdings kommt Delius’ Beharren, ein Einzelgänger der schönen Literatur und kein Parteigänger von 68ff. zu sein, ein wenig zu vehement daher; er ist nolens volens auch Repräsentant seiner Generation, ihrer Kämpfe und ihrer Widersprüche, randständig und glänzend. Was bleibt Friedrich Christian Delius noch zu wünschen? Dass dereinst eine Straße nach ihm benannt werde, in Berlin, in Charlottenburg, dem Pflaster, auf dem so viele seiner Bücher Gestalt annahmen. Im Poetenwinkel rund um die mittlere Kantstraße zwischen Goethe und Schiller, Wieland und Herder sollte sich ein passender Ort doch finden lassen.
Friedrich Christian Delius: Als die Bücher noch geholfen haben. Biografische Skizzen, Berlin 2012, Rowohlt
Andrea Bronstering - Gastautoren, Kunst und Kultur -
Am 8. Mai 1945 endete mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht der II. Weltkrieg auf europäischem Boden, im Pazifik wurde er noch bis zu den US-amerikanischen Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki im August des gleichen Jahres weitergeführt. Der vom III. Reich verursachte Krieg kostete mindestens 60 Millionen Menschen das Leben. In Frankreich, Tschechien und der Slowakei ist der 8. Mai ein Gedenk- und Feiertag. Es sollten 40 Jahre ins Land gehen, bis 1985 ein bundesdeutscher Politiker, der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker, den 8. Mai 1945 als Befreiung vom Hitlerfaschismus auch für Deutschland und die Deutschen bezeichnete.
Integraler Bestandteil der nationalsozialistischen Ideologie war ein aggressiver Antisemitismus, der in der industriell organisierten Vernichtung von geschätzten 6 Millionen europäischer Juden gipfelte. Zu ihnen zählt auch die Lyrikerin Gertrud Kolmar, 1894 in Berlin geboren, 1943 in Auschwitz ermordet. Gertrud Chodziesner, so ihr Geburtsname, war die älteste Tochter eines angesehenen jüdischen Rechtsanwalts und Justizrates; nach dem Besuch der Höheren Mädchen- und Hauswirtschaftsschule 1912 arbeitete sie als Sprachlehrerin, ab 1918 als Dolmetscherin im Auswärtigen Amt. 1917 erschien ihr erster Gedichtband unter dem Pseudonym Gertrud Kolmar. Nach dem Tod der Mutter 1930 arbeitete sie als Sekretärin ihres Vaters. Nach 1933 konnte sie nur noch vereinzelt publizieren, eine mögliche Emigration lehnte sie aus Sorge um den kranken Vater ab. Ab 1941 wurde sie zur Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie verpflichtet, 1943 dann nach Auschwitz deportiert. Am Haus in der Ahornallee 37 im Westend erinnert eine Gedenktafel an Gertrud Kolmar.
Gertrud Kolmars umfangreiches nachgelassenes Werk, das formal durch Sonette und Balladen gekennzeichnet ist, wurde mittlerweile vorbildlich editiert. Zur Illustration ihres dichterischen Schaffens das Gedicht „Die Fahrende“ aus dem Zyklus Weibliches Bildnis, entstanden zwischen 1927 und 1932.
Alle Eisenbahnen dampfen in meine Hände,
Alle großen Häfen schaukeln Schiffe für mich,
Alle Wanderstraßen stürzen fort ins Gelände,
Nehmen Abschied hier; denn am andern Ende,
Fröhlich sie zu grüßen, lächelnd stehe ich.
Könnt’ ich einen Zipfel dieser Welt erst packen,
Fänd ich auch die andern, knotete das Tuch,
Hängt’ es auf einen Stecken, trüg’s an meinem Nacken,
Drin die Erdenkugel mit geröteten Backen,
Mit den braunen Kernen und Kalvillgeruch.
Schwere eherne Gitter rasseln fern meinen Namen,
Meine Schritte bespitzelt lauernd ein buckliges Haus;
Weit verirrte Bilder kehren rück in den Rahmen,
Und des Blinden Sehnsucht und die Wünsche des Lahmen
Schöpft mein Reisebecher, trinke ich durstig aus.
Nackte, kämpfende Arme pflüg’ ich durch tiefe Seen,
In mein leuchtendes Auge zieh’ ich in den Himmel ein.
Irgendwann wird es Zeit, still am Wasser zu stehen,
Schmalen Vorrat zu sichten, zögernd heimzugehen,
Nichts als Sand in den Schuhen Kommender zu sein.
Gertrud Kolmar: Das lyrische Werk. Ausgabe in drei Bänden. Herausgegeben von Regina Nörtemann, 2. Auflage Göttingen 2010, Wallstein Verlag
Andrea Bronstering - Gastautoren, Kunst und Kultur -
Hier folgt eine zweite Stellungnahme zur Antwort von Lisa Paus auf den offenen Brief an sie. Die erste Stellungnahme befindet sich hier.
Sehr geehrte Frau Paus,
ich bin Pächter auf der Kolonie Oeynhausen und habe Ihren Artikel mit Interesse gelesen. Ihre Feststellungen im ersten Absatz kann ich nur unterstreichen. Schön wäre es aber gewesen und wäre es immer noch, wenn Ihre Parteimitglieder im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf danach handeln würden, d.h. sich bedingungslos für den vollständigen Erhalt der seit 110 Jahren bestehenden Kolonie einzusetzen.
Die von Ihnen erwähnten erheblichen finanziellen Risiken wurden und werden stets vom Bezirksamt behauptet. Aus den uns überlassenen Akten, deren Einsicht wir nur unter Einschaltung des Berliner Datenschutzbeauftragten erhielten, lässt sich diese Behauptung nicht belegen. Die von Baustadtrat Schulte stets mantraartig wiederholte Aussage, es liege ein Erschließungsangebot des Investors vor, wurde bisher nicht belegt. Unsere wiederholte Forderung, uns dieses Angebot zugänglich zu machen, wird bis heute abgelehnt.
Der größte Teil der Bezirksverordneten, auch der Grünen, haben die Akten „Oeynhausen“ nicht gelesen. Sie glauben einfach den Aussagen von Schulte und wissen somit nicht, wahrscheinlich wollen sie es auch nicht wissen, wie die Fakten aussehen. Ohne Erschließung gibt es kein Baurecht, und somit wird auch keine Entschädigung in Höhe von 25 Millionen Euro bei einer Festsetzung des Bebauungsplans IX 205a fällig. Selbst wenn aber eine Erschließung gesichert sein sollte, ergibt sich aus den Gutachten Groth und Finkelnburg höchstens eine Entschädigung von 2,3 Millionen Euro. Nur diese Gutachten hätten die Grünen lesen müssen.
Mit dem Beschluss der BVV vom 17.1.2013, ein vorhabenbezogenes B-Planverfahren durchführen zu lassen, entmündigt sich das Bezirksparlament, sofern dieses Verfahren nach § 13a Baugesetzbuch (BauGB) durchgeführt wird. Ihre Partei hat es in der Hand, gemeinsam mit den anderen Parteien, notfalls gegen die Stimmen der SPD, dieses zu verhindern. Ein Vorhaben- und Erschließungsantrag des Bauträgers kann die BVV ablehnen und sollte dies auch tun. Sie kann aber auch beschließen, ein B-Planverfahren nach § 12 BauGB durchführen zu lassen. Der Bauträger will unbedingt ein Verfahren nach §13 a BauGB. Dies muss verhindert werden. Die Glaubwürdigkeit Ihrer Partei hier in unserem Bezirk zeigt sich uns Bürgern in den nächsten anstehenden Abstimmungen in der BVV und wird mit Sicherheit unser Wahlverhalten bestimmen.
Ich hoffe, die Vernunft wird siegen.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Sommer
Frank Sommer - Gastautoren, Politik -
Zweite Einwohnerversammlung zur Kolonie Oeynhausen am 23. April
Vor drei Monaten, am 29. Januar, hatte bereits eine Einwohnerversammlung zum selben Thema stattgefunden. Was war diesmal anders?
Anders war diesmal, daß ein Demonstrationszug von rund 300 Menschen vom Festplatz der Kolonie zum Versammlungsort in
der Marienburg-Schule zog, wo sich wieder an die 400 Teilnehmer zusammengefunden hatten, um für den Erhalt der Kolonie einzutreten. Unter den Kleingärtnern und Anwohnern hat sich eben keine Resignation breitgemacht.
Ebenfalls war anders, daß die Abendschau des rbb direkt aus
dem Saal berichtete. Das Interesse der Öffentlichkeit am Thema
ist groß. Das kann jeglicher Art von Rettern und Abhakern („Beim nächsten Mal machen wir es besser!“) nicht gefallen. Es sollte noch viel mehr Öffentlichkeit hergestellt werden.
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MichaelR - Gastautoren, Politik -
Eine Stellungnahme zur Antwort von Lisa Paus auf den offenen Brief an sie.
Die Antwort der Grünen Bundestagsabgeordneten Lisa Paus enttäuscht alle diejenigen, die noch den Glauben hatten, Grüne Politik in Bezug auf die Dauerkleingartenanlage Oeynhausen hätte etwas mit grüner Basisdemokratie und mit Sachverstand zu tun. Vielmehr geht es der Grünen Bezirksfraktion im Kern um Fraktionsdisziplin, „das Gesicht wahren“ und um die Festigung der Bündnistreue zur SPD. Ausbaden sollen das die 300 Kleingärtner. Werden sie aber nicht! Es verwundert nicht, dass Lisa Paus die neoliberale Haltung ihrer Parteikollegen geißelt, nicht merkt, wie die Demokratie den Investoren ausgeliefert wird. Dennoch - und jetzt nur für Frau Paus:
Der Vorstoß der Grünen Fraktion am 17. Januar zeugt bestenfalls von Ahnungslosigkeit im Planungsrecht: Es waren die Grünen, die am 17. Januar 2013 den mit der SPD abgestimmten BVV-Beschluss herbeiführten, das Planungsgebiet zu teilen und auf 50% der Fläche einen „vorhabenbezogenen Bebauungsplan“ aufzustellen mit dem Ziel, dort 79.000 m² Bruttogeschossfläche Wohnen aufzutürmen. Sollte dieser Beschluss vom Bezirksamt und der BVV umgesetzt werden, reibt sich LORAC die Hände: Aus dem im Jahr 2008 für nur 600.000 € erworbenen Rohbauland würde Wohnbauland im Wert von 50 Mio. € (solche Gewinnspannen sind nicht mal im Drogenhandel zu realisieren: Alles was es dazu braucht, ist das „Handheben“ einer Mehrheit in der BVV). Sinnvoll wäre gewesen, das Anliegen des Investors aus städtebaulichen Gründen gleich abzulehnen oder aber – wenn jedes Schadensersatzrisiko ausgeschlossen werden soll – den Vorschlag des Grundstückseigentümers in das laufende Aufstellungsverfahren zum Bebauungsplan IX-205a als städtebauliche Alternative einzuarbeiten und mitzuberaten – und dann abzulehnen! Der Beschluss vom 17.1.2013 muss revidiert werden.
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Ein langjähriger Grüner - Gastautoren, Politik -